-Immunologie INHALT: 1. Herzminutenvolumen
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SKRIPT HERZ UND KREISLAUFDieses
Skriptum ist eine Lernhilfe zu meiner Vorlesung im Modul "Herz-Kreislaufsystem"
an der Medizinischen Universität Innsbruck.
Version
4.7 ©Arno Helmberg 2011-2022
1. REGULATION VON HERZMINUTENVOLUMEN UND
DURCHBLUTUNG
Mehrzeller benötigen eine effiziente Logistik, um alle Zellen mit dem nötigen
zu versorgen. Manche Güter, wie Energieträger, können zu einem gewissen Ausmaß
in Zellen gespeichert werden, andere, wie Sauerstoff und CO2, müssen just in time geliefert oder abtransportiert
werden.
Der Kreislauf unseres Körpers muss analogen
Anforderungen gerecht werden wie unsere Stromversorgung: viele parallel
geschaltete Verbraucher mit zeitlich stark variierender Leistungsabnahme müssen
zu allen Zeiten versorgt werden. Dies bedeutet, dass das "Kraftwerk",
unser Herz, über ein breites Leistungsband reguliert werden muss. Den
"Strom", den unser Herz erzeugt, messen wir als Herzminutenvolumen
(HMV): Schlagvolumen x Herzfrequenz.
Szene
1: Wir sitzen noch etwas
verlangsamt beim Frühstück. Lange gelernt gestern Abend. Unsere Herzfrequenz
beträgt 60 Schläge pro Minute, unser Schlagvolumen 70 ml. Mühsam berechnen wir
unser HMV: 60x70=4200 ml, also 4,2 l. Hm. Was ist heute eigentlich für ein Tag?
Mittwoch??! Erste Stunde Pathophysiologie Vorlesung!! Und der Bus kommt in drei
Minuten!!!
Szene
2: Wir schnappen uns den
Rucksack, knallen die Wohnungstür zu und rasen den Anstieg zur Haltestelle
hoch. Der Bus steht schon da! Ein letzter Sprint! Freundlicherweise öffnet der
Fahrer noch einmal die Tür. Keuchend sinken wir auf den nächsten freien Sitz.
Unser Puls rast mit 185, unser Schlagvolumen ist auf 120 ml hochgeschossen:
unser HMV ist 185x120=22.200 ml. Mit mehr als 22 l ist es fünfmal so groß wie wenige Minuten vorher.
Unser kardiovaskuläres System muss also sehr
rasch auf geänderte Anforderungen reagieren, und zwar auf mehreren Ebenen.
In unserem Beispiel springt der Sauerstoff- und
Energieverbrauch unserer Muskeln innerhalb von Sekunden von nahe Null auf
Hundert; die dadurch benötigte Durchblutung der Skelettmuskeln und, natürlich, auch
des Herzens selbst steigt um ein Vielfaches. In Ruhe werden nur etwa 20% der
Muskelkapillaren durchblutet. Beim Sprint sind alle Kapillaren geöffnet, sodass
sich der Radius des sogenannten Krogh-Zylinders drastisch reduziert. Der von
August Krogh definierte Zylinder ist das Gewebsvolumen, das von einer einzelnen
Kapillare mit Sauerstoff versorgt wird. Inzwischen muss der Bedarf anderer
Organe aber auch im Auge behalten werden. Es wäre wenig hilfreich, alles Blut
in die Muskeln zu leiten: unser Hirn würde das als Erstes merken, oder eben
gerade nicht mehr merken, denn es sitzt in der höchsten Position mit dem
geringsten hydrostatischen Druck. Sobald seine Sauerstoffversorgung in die Knie
geht, verlieren wir das Bewusstsein und kollabieren.
Es reicht also nicht aus, das
Herzminutenvolumen zu regeln. Jemand muss zusätzlich den Bedarf der
verschiedenen Organe berücksichtigen und Durchblutungsanforderungen bremsen,
die den Gesamtorganismus gefährden würden. Dieser Jemand muss ziemlich schlau
sein, denn unsere Organe haben sehr unterschiedliche Anforderungen an die
Durchblutung. Zentralnervensystem und Herz müssen wir immer versorgen, sonst
sind wir tot. Eine Stufe darunter befinden sich Niere und Leber: drehen wir
ihre Durchblutung herunter, sind wir nicht sofort tot, aber in sehr ernsten
Schwierigkeiten. Andere Organe, wie der Darm, überstehen eine gewisse Zeit minimaler
Perfusion. Die Haut selbst toleriert einen Rückgang der Durchblutung recht gut,
da sie Sauerstoff von außen beziehen kann. Abhängig von der Temperatur kann es
jedoch sein, dass wir ihre Kühlungsfunktion benötigen, die nur mit Hilfe
reichlicher Durchblutung funktioniert. Insgesamt bedeutet das, dass der schlaue
Jemand, der das alles organisiert, Milliarden kleiner präkapillärer Hähne
zugleich adjustieren muss, damit die Anforderungen aller Zellen unseres
Organismus erfüllt werden.
Beginnen wir mit einem Blick auf die Basis
unseres Logistiksystems, die Mikrozirkulation.
2. MIKROZIRKULATION
Autoregulation
In manchen vitalen Organen, speziell ZNS und
Herz, kann die Autoregulation nicht durch systemische Faktoren außer Kraft
gesetzt werden. In den meisten Teilen unseres Körpers wird die Autoregulation
jedoch von systemischen Faktoren überlagert, vor allem durch das autonome
Nervensystem.
Kapillaren
Es gibt mehrere Arten von Kapillaren:
Endothel
Die endotheliale Oberfläche ändert sich mit
ihrem Funktionszustand: während sie gewöhnlich die Adhärenz von Leukozyten und Plättchen
verhindert, fördert sie im aktivierten Zustand die Auswanderung von Leukozyten
und die Gerinnung.
Im Ruhezustand wenden Endothelzellen dem Blut
eine dicke Glykokalyx aus Glykoproteinen und Proteoglykanen zu. Proteoglykane
tragen lange Glycosaminoglykan-Seitenketten wie Heparansulfat und andere heparinartige Makromoleküle. Durch ihre
zahlreichen polaren Gruppen binden diese einen enormen Wassermantel, sodass eine
Gleitgel-Schicht für die entlang rutschenden Zellen und Plättchen entsteht. Das
Gesamtvolumen des endothelialen Glykokalyx-Gels in unserem Körper wurde auf
etwa 1.7 Liter geschätzt. Die Gleitschicht schützt nicht nur die Blutzellen vor
mechanischen Schäden, sie verhindert auch, dass die Endothelzellen selbst durch
den viskösen Widerstand geschädigt oder abgeschert werden. Zusätzlich helfen zahlreiche negative Ladungen, die sich sowohl auf der
endothelialen Glykokalyx als auch auf der Oberfläche der Thrombozyten und Blutkörperchen
gegenüberstehen, eine Adhärenz zu vermeiden. Heparinartige Moleküle werden auch
"emittiert" und hemmen so in Zusammenarbeit mit dem Plasmaprotein Antithrombin-III
die Gerinnung in der Nähe ruhenden Endothels.
Mit Hilfe der Cyclooxygenase produzieren Endothelzellen Prostacyclin (Prostaglandin I2), das hemmend auf Plättchenaggregation und relaxierend auf glatte Muskelzellen wirkt.
Endothelaktivierung
Wie wir in unserer Auseinandersetzung mit
Entzündung gesehen haben, führt die Aktivierung von Endothel durch TNFα
zum Erscheinen von Selektinen auf der endothelialen Oberfläche. Lektine sind
zuckerbindende Proteine; sowohl P- wie auch E-Selektin binden Sialyl-Lewisx,
das auf der Oberfläche von Neutrophilen und Makrophagen vorkommt. Wenn durch
mechanischen Stress, Zytokine oder Hypoxie aktiviert, bringen Endothelzellen
rasch als Weibel-Palade-Körperchen bezeichnete Granula zum Verschmelzen mit der
Membran. Diese enthalten P-Selektin, sodass die bis dahin bestehende
Leukozytenrutschbahn innerhalb von Minuten in einen Rollklettverschluss
umgewandelt wird. Kurz nachdem P-Selektin an die Zellmembran transferiert
wurde, beginnt die Neusynthese von E-Selektin, das innerhalb von zwei Stunden
das dominante Selektin wird. Parallel synthetisieren die Endothelzellen ICAM‑1
und ICAM‑2, die als Liganden für Phagozytenintegrine dienen. Neben
P-Selektin enthalten Weibel-Palade-Körperchen von-Willebrand-Faktor und CXCL8
(Interleukin‑8).
Die Gerinnungsfrage
Von-Willebrand-Faktor besteht aus langen,
knäuelförmigen Multimeren eines 250 kDa-Proteins. Eine der Funktionen des
von-Willebrand-Faktors ist seine Bindung an den Plättchenrezeptor Glycoprotein
Ib (Gp Ib). Unter hoher hämodynamischer Scherbeanspruchung
entknäuelt sich der von-Willebrand-Faktor, sodass er die Thrombozyten durch
eine erhöhte Zahl von Kontakten abbremst und zur Adhärenz bringt. Zusätzlich
fungiert von-Willebrand-Faktor als Trägerprotein für Gerinnungsfaktor VIII und
schützt diesen vor Proteolyse.
Von-Willebrand-Syndrom ist die häufigste vererbte Blutungskrankheit.
Der Mangel kann quantitativ, qualitativ oder komplett sein. Dementsprechend
steht bei den meisten Betroffenen eine eingeschränkte Plättchenfunktion mit
moderaten Symptomen im Vordergrund: Nasenbluten, häufige blaue Flecken und
starke Menstruationsblutungen. Erst bei komplettem Fehlen des
von-Willebrand-Faktors sind auch die Spiegel von Faktor VIII erniedrigt, sodass
sich die klassischen Symptome der Bluterkrankheit ergeben.
Eine Verletzung des Endothels bringt
Thrombozyten in direkten Kontakt mit der extrazellulären Matrix, die Kollagen,
Fibronektin und Laminin enthält und zusätzlich von-Willebrand-Faktor bindet. Alle diese Bestandteile aktivieren Plättchen
via Gp Ib und Rezeptoren der Integrinfamilie.
PlättchenaggregationAktivierte
Plättchen exozytieren den
Inhalt ihrer Granula: Serotonin, Ca2+, ATP und ADP aus elektronendichten
Granula, von-Willebrand-Faktor, Faktor V, Fibrinogen, platelet factor 4 (PF4, CXCL4) und PDGF (platelet derived growth factor) aus α-Granula (Fibrinogen
stammt aus der Leber, wird aber durch Endozytose aufgenommen). Mit
Hilfe ihrer Cyclooxygenase synthetisieren sie außerdem Thromboxan A2.
Serotonin, ADP und Thromboxan A zusammen aktivieren weitere Plättchen, sodass
es zur Plättchenaggregation kommt. Der große von-Willebrand-Faktor beginnt
dann, Brücken zwischen benachbarten Plättchen zu schlagen. Plättchenaktivierung
induziert über die Anhebung der intrazellulären Ca2+-Konzentration
eine Konformationsänderung eines weiteren Plättchenrezeptors, des Integrins Gp
IIb/IIIa, der dadurch neben von-Willebrand-Faktor auch Fibrinogen bindet, das
die Brückenbildung verstärkt.
Immunthrombozytopenische
Purpura (ITP) wird häufig durch
Autoantikörper gegen Gp IIb/IIIa ausgelöst.
Heparininduzierte Thrombopenie (HIT) kann als unerwünschte paradoxe Wirkung von Heparingabe auftreten: Man spritzt Heparin, um die Gerinnung zu hemmen, und bekommt das Gegenteil, Thrombosen mit Plättchenverbrauch, mit potentiell lebensbedrohlichen Folgen. Wie kann es dazu kommen? PF4 (CXCL4) ist stark positiv geladen und bindet und neutralisiert das stark negativ geladene Heparin, um die Gerinnung zu fördern. Gegen den Komplex von mit PF4-Einheiten bestücktem Heparin können Autoantikörper gebildet werden. Diese Antikörperbildung wird umso leichter entsichert, je länger die heparinartigen Ketten sind: mehr B-Zell-Rezeptoren mit geringer Affinität für PF4 werden durch die Quervernetzung geclustert, sodass genügend Signal ensteht, um die B-Zelle zu aktivieren (darum werden, im Gegensatz zu früher, fast ausschließlich kurzkettige Heparine eingesetzt, besonders, wenn die Therapie länger als 5 Tage dauern soll). Die Antikörper bilden große Immunkomplexe mit den PF4-Heparingirlanden und aktivieren Thrombozyten über Fc-Rezeptoren: es entstehen Pulmonalembolien, zerebrale Venen- und Sinusthrombosen etc. Seltener tritt das Krankheitsbild auch "rein autoimmun", also ohne vorherige Heparintherapie auf. Vaccine-induced immune thrombotic thrombocytopenia (VITT) wurde als extrem seltene Komplikation nach SARS‑CoV‑2-Impfung mit den adenoviralen Vektorimpfstoffen von AstraZeneca und Johnson&Johnson beschrieben. Auch hier entwickelten die Patientinnen (weitaus mehrheitlich Frauen) Autoantikörper gegen PF4, ohne vorher Heparin bekommen zu haben. Es traten Thrombosen auf, in einigen Fällen zerebrale Venen- und Sinusthrombosen. Ein hypothetischer Mechanismus wäre folgender: Adenoviren sind DNA-Viren. Durch Zerfall einzelner Impfviren im Impfstoff könnte die stark negativ geladene DNA freiwerden. Diese könnte, wie Heparin, PF4-Einheiten binden. Der repetitive lineare Komplex könnte dann eine Autoantikörperbildung wahrscheinlicher machen.
Pharmakologische Querverstrebung: Plättchenhemmung
Da beide Hemmungsmöglichkeiten über verschiedene Mechanismen wirken, können sie zu einer starken, "doppelten" Plättchenhemmung kombiniert werden.
FibrinbildungEine durch eine Gefäßwandverletzung verursachte Blutung wird durch Plättchenaggregation zunächst zum Stillstand gebracht, doch muss dieser Plättchenthrombus zusätzlich durch ein Fibrinnetz "festgezurrt" werden. Thrombin (Faktor IIa) ist nötig, um Fibrinogen zu Fibrinmonomeren zu spalten; diese polymerisieren spontan und werden anschließend durch Faktor XIIIa kovalent vernetzt. Aktives Thrombin kann auf zwei Arten aus Prothrombin entstehen: 1. Mit einer der beiden Aktivierungsarten haben wir uns bereits anlässlich unserer Auseinandersetzung mit dem Abwehrsystem beschäftigt: der Kontaktaktivierung oder dem intrinsischen System. Der Prozess wird dadurch angestoßen, dass Hagemanfaktor, high molecular weight kininogen (HMWK) und Präkallikrein auf negativ geladenen Oberflächen zusammentreffen und einander aktivieren. Über die Aktivierung der Faktoren XI, IX und VIII führt das zur Bildung eines Komplexes auf der Plättchenoberfläche, der aus Membranphospholipiden, freigesetztem Ca2+, VIIIa und IXa zusammengesetzt ist und der Faktor X aktiviert. 2. Im Rahmen von Herzerkrankungen und Durchblutungsproblemen ist jedoch die zweite Aktivierungsart, das extrinsische System, von größerer Bedeutung. Initiator ist hier Gewebsthromboplastin oder tissue factor (TF), ein Transmembranglykoprotein, das von den meisten Zelltypen, nicht jedoch von Endothelzellen exprimiert wird. Bei einer Gefäßwandverletzung kommt dieser Gewebefaktor mit den Gerinnungsfaktoren im Blutplasma in Berührung. Er bindet Faktor X und Faktor VII, den er auch aktiviert. Der Prozess führt zur Bildung eines Komplexes, der dem vorher beschriebenen analog ist. Er besteht aus Membranphospholipiden, freigesetztem Ca2+, tissue factor und Faktor VIIa und aktiviert wiederum Faktor X. Intrinsischer und extrinsischer Weg vereinigen sich also in der Aktivierung von Faktor X auf einer Membran. Gleich daneben bildet sich ein zweiter Komplex aus Phospholipiden, Ca2+ und den Faktoren Xa und Va, den wir als Prothrombinase bezeichnen. Prothrombinase aktiviert Faktor II (Prothrombin) zu Thrombin. Die Faktoren II, VII, IX und X finden ihren Platz im Komplex nur, indem sie über Ca2+ an die Membranoberfläche binden. Ihre Ca2+-Bindungsfüßchen werden mit Hilfe von Vitamin K in der Leber hergestellt: dieses ist notwendig, um eine zweite COO− -Gruppe an das vorletzte Kohlenstoffatom von Glutaminsäureresten zu hängen. So entstehen zwei nebeneinanderliegende negative Ladungen, die bevorzugt an die zwei positiven Ladungen des Ca2+-Ions binden. Praktische Anwendung: komplexiert man das lösliche Ca2+ einer Blutprobe durch EDTA oder Zitrat, kann man verhindern, dass diese gerinnt.
Pharmakologische Querverstrebung:
· Vitamin K-Antagonisten wie Acenocumarol hemmen die Karboxylierungsreaktion, die die Faktoren II, VII, IX, X mit Ca2+-Bindungsfüßchen ausstattet. Ohne diese sind sie wirkungslos, auch wenn sie im Plasma vorhanden sind, da sie nicht zu Komplexen zusammenfinden. Korrekte Dosierung dieser Medikamente erfordert sorgfältiges Einstellen und regelmäßige Kontrollen. Ein Nachteil ist, dass diese lipophilen Substanzen lange biologische Halbwertszeiten haben, sodass man ihre Gerinnungshemmung nicht rasch aufheben kann. · Direkte Faktor Xa-Hemmer wie Rivaroxaban oder Apixaban (Xa-bane) sind viel teurer, erlauben jedoch durch ihre kürzere Halbwertszeit im Notfall eine raschere Normalisierung der Gerinnungsparameter und benötigen keine häufigen Kontrollen. · Ein direkter Thrombinhemmer ist das ebenfalls oral verabreichbare Dabigatran. Es benötigt keine häufigen Kontrollen und kann im Prinzip rasch durch einen monoklonalen Antikörper (Idarucizumab) inaktiviert werden. Direkte Xa und Thrombininhibitoren werden als DOACS (direct oral anticoagulants) zusammengefasst. Sie sind sehr teuer. · Billig und rasch steuerbar ist kurzkettiges Heparin; es muss allerdings subkutan gespritzt werden. Heparin komplexiert an das Plasmaprotein Antithrombin III (AT-III) und hemmt so ebenfalls Xa und Thrombin. Thrombin ist eine Serinprotease, die nicht nur Fibrinogen, sondern auch die vorgeschalteten Faktoren VIII und V aktiviert, sodass ein positiver Rückkoppelungseffekt entsteht. Zusätzlich ist Thrombin in der Lage, über einen membranständigen Rezeptor Plättchen, Endothelzellen und Monozyten zu aktivieren. Dieser Rezeptor wird durch die Proteasefunktion aktiviert; er trägt seinen eigenen Liganden vorfabriziert mit sich, der aber den Rezeptor erst aktivieren kann, wenn er durch Thrombin losgeschnitten wird. Verhinderung ausufernder GerinnungEndothelzellen in der Umgebung der Gefäßwandverletzung hemmen Plättchenaggregation und Gerinnung, um die Ausbreitung des Prozesses zu limitieren:
·
Aus ihrer Glykokalyx
emittieren die Endothelzellen Heparin-artige Moleküle, die zusammen mit AT-III Thrombin und die Faktoren IXa und Xa hemmen.
·
Thrombomodulin kompetiert mit dem Thrombinrezeptor um Thrombin. Der Thrombomodulin-Thrombin-Komplex aktiviert Protein C. Mit Hilfe von Protein S inaktiviert Protein C die Faktoren Va und VIIIa.
·
Endothelzellen produzieren NO, Prostacyclin und Adenosin-Diphosphatase,
die alle hemmend auf die Plättchenaggregation wirken.
·
Endothelzellen produzieren gewebespezifischen Plasminogenaktivator (tissue plasminogen activator,
t-PA), um die Fibrinolyse in Gang zu setzen.
Fibrinolyse: t-PA aktiviert das Plasmaprotein Plasminogen zu einer aktiven Protease. Plasmin knabbert das Fibrinnetz an, im Gefäß hauptsächlich stromabwärts der ursprünglichen Gerinnungsstelle. Da Fibrin über seine D-Domäne kovalent quervernetzt wird, kann man aus dem Vorhandensein von D-Dimeren im Blut darauf schließen, dass irgendwo im Körper ein Gerinnungsprozess abläuft. Sind D-Dimere negativ, schließt das eine Thrombose weitgehend aus Endothelprodukte mit Wirkung auf Durchblutung und Blutdruck
Lymphgefäße
Weiter zentral im Lymphgefäßbaum treten die
ersten echten Klappen auf, und noch weiter zentral kommen auch vereinzelte
glatte Muskelzellen in der Lymphgefäßwand hinzu.
Die Stärke des Lymphstroms hängt in erster
Linie vom interstitiellen Druck ab. Jeden Tag retournieren die Lymphgefäße die
Differenz zwischen filtrierter und reabsorbierter Flüssigkeit in den
Blutkreislauf, in Summe etwa 2-4 Liter. Dieses Lymphvolumen enthält etwa
100-200g Plasmaproteine.
3. REGULATION DURCH DAS AUTONOME NERVENSYSTEM
Die Kurzzeitsteuerung unseres Kreislaufs erfolgt über den Blutdruck. Dieser
wird dauernd über Barorezeptoren im Carotissinus und am Aortenbogen gemessen.
Nervenendigungen in der Gefäßwand enthalten stretch-sensitive
Ionenkanäle, die dehnungsabhängig zu einer Rezeptordepolarisation führen. Die
momentane Dehnung des Carotissinus wird als Aktionspotentialfrequenz an die Medulla oblongata gemeldet: steigender Blutdruck-stärkere
Dehnung- höhere Frequenz.
In unserem Frühstücksbeispiel würde
die umgekehrte Situation auftreten: Sobald wir losrennen, steigt der
Sauerstoffbedarf unserer größten Muskeln: die versorgenden Arteriolen stellen
sich durch Autoregulation weit. Das würde zunächst zu einem wenig hilfreichen Absinken
des Blutdrucks mit sekundärer Korrektur durch den Baroreflex führen, wäre da
nicht unser ZNS. Das ZNS ist ein Organ zur Berechnung der Zukunft, es vermeidet
Umwege durch vorausschauende Steuerung. Vor das noch durch den Baroreflex geschehen
kann, steigert unser ZNS antizipatorisch bereits Blutdruck und
Herzminutenvolumen, indem es den Sympathikotonus erhöht.
Ist das immer gut? Wenn wir tatsächlich losrennen, schon. Wenn wir aber in eine emotionale Stresssituation geraten, aus der wir eigentlich gerne davonrennen würden, in der realen Welt aber sitzen bleiben müssen, beginnt unser Herz zu pochen und unser Blutdruck steigt, ohne dass wir einen Nutzen davon haben. Karotis-Sinussyndrom (hyperaktiver Karotissinusreflex): Druck auf den Karotissinus
(Aufgabelung A. carotis interna/externa)
führt zu Bradykardie oder Herzstillstand mit Synkope. Ursache ist meist
Arteriosklerose, Auslöser sind z.B. Rasieren oder Kopfdrehen mit Krawatte. Als
Therapie wird eventuell ein Schrittmacher benötigt.
Anders als parasympathische Signale,
von denen die meisten über den X. Hirnnerven (N. vagus) geleitet werden,
verlassen die sympathischen Impulse das Rückenmark auf thorakalen und lumbalen Spinalwurzelebenen
und werden in para- und prävertebralen Ganglien umgeschaltet. Der
Sympathikotonus hat in jedem Augenblick unseres Lebens einen wesentlichen
Anteil an unserer Blutdruckregulation: ein hoher Querschnitt über T1 verursacht
eine ausgeprägte Blutdrucksenkung. Sympathische Fasern folgen zumeist den
Arterien in die Zielorgane. Die meisten, jedoch nicht alle postganglionären
Neuronen verwenden Noradrenalin als Transmitter. Eines der Umschaltganglien ist
spezialisiert: das Nebennierenmark besteht aus postganglionären chromaffinen
Zellen, die Adrenalin ins Blut sezernieren. Damit ist sichergestellt, dass
wirklich jeder die Message bekommt, auch jene, die auf der (sympathischen)
Leitung sitzen. Noradrenalin wie Adrenalin werden durch G-Protein-gekoppelte
Rezeptoren erkannt.
Regulation des Gefäßtonus
Wie ist das jedoch in den Skelettmuskeln
selbst? Eine generelle vasokonstriktive Reaktion in den Muskeln wäre
kontraproduktiv, da diese in einer fight
or flight-Situation jede Menge Sauerstoff und Treibstoff benötigen.
Autoregulation spielt offensichtlich eine wichtige Rolle. Hemmungslose Öffnung
der Muskelgefäße durch Autoregulation würde aber bald den Blutdruck entgleisen
lassen. Wie dieser Widerspruch genau gelöst wird, ist nach wie vor umstritten. Ein
Erklärungsmodell besagt, dass Skelettmuskeln sowohl adrenerg-vasokonstriktive
als auch cholinerg-vasodilatorische sympathische Impulse erhalten. Die vasokonstriktive
Komponente würde barorezeptorgesteuert die Einhaltung der Randbedingungen zur
Aufrechterhaltung des Blutdrucks erzwingen. Dagegen würde die vasodilatorische
Komponente nicht auf den Input von Barorezeptoren reagieren, sondern ihre
Instruktionen im Endeffekt vom zerebralen Cortex erhalten, von wo aus der "Laufplan"
gesteuert wird. Eine solche Organisation würde es erlauben, die verfügbaren
Kreislaufressourcen so weit wie möglich zu jenen Muskeln umzuleiten, welche sie
zur Umsetzung des Plans am dringendsten benötigen.
Wie wir vorher bereits feststellten, würde es
nicht den geringsten Sinn haben, die Blutversorgung von Herz oder Hirn
einzuschränken. Die das ZNS versorgenden Blutgefäße oder die Koronarien haben
daher wenig sympathische Innervation und werden primär durch Autoregulation
gesteuert.
Um zusammenzufassen: sympathische Aktivierung
verursacht generelle Vasokonstriktion außer in ZNS und Herz, limitiert die
Vasodilatation der Skelettmuskel soweit wie nötig um den Blutdruck aufrecht zu
halten, doch erlaubt anscheinend stärkere Vasodilatation in den momentan
aktivsten Muskeln.
Regulation der Herzaktivität
Während wir in Szene 1 am Frühstückstisch
sitzen, ist unser Sympathikotonus gering. Aktiv ist dagegen der
Parasympathikus, der unseren Herzschlag über Acetylcholin verlangsamt, das
durch postganglionäre Neuronen des Vagusnervs freigesetzt wird. Auf die
Kammerfunktion hat der Parasympathikus kaum Auswirkungen. Wir werden die
Mechanismen dieser sympathischen und parasympathischen Effekte näher
betrachten, wenn wir uns den Rhythmusstörungen zuwenden.
Weitere sympathische Effekte
Aktive Muskeln benötigen nicht nur Sauerstoff, sondern auch Brennstoff.
Schließlich wird die Reninsekretion über β1-Rezeptoren
gefördert, wie wir gleich näher betrachten werden.
4. REGULATION DES KREISLAUFVOLUMENS
Die Kurzzeitsteuerung unseres Kreislaufs erfolgt also über die Regulation von
Gefäßquerschnitten und Herzaktion durch das autonome Nervensystem. Dehnen wir
jedoch den Zeitraum unseres Interesses etwas aus, muss unser Organismus auch
das Blutvolumen steuern. Fällt das Blutvolumen zu weit ab, kann der Druck nicht
aufrechterhalten werden, egal, wie weit wir den Sympathikotonus hinaufdrehen. Doch
wie regulieren wir das Blutvolumen? Im Prinzip funktioniert es folgendermaßen: zunächst
messen wir den Druck im Hoch- und im Niederdruckgefäßsystem sowie den
osmotischen Druck im ZNS. Den osmotischen Druck halten wir auf jeden Fall
konstant. Da wir das effektive Kreislaufvolumen nicht direkt regulieren können,
regulieren wir das gesamte Extrazellulärvolumen (das wir nicht direkt messen
können) und verteilen dieses mit Hilfe des kolloidosmotischen Drucks der
Plasmaproteine zwischen Gefäßen und Interstitium. Wir adjustieren also dauernd
das Volumen, um die gemessenen Drücke im grünen Bereich zu halten. Mehrere
Regelkreise tragen dazu bei: ADH, Durstgefühl, Plasmaproteinproduktion,
natriuretische Peptide; für unser Verständnis von chronischer Herzinsuffizienz
und deren Therapie ist jedoch das Renin-Angiotensin-Aldosteronsystem (RAAS) am
wichtigsten.
Renin-Angiotensin-Aldosteronsystem
Renin kurbelt daraufhin ein komplexes Programm
an, das den Blutdruck steigert, weitere Salz/Wasserverluste minimiert bzw. das
Defizit, wenn möglich, wieder auffüllt.
Renin ist eine Protease, die aus dem von der
Leber produzierten Plasmaprotein Angiotensinogen das Dekapeptid Angiotensin I herausbricht.
Dieses wird durch angiotensin converting
enzyme (ACE) zum Oktapeptid Angiotensin
II verkleinert. ACE wird auf der luminalen Oberfläche von Endothelzellen
exprimiert, am stärksten in Lunge und Nierenglomerula.
Die meisten Effekte von Angiotensin II werden über den AT1-Rezeptor vermittelt. Angiotensin II stimuliert die Synthese von Aldosteron in der Nebennierenrinde. Aldosteron ist unser Salzsparhormon. Das Mineralkortikoid bewirkt einen verstärkten Einbau von Na+-Kanälen (ENaC, epithelial Na channel) und –Transportern in die Zellmembran des Sammelrohrs und bewirkt damit eine fast vollständige Rückresorption von Na+ und, im Gefolge, Wasser. Angiotensin II wirkt auch im ZNS und fördert dort das Entstehen des Durstgefühls, damit das Blutvolumen wieder aufgefüllt werden kann. Ebenfalls fördert es die Freisetzung von Arginin-Vasopressin/ antidiuretischem Hormon. Angiotensin II verstärkt die Freisetzung von Catecholaminen aus der Nebenniere und anderswo und unterstützt damit die Sympathikusaktivität. In höheren Konzentrationen wirkt Angiotensin II, wie sein Name schon sagt, verengend auf Arteriolen und steigert damit den Blutdruck direkt. Außerdem wirkt chronisch erhöhtes Angiotensin II als Wachstumsfaktor auf das Myokard und trägt damit zur Herzhypertrophie bei. Die direkt gefäßverengende Wirkung von Angiotensin II tritt erst bei höheren Konzentrationen auf und stellt einen Notfallmechanismus dar, der vor allem die Blutzufuhr zum Splanchnikusgebiet und zur Niere selbst zugunsten der vitalen Organe reduziert. Abfallendes Blutvolumen durch zu geringes Trinken, z. B. bei Altersheimbewohnern, kann so einen Circulus vitiosus einleiten, der durch Abdrehen der renalen Blutzufuhr in ein Nierenversagen mündet. In der Klinik wird dafür die Bezeichnung "prärenales Nierenversagen" verwendet. Eine gewisse Limitierung erfolgt durch angiotensin converting enzyme 2 (ACE2). Angiotensin II wird mit Hilfe von ACE2 durch Abspalten der letzten
Aminosäure zum Heptapeptid Angiotensin (1-7) abgebaut. Angiotensin (1-7) wirkt
vasodilatierend. SARS-CoV-2 dockt mit seinem Spike (S-)Protein an ACE2 an und
verwendet dieses als Rezeptor, um in die Zellen zu gelangen. ACE2 wird breit
exprimiert: auf Endothelzellen, auf glatten Gefäßmuskelzellen in Arterien und
Arteriolen, auf Pneumozyten, auf Kardiomyozyten, auf Enterozyten, renalen Podozyten
und Tubulusepithelzellen und in den basalen Plattenepithelzellen in Nase und
Pharynx. SARS-CoV-2 kann dadurch in vielen Organen Schäden verursachen.
Arginin-Vasopressin/ Antidiuretisches Hormon
Natriuretische Peptide (ANP, BNP)
Unsere Drucksensoren im Hochdrucksystem (Carotissinus, Aortenbogen) geben in erster Linie Auskunft darüber, ob das Herz situationsgerecht pumpt. Diese Signale sagen wenig über unser Extrazellulärvolumen. Unsere Drucksensoren im Niederdrucksystem (in den Vorhöfen) sind am ehesten dazu geeignet, einzuschätzen, wie es um unser Blutvolumen bestellt ist, das mit unserem Extrazellulärvolumen im Gleichgewicht steht. Atriales natriuretisches Peptid (ANP) wird hauptsächlich von Herzmuskelzellen der Vorhöfe freigesetzt, wenn diese durch Volumenbelastung stärker gedehnt werden. Es hat eine Plasmahalbwertszeit von wenigen Minuten. ANP ist ein Polypeptid aus 28 Aminosäuren, das an Rezeptoren mit Guanylatzyklaseaktivität bindet, sodass cGMP sein second messenger ist. B-type natriuretic peptide (BNP, ursprünglich brain natriuretic peptide, eine unglückliche Benennung) ist ein sehr ähnliches Peptid aus 32 Aminosäuren, das an dieselben Rezeptoren bindet, aber nur etwa ein Zehntel der Affinität von ANP hat. Funktionell ist es dadurch von geringerer Bedeutung. BNP wird hauptsächlich durch die Ventrikelmuskulatur sezerniert, wenn diese gedehnt wird. Da BNP und sein Vorläufer, NT‑ProBNP, zusätzlich eine längere Halbwertszeit haben, können diese in der Diagnostik der Herzinsuffizienz verwendet werden. ANP hat Nieren- und allgemeine Effekte: 1. In der Niere steigert es die Na+- und Wasserausscheidung: -Es relaxiert die glatte Muskulatur in der Wand der Nierenarteriolen, im Vas afferens stärker als im Vas efferens. Dadurch erhöht es die Durchblutung von Rinde und Mark und wäscht so in Summe den osmotischen Gradienten im Nierenmark tendenziell aus. Außerdem steigert es so die glomeruläre Filtrationsrate und die Filtrationsfraktion. -ANP schließt apikale Na+-Kanäle (ENaC) im Sammelrohr und reduziert dadurch die Na+-Rückresorption. 2. Erst bei höheren Konzentrationen wirkt ANP auch im allgemeinen Kreislauf dilatierend, sodass sich eine Senkung des systemischen Blutdrucks ergibt. Dieser zweite Effekt limitiert dann den ersten, da eine Blutdrucksenkung die GFR tendenziell vermindert und damit auch die Ausscheidung von Na+ und Wasser. Die Wirkung von ANP bei der Volumenregulation hängt von den Rahmenbedingungen ab: · Beim Gesunden ist ANP ein Hauptakteur der Na+-Elimination, und damit der Reduktion des Extrazellulärvolumens, bei Volumenbelastung. Das RAAS ist in diesem Fall nicht aktiv. · Sind jedoch beide Systeme gleichzeitig aktiviert, ist ANP kein ernstzunehmender Gegenspieler gegen das mächtige Renin-Angiotensin-Aldosteron-System. Patienten mit Herzinsuffizienz haben hohe ANP-Spiegel, retinieren Na+ jedoch gleichzeitig massiv.
Druck-Volumen-BeziehungenDas Blutvolumen und der durch das autonome Nervensystem aufrecht erhaltene
Tonus des Gefäßsystems sind gemeinsam wesentlich für die diastolische Füllung
des Herzens. Mit Hilfe eines Druck-Volumendiagramms des linken Ventrikels
während der Herzaktion lassen sich die Regulationsmechanismen besonders gut
veranschaulichen. Das Schlagvolumen wird bei Bedarf über zwei Mechanismen
erhöht: durch Erhöhung der Vorlast (erhöhter Füllungsdruck durch zum Herzen
zurückströmendes Blut: Frank-Starling-Mechanismus) und Erhöhung der
Kontraktilität. Eine erhöhte Vorlast quetscht in der Diastole mehr Volumen in
den Ventrikel hinein. Eine erhöhte Kontraktionskraft quetscht in der Systole
mehr Volumen aus dem Ventrikel in die Aorta hinaus. Das gesteigerte
Schlagvolumen wird multipliziert durch die höhere Schlagfrequenz unter
Sympathikuseinfluss, sodass insgesamt eine Vermehrfachung des
Herzminutenvolumens erreicht werden kann.
Die Erhöhung des Schlagvolumens bekommt man
nicht umsonst. Einerseits erhöht sich die Herzarbeit (entsprechend
der umschriebenen Fläche im Druck-Volumendiagramm eines Ventrikelarbeitszyklus).
Das erhöht auch den Sauerstoffverbrauch, doch die eigentliche Pumparbeit
verursacht nur einen kleinen Teil des Gesamt-Sauerstoffverbrauchs. Bestimmend für den
Sauerstoffverbrauch ist die Wandspannung des Ventrikels, die aufgebracht werden
muss. Diese ist proportional dem Druck und dem Radius der Herzkammer, aber
umgekehrt proportional der zweifachen Wanddicke (Laplace-Gesetz: T = p x r/ 2d.
T = Wandspannung, p = Druck, r = Ventrikelradius,
d = Wanddicke. Eigentlich ist die bestimmende Größe das
Spannungszeitintegral, da sich die Spannung über die Zeit ja dauernd ändert,
doch darüber sehen wir milde hinweg). Arterielle Hypertonie vergrößert den
Sauerstoffverbrauch, ohne dass dadurch mehr Blut gepumpt wird. Vermehrte diastolische Füllung vergrößert den Radius und damit den
Sauerstoffverbrauch.
5. CHRONISCHE HERZINSUFFIZIENZ
Es ist faszinierend, dass unser Herz in der Lage ist, mehr als 80 Jahre lang nonstop
die erforderliche Pumpleistung zu erbringen. Allerdings geht die
Regulationsbreite mit zunehmendem Alter zurück.
Beschleunigt wird dieser Rückgang, wenn das
Herz ständig gegen hohen Druck ankämpfen muss (Bluthochdruck) oder selbst
schlecht versorgt wird (Koronare Herzkrankheit). Ist der arterielle Druck
erhöht, sprechen wir von erhöhter Nachlast. Unter dieser Bedingung wird die
Aortenklappe gegen Ende der Systole früher durch den hohen Aortendruck
zugedrückt. Der Ventrikel kann weniger Volumen auswerfen, mit anderen Worten,
das Schlagvolumen geht unter gesteigerter Nachlast zurück. Dasselbe
Herzminutenvolumen kann damit nur durch eine höhere Herzfrequenz gefördert
werden.
Verschlechtert sich der funktionelle Zustand
des Herzens durch Alterung oder zusätzliche Erkrankungen wie Hypertonie oder
KHK, sind die normalen Regulationsmechanismen Sympathikusaktivierung und
Vorlaststeigerung über lange Zeit in der Lage, die meisten Probleme zu
kaschieren. Erst bei starken Belastungen, wie Sport oder Stiegen steigen, wird
die verminderte Leistungsfähigkeit als Dyspnoe bemerkbar.
Allerdings sind Sympathikusaktivierung und
Vorlaststeigerung nur zur kurzfristigen Bewältigung von Situationen
gesteigerten Bedarfs vorgesehen. Werden sie dauernd aktiviert, um die normalen
Anforderungen des Alltags zu bewältigen, werden sie zum Problem. Das chronische Arbeiten unter der Peitsche der
Kompensationsmechanismen Sympathikusaktivierung (mit Nachlaststeigerung) und
Vorlaststeigerung führt mit der Zeit zu strukturellen Veränderungen (remodelling), die sich wiederum negativ
auf die Herzfunktion auswirken. Häufige Folgen sind Hypertrophie und
Dilatation. Strukturelle Veränderungen mit Funktionsstörungen fallen unter den Überbegriff
Kardiomyopathie.
Systolische und diastolische DysfunktionDie Störung der Herzfunktion setzt sich zu unterschiedlichen Anteilen aus zwei
Komponenten zusammen: der systolischen und der diastolischen Dysfunktion. Bei
einer rein systolischen Dysfunktion fehlt dem Ventrikel die Kraft, einen
normalen Anteil seiner enddiastolischen Füllung auszuwerfen: die
Ejektionsfraktion sinkt unter 48% (normal: >55%). Der schlecht geleerte
Ventrikel arbeitet dauernd in einem hohen Füllungs- und Dehnungszustand. Die
Druck-Volumenschleife ist nach rechts entlang der Ruhedehungskurve verschoben.
Bei einer rein diastolischen Dysfunktion ist die Dehnbarkeit des Ventrikels
zurückgegangen: die diastolische Füllung kämpft mit erhöhtem Druck gegen eine
steife Ventrikelwand. Diastolische Dysfunktion ist besonders empfindlich auf
eine Tachykardie, da sich der Ventrikel in der kurzen Zeit zwischen zwei
Kontraktionen kaum füllen kann und das Schlagvolumen drastisch zurückgeht.
Beiden Dysfunktionstypen gemeinsam ist eine Erhöhung des enddiastolischen
Drucks und damit ein Stau sowie die Gefahr eines Ödems im vorgeschalteten Stromgebiet.
Die Dysfunktion geht mit einer Verlängerung des
Aktionspotentials und einer Verflachung der intrazellulären Ca2+-Ströme
einher. Im Zytoplasma kommt es systolisch zu einem verminderten Anstieg der Ca2+-Konzentration.
Dafür wird das Ca2+ in der Diastole zu langsam in das
sarkoplasmatische Retikulum zurückgepumpt, sodass die Relaxation behindert ist.
ProgredienzGraduell schleicht sich diese Verminderung der Regulationsbreite in mehr
Tätigkeiten des täglichen Lebens. Die Einteilung
der American Heart Association (AHA) unterscheidet 4 Stadien dieses "kardiovaskulären Kontinuums":
Rein nach klinischen Kriterien wird der Schweregrad einer Insuffizienz
nach der funktionellen Klassifikation der
NYHA (New York Heart Association) definiert. Therapieempfehlungen beziehen sich in der Regel auf diese
Stadieneinteilung:
Wird das Herz insuffizient, kann es eine adäquate Pumpleistung erst bei erhöhtem Füllungsdruck erbringen. Dieser Füllungsdruck wird durch das chronisch aktivierte Renin-Angiotensin-Aldosteronsystem hochgehalten, das zu einer Na+- und Wasserretention führt. Wird der benötigte Füllungsdruck zu hoch, führt der venöse Rückstau zu Problemen bei der Reabsorption von interstitiellem Wasser ins Blut: es entstehen Ödeme. Ist die Einschränkung der Pumpfunktion
linksherzbetont, vergrößert sich in der Lunge die Dicke des Flüssigkeitsfilms
zwischen Alveolen und Kapillaren. Durch die längere Diffusionsstrecke wird der
Gasaustausch behindert. Nur mehr ein Teil des Hämoglobins wird mit O2 beladen, was zur Dyspnoe unter Belastung beiträgt. In stärkerer Ausprägung
entsteht ein lebensgefährliches Lungenödem, bei dem Flüssigkeit auch in die
Lufträume gedrückt wird.
Ist die Einschränkung der Pumpfunktion
rechtsherzbetont, erfolgen Stauung und Wassereinlagerung im großen Kreislauf.
Leberstauung kann zu Schmerzen im rechten Oberbauch führen; auch
Stauungsgastritis kann Beschwerden verursachen. Durch den hydrostatischen Druck
macht sich Wassereinlagerung meist in den Beinen bemerkbar: abends drücken die
Schuhe, die Knöchelgegend ist leicht geschwollen. Liegt man nachts im Bett,
fällt die hydrostatische Komponente weg, das interstitielle Wasser wird
absorbiert und über die Niere ausgeschieden: Nykturie. In stärkerer Ausprägung
entstehen manifeste periphere Ödeme.
Die erhöhte Wandspannung führt auch zu einer Freisetzung
natriuretischer Peptide durch den Ventrikel (irreführend als BNP, brain oder B-type natriuretic peptide, und Nt-proBNP, N-terminales proBNP, bezeichnet).
In dieser Situation sind diese nicht in Lage, das Volumen wirksam zu
reduzieren, doch stellen sie einen auch prognostisch wertvollen Messwert dar,
der Aufschluss über den Schweregrad der Herzinsuffizienz gibt.
Die im Prinzip gut gemeinten
Kompensationsmechanismen Volumenauffüllung und Sympathikotonus können also zum
Teil des Problems werden. Hier setzt die Therapie an, die versucht, diese
Mechanismen sanft zu bremsen.
Pharmakologische Querverstrebung: Ansatzpunkte der TherapieAngiotensin II ist ein zentrales Element der Kompensationsmechanismen. Es führt
sowohl zur Salz- und Wasserretention als auch zur Blutdrucksteigerung durch
direkte und indirekte Effekte. Überdies fördert es den pathologischen Umbau des
Myokards. Um es in seiner Wirkung zu limitieren, gibt es zwei praktische
Möglichkeiten: seine Entstehung durch ACE-Hemmer zu bremsen, oder seine Wirkung
durch AT1-Rezeptorblocker zu antagonisieren.
ACE-Hemmer (z. B. Captopril, Enalapril, Lisinopril)
wirken damit sowohl als Vorlast- als auch als Nachlastsenker. Durch die Senkung
des enddiastolischen Volumens kann das Herz bei einer geringeren Wandspannung
arbeiten. Durch die Senkung der Nachlast kann der linke Ventrikel trotzdem das
Schlagvolumen beibehalten oder sogar vergrößern. Eine unangenehme Nebenwirkung
von ACE-Hemmern rührt daher, dass das in der Lunge exprimierte ACE auch Kinine,
speziell Bradykinin, abbaut. Bradykinin kontrahiert nicht-vaskuläre glatte
Muskulatur. Wird ACE gehemmt, führt die vermehrte Bradykininwirkung bei vielen
Patienten zu spastischen Hustenanfällen.
AT1-Rezeptorantagonisten (z. B. Losartan, Valsartan) haben sehr
ähnliche Effekte, vermeiden aber das Hustenproblem, da sie keinen Effekt auf
Bradykinin haben.
Auf die Anwendung von β-Blockern zur Therapie der Herzinsuffizienz gelangte man über
Umwege. Die logische Überlegung war zunächst, positiv inotrop wirksame
β-Sympathomimetika zu verwenden, um die Kontraktionskraft des Herzens und
damit das Schlagvolumen weiter zu steigern. In der praktischen Erprobung fand
sich jedoch, dass unter dieser Therapie mehr Patienten starben. Dagegen hatten
β-Blocker einen unerwarteten therapeutischen Effekt. Während eine
Stimulation der Herzaktion durch Sympathikusaktivierung über β-Rezeptoren
ein unentbehrlicher Anpassungsmechanismus ist, hat eine Daueraktivierung von
β-Rezeptoren negative Effekte: sie fördert unerwünschtes Remodelling.
Unter Daueraktivierung gehen mehr Myokardzellen in Apoptose; der Ventrikel
dehnt sich aus bei verminderter Auswurffraktion.
Betablocker (z. B. Metoprolol) führen am
grenzkompensierten Herzen bei längerer Anwendung zu einer Verkleinerung des
Ventrikels bei verbesserter Auswurffraktion. Sie haben anfangs der Therapie den
Nachteil, die Kontraktionskraft des Herzens zu mindern, und müssen daher mit
sehr niedriger Dosis eingeschlichen werden. Trotzdem findet man bereits
frühzeitig eine verringerte Inzidenz des plötzlichen Herztods, wahrscheinlich
durch Senkung des Auftretens von Kammerarrythmien.
[Trotzdem wird die β-sympathomimetisch
wirkende Substanz Dobutamin auch noch eingesetzt, aber lediglich bei akut
dekompensierter low output-Herzinsuffizienz
mittels Perfusor über kurze Zeiträume.]
Aldosteronantagonisten (z. B. Spironolacton) können bei
fortgeschrittener Herzinsuffizienz (NYHA III und IV) in Kombination mit den
vorher Erwähnten den Schutz vor der Daueraktivierung des
Renin-Angiotensin-Aldosteronsystems komplettieren, da auch unter ACE-Hemmern
meist noch erhöhte Aldosteronspiegel bestehen.
ANP-Abbauhemmer: Der Flüssigkeitsretention kann zusätzlich durch Verstärkung der ANP-Wirkung entgegengetreten werden. ANP hemmt auch das remodelling des Myokards, sodass man zwei positive Wirkungen erhält. Direkte Anwendung von ANP hat sich nicht bewährt, positive Effekte beobachtet man jedoch bei Hemmung des ANP-Abbaus. ANP wird, zusammen mit vielen anderen Peptiden, durch eine neutrale Peptidase, Neprilysin, abgebaut (Achtung: die in Studien beobachteten positiven Effekte könnten also auch auf die Abbauhemmung anderer Peptide zurückzuführen sein). Als Medikament wird eine Kombination eines Neprilysin-Hemmers, Sacubitril, mit dem AT1-Rezeptorantagonisten Valsartan eingesetzt. Einen positiven Effekt bei chronischer
Herzinsuffizienz zeigten unerwarteterweise auch SGLT2 (sodium glucose transporter‑2) -Hemmer wie Dapagliflozin. SGLT‑2-Hemmer
wurden für Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 entwickelt, um vermehrt
Glucose über die Niere auszuscheiden. Die positive Wirkung bei Herzinsuffizienz
findet sich jedoch ebenso bei Patienten ohne Diabetes mellitus. Ob der
Wirkungsmechanismus nur auf die Tendenz zur Reduktion des Kreislaufvolumens
durch osmotische Diurese zurückzuführen ist, bleibt noch unsicher.
Die bisher erwähnten Medikamentenfamilien
ergaben in Studien eine Senkung der Mortalität. Für die folgenden
Therapieansätze konnte das nicht gezeigt werden, doch lindern diese die Symptome
der Herzinsuffizienz.
Diuretika sind notwendig, um der
Flüssigkeitsretention entgegenzuwirken und bei akuter Dekompensation die
Vorlast zu senken. Dazu werden Schleifendiuretika (z. B. Furosemid) und
Thiazide eingesetzt.
Herzglykoside (Digoxin, Digitoxin) werden wegen ihrer geringen
therapeutischen Breite zurückhaltend eingesetzt. Sie wirken positiv inotrop und
verstärken die Filterfunktion des AV-Knotens, sodass sie bei symptomatischer
Herzinsuffizienz mit Vorhofflimmern sinnvoll sind.
6. STÖRUNGEN DER ERREGUNGSAUSBREITUNG
Normale Herzmuskelzellen haben ein statisches Ruhepotential. Ein Aktionspotential wird in ihnen ausschließlich dadurch ausgelöst, dass depolarisierende Ionenströme aus Nachbarzellen über gap junctions hereinkommen. Ihr Aktionspotential ist durch Na+-, Ca2+- und K+‑Ionenströme charakterisiert: INa, ICa und IK. Ein Membranpotential-Aktionszyklus umfasst die folgenden fünf Schritte:
In Sinusknoten, AV-Knoten und Purkinje-Fasern verläuft dieser Zyklus deutlich abgeändert. Schrittmacherzellen weisen kein statisches Ruhepotential auf. Im Sinus- und AV-Knoten bleiben die spannungsabhängigen Na+-Kanäle weitgehend unansprechbar, da das benötigte regenerative Membranpotential von ‑80 mV gar nie erreicht wird. Dafür exprimieren diese Zellen HCN-Kanäle (Hyperpolarization-activated Cyclic Nucleotide-gated), nichtselektive Kationenkanäle, die angesichts der extra- und intrazellulären Ionenverhältnisse bei negativem Potential wieder hauptsächlich Na+-Ströme leiten. Die HCN-Kanäle haben die "komische" Eigenschaft, dass sie bei positivem Potential nicht leiten, jedoch durch die Hyperpolarisation am Ende von Phase 3 aktiviert werden; zusätzlich leiten sie umso besser, je mehr cAMP vorhanden ist. Bei Erreichen des maximalen (negativsten) diastolischen Potentials öffnen diese Kanäle also langsam und erzeugen einen schwachen, depolarisierend wirkenden Na+-Strom in die Zelle. Dieser Strom wird als Schrittmacherstrom oder funny current, If, bezeichnet. Er setzt mit dem Ende des vorigen Aktionspotentials ein, treibt das Membranpotential langsam, aber unaufhaltsam zurück gegen die Auslösungsschwelle und leitet damit das nächste Aktionspotential ein. In Abhängigkeit von der intrazellulären cAMP-Konzentration geschieht das schneller oder langsamer. Der funny current ist damit die Basis der autonomen Schrittmacherfunktion des Herzens. Setzen wir diese Elemente zusammen, gelangen wir zum folgenden, modifizierten Aktionszyklus der Schrittmacher-Myozyten:
Umsetzen von Erregung in Kontraktion
Einfluss des autonomen Nervensystems
Vagale Stimulation führt über alle drei Ionenströme des Sinus- und AV-Knotens zu einem negativ chronotropen Effekt. Acetylcholin aktiviert Gi-gekoppelte muskarinische M2-Rezeptoren mit dem Resultat einer Absenkung von cAMP.
Sympathische Aktivierung des β1-Receptors mit Aktivierung der Adenylatcyclase über Gs und Anhebung von cAMP steigert die Herzfrequenz dagegen über zwei Mechanismen:
ICa wird in allen kardialen Myozyten gefördert; in der Vorhof- und Kammermuskulatur trägt diese Wirkung zum positiven inotropen und bathmotropen Effekt bei. Zusätzlich verstärken Catecholamine die Sensitivität der Ca2+ release channels und verstärken die Aktivität der SERCA-Pumpe, sodass mit der Zeit die sarkoplasmatischen Ca2+-Speicher anwachsen. Alle diese Effekte gemeinsam wirken positiv inotrop, da sie dazu führen, dass eine größere Menge an Ca2+ für den Querbrückenzyklus zur Verfügung gestellt wird. Im AV-Knoten verkürzt der ICa-Anstieg auch die Überleitungszeit: ein positiv dromotroper Effekt. Schließlich hemmt das Protein Phospholamban nur im Herzmuskel, nicht jedoch im Skelettmuskel, die SERCA-Pumpe. Phosphorylierung von Phospholamban durch PKA beseitigt diese Hemmung. Sympathikusaktivierung beschleunigt damit die Muskelrelaxation: der positiv lusitrope Effekt. Pharmakologische Querverstrebung:
· Betablocker senken die Herzfrequenz, haben jedoch einen negativ inotropen Effekt, der oft unerwünscht ist. Nichtselektive β-blocker wie Propranolol hemmen β1- und β2-Adrenozeptoren in gleicher Weise. Das hat den Nachteil, dass die relaxierende β2-Wirkung auf glatte Muskulatur wegfällt, was z. B. zu einer Verengung der Bronchien führen kann. Bei Asthma oder COPD sind sie daher kontraindiziert. Selektive β1-Blocker wie Metoprolol oder Bisoprolol mildern dieses Problem, indem sie stärker auf β1 als auf β2-Rezeptoren wirken. · If -Blocker (Ivabradin) bremsen nur den funny current und wirken damit nicht negativ inotrop. Sie bieten sich also zur Reduktion der Herzfrequenz für Patienten mit stabiler Angina pectoris bei Sinusrhythmus an, die Betablocker nicht tolerieren. · β2-Sympathomimetika werden zur Behandlung von Asthma bronchiale und COPD verwendet. Auch ihre Selektivität ist begrenzt, sodass sie Tachykardie, Unruhe, Tremor und Schwitzen auslösen können. Zur Begrenzung ihrer systemischen Effekte werden sie meist nur lokal mittels Inhalator eingesetzt. Notfallsysteme für die SchrittmacherfunktionDie Herzfrequenz wird im Normalfall durch die Zellen des Sinusknotens bestimmt, die mit 60-100/ min die höchste spontane Oszillationsrate aufweisen, sodass die spontane Aktivität nachgeordneter Anteile des Reizleitungssystems nicht zur Geltung kommt. Fällt der Sinusknoten aus, übernimmt der AV-Knoten mit einer autonomen Frequenz von 40-50/min. Zellen des His-Purkinje-Systems unterhalb des AV-Knoten oszillieren lediglich mit Frequenzen zwischen 20 und 30 /min; unzureichend für eine verlässliche Herzaktion. Leitungsblöcke
1. ein AV-Block ersten Grades ist in der Regel benigne und asymptomatisch und besteht lediglich aus einer verzögerten Überleitung
2.
ein AV-Block zweiten Grades
bedeutet, dass manche, aber nicht alle Vorhofimpulse weitergeleitet werden.
Dabei gibt es zwei Varianten: 3. bei einem AV-Block dritten Grades erfolgt überhaupt keine Überleitung, sondern der AV-Knoten selbst wird mit einem langsamen Ersatzrhythmus Impulsgeber für die Kammer. Vorhof und Kammer agieren vollkommen getrennt, sodass ein permanenter künstlicher Schrittmacher notwendig wird. Re-entry-Phänomene
Pharmakologische Querverstrebung: Es gibt im Prinzip zwei Strategien, um Reentry entgegenzutreten: 1. Die Erregung kann nur dann kreisen, wenn sie beim Schließen des Kreises auf Gewebe trifft, das nicht mehr refraktär ist. Eine mögliche Gegenmaßnahme besteht also darin, das Gewebe länger refraktär zu halten. Das ist möglich, indem man die K+-Kanäle bremst (z. B. durch Amiodaron, Sotalol), sodass die Repolarisation verlangsamt wird und die Plateauphase des Aktionspotentials (Phase 2) länger anhält. 2. Die zweite Strategie besteht darin, die ohnehin schon gestörte Weiterleitung im unidirektionalen Block weiter zu behindern, sodass sie ganz zum Stillstand kommt. Das ist im Prinzip durch Na+ und Ca2+-Kanalblocker möglich. Betrachtet man diese gegenläufigen Strategien, wird verständlich, dass man hier bis zu einem gewissen Grad versucht, den Teufel mit Beelzebub auszutreiben. Antiarrhythmika lösen trotz ihres tröstlichen Namens ihrerseits häufig wieder Arrhythmien aus. Vorhofflimmern entwickelt sich meist auf der Basis eines dilatierten Vorhofs und tritt häufig bei alten Menschen auf. Viele der 350 bis 600 chaotischen Impulse pro Minute treffen im AV-Knoten auf refraktäre Zellen, sodass 100 bis 160 unrhythmische Kammeraktionen pro Minute die Folge sind. Das kurze Intervall zwischen den Schlägen lässt nur eine unzureichende Füllung des Ventrikels zu, sodass das Herzminutenvolumen stark abfällt und die Kammerfrequenz mit Digitalis, β-Blockern oder Ca2+ Kanalblockern gebremst werden muss. Stase, besonders ausgeprägt im linken Herzohr, prädisponiert für thromboembolische Komplikationen. Abgesehen von klassischen Schlaganfällen kann das zu vielen kleinen, unerkannten thromboembolischen Ereignissen führen, die mit der Zeit einen Rückgang der kognitiven Fähigkeiten zur Folge haben können. Vorhofflimmern ist daher eine Indikation für Antikoagulation. In mehr als 90% der Fälle hat die Erregung ihren Ursprung in der Mündung der Lungenvenen, sodass man diesen Bereich mittels Kathetherablation isolieren kann: Zwischen diesen Mündungsbereich und das Vorhofmyokard wird ein Isolationsstreifen gebrannt oder gefroren. Akzessorische Leitungsbündel
Long QT-Syndrom
Pharmakologische Querverstrebung: Viele Medikamente, darunter Antiarrhythmika wie Amiodaron oder Sotalol, trizyklische Antidepressiva oder Erythromycin sind in der Lage, das QT-Intervall zu verlängern. Viele dieser Moleküle binden an zwei aromatische Aminosäuren im Zentrum des KCNH2-codierten hERG-Kanals und behindern den darüber erfolgenden K+-Ausstrom. Auch Hypokalzämie steigert das Risiko für Komplikationen durch QT-Verlängerung.
Rhythmusstörungen durch Abweichung der Kalziumkonzentration
Hyperkalzämie vermindert dagegen die Öffnungswahrscheinlichkeit von Na+-Kanälen. Sie führt damit zu einer QT-Zeitverkürzung und begünstigt ebenfalls Arrhthmien. Mit zunehmenden Konzentrationen freien Ca2+ bewegt sich das Schwellenpotential weiter und weiter vom Ruhepotential weg, bis die Auslöseschwelle unerreichbar wird und keine Aktionspotentiale mehr zulässt: im Extremfall endet das im Herzstillstand. Im zentralen Nervensystem wirkt sich die Hemmung der Membranerregbarkeit als Erschöpfungszustand, Somnolenz, Stupor und Koma aus; bei den Skelettmuskeln als Schwäche mit trägen Reflexen.
7. ARTERIELLE HYPERTONIE
Wodurch wird unser Blutdruck bestimmt? Beginnen
wir mit einem Umweg über die Elektrizitätslehre. Erinnern wir uns an das
Ohm'sche Gesetz: Spannung=Strom x Widerstand (U=I x R). Diese Gesetzmäßigkeit
für elektrischen Strom lässt sich auch auf Flüssigkeitsströme anwenden.
Modifiziert auf unsere Hämodynamik ergibt sich: Blutdruck= Herzzeitvolumen x
peripherer Widerstand. Faktoren, die das Herzzeitvolumen oder den peripheren
Widerstand steigern, steigern auch den Blutdruck.
Nun, solche Faktoren haben wir uns eingangs
bereits überlegt. Sympathikusaktivierung steigert sowohl das Herzzeitvolumen
als auch den peripheren Widerstand. Wenn wir erschrecken oder unter Stress
stehen, steigt auf diese Art unser Blutdruck. Ein zweiter Faktor ist die
Regelung des Blutvolumens, für das unter anderem das Renin-Angiotensin-Aldosteronsystem
wichtig ist. Wir haben gesehen, dass eine Steigerung des Blutvolumens über eine
verstärkte Füllung der Ventrikel zu einer Steigerung des Herzzeitvolumens
führt.
Arterielle Hypertonie ist sehr häufig. Nur in
einem kleinen Teil der PatientInnen stellt die Blutdruckerhöhung die logische
Folge einer Störung in einem anderen System dar. In mehr als 90% der Menschen
mit erhöhten Blutdruckwerten findet man keinen spezifischen Auslöser; wir
sprechen von primärer oder essentieller Hypertonie.
Wiederum verstehen wir nur sehr unzureichend,
wie primäre Hypertonie ausgelöst wird, doch tragen zahlreiche genetische
Faktoren dazu bei sowie einige Umweltfaktoren, die mit unserem Lebensstil
zusammenhängen.
Genetische Faktoren
Analysiert man die polymorphen Allele, die zu
Hyper- oder Hypotonie beitragen, fällt auf, dass viele von ihnen mit der
Behandlung von Na+ durch den Organismus zu tun haben. Zwei Typen von
Allelen wurden identifiziert:
1. Allele, die einen sehr starken Effekt auf
den Blutdruck haben und als monogenetische Krankheitsauslöser in Familien
weitergegeben werden. Zwei Beispiele:
2. Allele, die lediglich einen kleinen verändernden Effekt auf den Blutdruck haben, und in GWAS (genome-wide association studies) identifiziert wurden. Bei der Mehrheit dieser Loci verstehen wir den Mechanismus der Blutdruckbeeinflussung noch nicht, doch finden wir auch hier einen beträchtlichen Anteil, die mit Na+ zu tun haben. Drei Beispiele:
Warum hat die Behandlung von Na+ durch unseren Organismus so ausgeprägte Effekte auf unseren Blutdruck? In
unserem Extrazellulärvolumen, das etwa 40% unseres Gesamtkörperwassers
ausmacht, tragen wir sehr viel Na+ mit uns herum. Das Leben stammt
ursprünglich aus dem Meer, und mit unserem Extrazellulärvolumen tragen wir
unser verdünntes (von 3.5% auf 0.9% Salzgehalt bzw. von etwa 480 mmol/L auf 140
mmol/L Na+) "inneres Meer" mit uns herum, mit dem wir
sorgsam umgehen müssen. Das war umso wichtiger, als Na+ in der
menschlichen Ernährung bis vor wenigen Tausend Jahren sehr rar war. Unser
Organismus ist also darauf ausgelegt, Salz zu sparen. Über Millionen
Jahre hatte der menschliche Organismus also folgendes Problem: Unser
"inneres Meer" besteht hauptsächlich aus Wasser und Salz, wobei wir
den Wasserteil leicht auffüllen konnten, den Salzteil aber nicht. Der
Körper musste wasserlösliche Substanzen ausscheiden (z. B.
Harnstoff), das Salz aber zurückbehalten.
Dieses Problem löst unsere Niere. Am Tag
filtrieren wir etwa 180 Liter "inneres Meer", die (180x140 mmol)
25 Mol Salz enthalten. Das sind etwa 1,5 kg Salz, wobei wir mit der Nahrung nur
einige Gramm pro Tag zuführen können! Wir müssen also 99,5% des filtrierten
Salzes zurückgewinnen. Das geschieht folgendermaßen: 67% des filtrierten Na+ wird im proximalen Tubulus rückresorbiert, im Wesentlichen im Austausch gegen H+.
Fünfundzwanzig Prozent wird im dicken aufsteigenden Teil der Henle-Schleife
durch Na‑K‑2Cl‑Kotransport rückresorbiert. Im distalen
Konvolut werden weitere 5% durch Na‑Cl‑Kotransport aufgenommen. Die
eigentliche Regulation der Na+-Ausscheidung erfolgt über die letzten
0‑3% im Sammelrohr via den epithelialen Na+-Kanal (EnaC) unter
Kontrolle des Renin-Angiotensin-Aldosteronsystems.
Zusammenfassend können wir festhalten, dass
viele polymorphe Gene einen Einfluss auf die Na+-Retention und damit
auf das Extrazellulärvolumen und den Blutdruck haben. In der genetischen
Lotterie hat jede(r) von uns eine Kombination dieser Allele gezogen. Fallen
mehrere die Na+-Sparfunktion begünstigende Allele zusammen, bedeutet
das in Summe eine genetische Prädisposition für einen erhöhten Blutdruck. Ob
und wie stark sich diese Prädisposition manifestiert, hängt in der Folge auch
von unserem Lebensstil ab.
Umweltfaktoren/LebensstilSalzkonsumDurch seine evolutionäre Entwicklung in den
Steppen Afrikas ist der Mensch auf eine salzarme Umwelt optimiert. Wasser
musste verfügbar sein, um menschliche Besiedlung zu ermöglichen. Um in der
Wärme Afrikas das Extrazellulärvolumen aufrecht zu erhalten war es zusätzlich
nötig, den Salzgehalt des Körpers sehr effizient zu konservieren. Während wir
mit dem Renin-Angiotensin-Aldosteronsystem einen sehr effizienten Mechanismus
haben, Salz zurückzuhalten, sind unsere Mechanismen zur Salzausscheidung weniger
effizient, weil die Situation reichlicher Verfügbarkeit von Salz in der
Evolution des modernen Homo sapiens kaum jemals vorkam.
Wir sind daher mit einem starken
"Salzhunger" ausgestattet. Das zeigt sich auch daran, dass Salz in
der Geschichte als wertvolles Gut gehandelt wurde. Salarium, der Ursprung der Englischen Bezeichnung für Lohn, salary, war im klassischen Rom eine
Zahlung an Soldaten, manchmal angeblich direkt in Form von Salz oder als Geld,
um Salz zu kaufen. Mit Salz konnte ordentlich
Geld verdient werden. Staaten und Potentaten nützten das aus, um mit
Salzmonopolen Steuern einzutreiben.
Die Blutdruckreaktion auf Salzzufuhr fällt
individuell unterschiedlich aus und steht in Zusammenhang mit der Verbreitung
von Salzsparallelen in der jeweiligen Population. Zur Salzsensitivität tragen
z. B. allelische Varianten von ACE und Angiotensinogen bei. In Europa sind
knapp die Hälfte der Hypertoniker salzsensitiv, über die Menschheit gemittelt etwa 60%..
ÜbergewichtÜbergewicht fördert die Entstehung von
arterieller Hypertonie, obwohl die Mechanismen noch nicht ausreichend klar
sind. Übergewicht erhöht sowohl den Sympathikotonus, als auch die Aktivität des
Renin-Angiotensin-Aldosteronsystems. In einem Tiermodell, in dem Hunde mit
einer fettreichen Diät zu Übergewicht gefüttert werden, entwickeln diese
Na-Retention und Bluthochdruck. Renale Denervierung verhindert beides, sodass
man schließen kann, dass die Erhöhung des Sympathikotonus der entscheidende
initiale Faktor ist, der über eine β‑Adrenozeptor-vermittelte
Verstärkung der Reninausschüttung das Angiotensin-Aldosteronsystem aktiviert,
das wieder entscheidend für die Blutdruckerhöhung ist.
Es wirkt jedenfalls nicht überraschend, dass es einen höheren
Sympathikotonus benötigt, um eine schweren Körper in Schwung zu halten, als
einen grazilen.
Stress und mangelnde BewegungDas Stressniveau unserer Gesellschaft steigert
über einen höheren mittleren Sympathikotonus ebenfalls den Blutdruck.
Regelmäßiges körperliches Training senkt dagegen den Sympathikotonus in Ruhe.
AlkoholüberkonsumRegelmäßiger Alkoholkonsum über einer gewissen
Schwellenmenge steigert den mittleren arteriellen Blutdruck, obwohl Alkohol
zunächst gefäßerweiternd wirkt. Diese Schwelle liegt bei Frauen bei etwa 20g
reinen Alkohols pro Tag, bei Männern um die 30g (ein großes Bier enthält 20g
Ethanol, ein Viertel Wein 24g). Auch hier steht wahrscheinlich eine Steigerung
des Sympathikotonus am Anfang der Kausalkette.
Schätzung für die erzielbare Reduktion des systolischen Blutdrucks durch Änderungen des Lebensstils:
Pharmakologische Querverstrebung: Ansatzpunkte der TherapieDurch die pathophysiologische Rolle der Na+-Retention für die Entwicklung der arteriellen Hypertonie ist diese ein offensichtlicher Ansatzpunkt für die medikamentöse Therapie. Eine Hemmung der Na+‑Retention kann durch manche Diuretika sowie durch Hemmung des Renin-Angiotensin-Aldosteronsystems erreicht werden.
Die Folgen der Sympathikusaktivierung auf den Blutdruck werden durch folgende Medikamentengruppen gemildert:
Spricht ein hoher Blutdruck unzureichend auf diese Medikamente an, kann das daran liegen, dass andere Medikamente interferieren. Das gilt z. B. für NSAIDs, β-Sympathomimetika und Glucocorticoide. 8. ARTERIOSKLEROSE
Der Begriff Arteriosklerose umfasst drei morphologisch definierte pathologische Veränderungen:
Obwohl diese Veränderungen praktisch jeden
Menschen betreffen und ihre Folgen die häufigste Todesursache darstellen,
verstehen wir ihre Auslöser nur unzulänglich. Klar ist, dass das Auftreten von
Arteriosklerose wesentlich von unserem Lebensstil beeinflusst wird und dass
sich die Arterienwandläsionen in
charakteristischen Stadien entwickeln.
Bei "Arteriosklerose" denken wir
automatisch an ältere Leute. Das ist völlig falsch. Aus Untersuchungen wie der
PDAY-Study (Pathobiological Determinants of Atherosclerosis in Youth) wissen
wir, dass Intimaläsionen bereits in der Kindheit beginnen. Eine
Intima-schonende Lebensweise kann also nicht früh genug beginnen.
Risikofaktoren
Durch Lebensstil beeinflussbare Risikofaktoren:Hypercholesterinämie. Cholesterol und Cholesterolester im Blut sind
hauptsächlich auf die Lipoproteinpartikel LDL und HDL aufgeteilt. Je höher das
LDL-Cholesterol, desto höher das Atheroskleroserisiko: Einlagerung von
LDL-Cholesterol in die Arterienwand ist ein wichtiger Aspekt der Erkrankung.
Dagegen transportiert HDL Cholesterol aus der Peripherie ab zur Leber, ein
Mechanismus, den wir als reversen Cholesterintransport bezeichnen. Hohes HDL
ist damit Zeichen einer Stoffwechselsituation, die vor Atherosklerose schützt.
Der Spiegel an LDL-Cholesterol ist zum größeren Teil Resultat der genetischen Ausstattung eines Individuums, zum kleineren Teil Resultat des Lebensstils. Ein zentraler Aspekt ist dabei die Aufnahme von LDL-Partikeln aus dem Blut in die Zellen über den LDL-Rezeptor. Der Rezeptor kontaktiert dabei das ApoB100 des LDL-Partikels. Allelische Varianten von LDL-Rezeptor oder ApoB100, die diesen Prozess behindern, führen zu familiärer Hypercholesterinämie. Selten lässt sich familiäre Hypercholesterinämie auf ein drittes Gen zurückführen, das PCSK9 kodiert (falls Sie darauf bestehen, zu erfahren, wofür die Abkürzung steht: Proprotein Convertase Subtilisin/Kexin Typ 9). PCSK9 ist eine Protease, die wohl dazu dient, im endoplasmatischen Retikulum Proteine durch Abschneiden von Prosegmenten fertigzustellen. Sie wird dann mit den von ihr behandelten Proteinen in Vesikeln zur Zellmembran transportiert und sezerniert. Erstaunlicherweise hat sezerniertes PCSK9 eine völlig unabhängige zweite Funktion: es bindet an den LDL-Rezeptor und führt zu dessen Internalisierung und Abbau, während dieser normalerweise nach der Aufnahme von LDL-Partikeln immer wieder an die Membran recycelt wird. Ist weniger LDL-Rezeptor auf den Abnehmerzellen, vor allem wieder in der Leber, vorhanden, kann weniger LDL aus dem Blut entfernt werden. Je höher daher aufgrund allelischer Varianten die PCSK9-Aktivität, desto stärker der LDL-Rezeptor-Abbau und desto höher das LDL-Cholesterol. Cholesterolreiche Nahrung (Eier, Butter, rotes Fleisch; Pflanzen enthalten kein Cholesterol) erhöht den LDL-Cholesterolspiegel, ebenso Nahrung, die reich an trans-ungesättigten Fettsäuren ist. Allerdings kann eine Umstellung von cholesterolreicher zu cholesterolarmer Ernährung das LDL-Cholesterol nur um maximal 10% senken, was in der Regel bei weitem nicht ausreicht. Eine schützende, durch HDL-Erhöhung gekennzeichnete Stoffwechsellage wird durch aerobes körperliches Training und moderaten Rotweinkonsum gefördert, durch Rauchen und Übergewicht jedoch behindert. Pharmakologische
Querverstrebung:
·
Statine (HMG-CoA-Reduktasehemmer): Statine wie Simvastatin, Atorvastatin oder Rosuvastatin hemmen das
geschwindigkeitsbestimmende Enzym der Cholesterolsynthese, HMG-CoA-Reduktase
(Hydroxy-Methyl-Glutaryl-CoA-Reduktase) und senken damit den
LDL-Cholesterolspiegel. Darüber hinaus haben Statine atherosklerosehemmende
Wirkung über im Detail noch nicht genügend verstandene weitere Mechanismen. In
der JUPITER-Studie wurden Probanden mit normalem LDL-Cholesterol (<130
mg/dL), aber erhöhtem hs‑CRP (high
sensitivity C reactive protein >2 mg/L) prospektiv doppelblind mit 20 mg
Rosuvastatin versus Placebo behandelt. Die Behandlung senkte LDL-Cholesterol
auf die Hälfte, hs-CRP um 37%. Die Studie wurde vorzeitig abgebrochen, da die
kardiovaskulären Ereignisse im Verum-Arm klar abgesenkt wurden. Welcher Anteil
dieses überzeugenden Effekts durch die weitere LDL-Cholesterolsenkung erreicht
wurde und welcher Anteil durch den "entzündungshemmenden" Effekt von
Rosuvastatin, kann nicht sicher differenziert werden. Es ist aber
wahrscheinlich, dass beide Effekte beitragen.
· PCSK9-Hemmer: Monoklonale Antikörper wie Evolocumab und Alirocumab binden und neutralisieren PCSK9 und wirken so senkend auf das LDL-Cholesterol. Sie sind außerordentlich teuer und müssen natürlich injiziert werden. Sie kommen in Frage, wenn Statine nicht vertragen werden oder den Cholesterolspiegel noch nicht hinreichend senken. Statine haben die Tendenz, die PCSK9-Aktivität zu steigern und so ihre eigene Wirkung zu limitieren; in diesem Fall bringt die Kombination eine weitere Senkung. Bluthochdruck, wie im vorigen Abschnitt besprochen. Arterielle Hypertonie erhöht den mechanischen
Stress, dem die Endothelzellen ausgesetzt sind.
Rauchen. Ein Päckchen Zigaretten pro Tag verdoppelt die
Mortalität durch koronare Herzerkrankung. Bei einer Untersuchung an 18-jährigen österreichischen
Rekruten zeigte sich, dass die Carotis-Intima bereits in diesem jungen Alter
bei Rauchern im Ultraschall nachweisbar verdickt war (ARMY-Studie).
Diabetes und Metabolisches Syndrom wirken einerseits über die Erhöhung des LDL-Cholesterols, andererseits über nicht-enzymatische Glykierung von Proteinen in der Arterienwand und über die Freisetzung von proinflammatorischen Signalmolekülen aus dem Fettgewebe. Rechtzeitige Gewichtsnormalisierung reduziert das Risiko für Arteriosklerose wesentlich. Nierenschädigung, gemessen an glomerulärer Filtrationsrate und
Albuminurie. Nierenschädigung ist selbst häufig eine Folge von Bluthochdruck,
Diabetes, metabolischem Syndrom, doch fördert sie ihrerseits das Fortschreiten
von Atherosklerose. Der Mechanismus ist noch unklar.
TMAO (Trimethylamin-N-Oxid)-Spiegel korrelieren mit dem Ausmaß atherosklerotischer Plaques und dem Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall. TMAO entsteht durch ein Zusammenspiel von Ernährung, Darmmikrobiota und Leber. Carnitin und Cholin-enthaltende Phospholipide, die reichlich in rotem Fleisch enthalten sind, werden durch bestimmte Darmbakterienarten zu Trimethylamin (TMA, drei Methylgruppen an einem Stickstoff) verstoffwechselt. TMA wird aufgenommen und in der Leber durch Flavin-Monooxygenasen zu TMAO oxidiert. TMAO aktiviert Endothelzellen, fördert das Entstehen von Schaumzellen durch Scavenger-Rezeptor-Expression, hemmt den reversen Cholesterintransport und erleichtert die Thrombozytenaggregation. Bisherige Daten legen nahe, dass eine rein pflanzliche Ernährung die Menge TMA-produzierender Mikroben im Darm reduziert. Unbeeinflussbare Risikofaktoren:Manche Risikofaktoren sind unbeeinflussbar. Je älter wir werden, umso mehr Läsionen
zeigen unsere Arterien. Möglicherweise spielt dabei eine Rolle, dass im Alter
zunehmend somatisch mutierte hämatopoetische Klone auftreten. Menschen mit CHIP (clonal hematopoiesis of indeterminate potential) haben ein erhöhtes
Risiko für Atherosklerose. Der Mechanismus ist unklar; es gibt Hinweise, dass
Makrophagen aus diesen Klonen Zytokine verstärkt freisetzen und damit die
Entzündungsneigung in der Arterienwand verstärken. Männer entwickeln früher Arteriosklerose als Frauen. Familiengeschichten dokumentieren die Weitergabe atherosklerosefördernder
Allele vieler polymorpher Genloci. Musterbeispiel sind die verschiedenen Typen der familiären Hypercholesterinämie.
Lipoprotein
(a), kurz Lp(a). Lp(a) ähnelt dem LDL-Partikel, enthält aber neben ApoB100
auch noch Apolipoprotein (a). Seine Konzentration variiert um mehr als den
Faktor tausend von Individuum zu Individuum und ist im Wesentlichen genetisch determiniert.
Individuen mit hohen Lp(a)-Konzentrationen tragen ein stark erhöhtes Atheroskleroserisiko.
Einerseits verhält sich Lp(a) wie LDL und akkumuliert in der Arterienwand,
andererseits ähnelt Apo(a) Plasminogen und verdrängt dieses von seinen
Bindungsstellen. Da Plasminogen antithrombotisch wirkt, wirkt Apo(a)
Thrombus-fördernd.
Hyperhomozysteinämie. Hohe Homocysteinserumspiegel zeigen eine starke Korrelation mit Atherosklerose und sind meist genetisch bedingt. Doch spielen auch Ernährungsfaktoren eine Rolle: Aus Homocystein wird mit Hilfe von Folat und Vitamin B12 Methionin synthetisiert; ernährungsbedingter Mangel eines dieser beiden Faktoren führt damit zu einer milden Erhöhung von Homocystein.
Pathogenese:
Endothelirritation (endothelial injury oder dysfunction)
Besonders schwer zu untersuchen und damit
besonders unklar und umstritten ist der allererste Schritt in der Entstehung
einer arteriosklerotischen Läsion. Konsens besteht darüber, dass am Anfang eine
Aktivierung/Schädigung des Endothels steht, das darauf mit einer Reihe von
Funktionsumstellungen, darunter einer Permeabilitätssteigerung, reagiert (response to injury-Hypothese). Welches
der folgenden Elemente das Endothel am relevantesten aktiviert/schädigt,
darüber streiten sich die Geister:
Wichtig ist, dass diese Mechanismen einander keinesfalls ausschließen. Es erscheint naheliegend, dass sie in jedem Individuum in unterschiedlichem Ausmaß zur initialen Schädigung beitragen. Akkumulation von Lipoproteinen in der IntimaDurch die Störung der endothelialen Abdichtung
gelangen Lipoproteine aus dem Plasma in die arterielle Intima. LDL neigt dazu,
Cholesterol in der Intima abzulagern; HDL transportiert Cholesterol wieder ab.
Die LDL/HDL-Ratio bestimmt daher über die Menge abgelagerten Cholesterols. Lipide
in LDL werden, z. B. durch reaktive Sauerstoffverbindungen (ROS) oder
entzündliche 12- und 15- Lipoxygenase, oxidiert. Das so entstehende minimal
oxidierte LDL (mo-LDL) verändert die Funktion der darüberliegenden
Endothelzellen weiter. Es hemmt die Produktion von NO; dadurch fällt dessen
relaxierende Wirkung auf die glatte Muskulatur und hemmende Wirkung auf die
Thrombozytenadhäsion weg. Die Endothelzellen sezernieren Chemokine und
exprimieren Zell-Zellkontaktmoleküle, sodass (weitere) Monozyten und T-Zellen
in die Intima einwandern.
Bildung von Schaumzellen und fatty streaksDurch verstärkte Bildung von ROS wird das
abgelagerte mo-LDL nun weiter oxidiert. Hoch oxidiertes LDL (HO-LDL) aggregiert
und wird von Makrophagen aufgenommen. Dabei werden Makrophagen aktviert, sodass
sie ihren Zytokincocktail mit IL‑1β und TNFα freisetzen. Die
Aufnahme von HO-LDL geschieht nicht über den normalen zellulären LDL-Rezeptor,
der bei Aufnahme von genügend LDL herunterreguliert wird, sondern über nicht abregelnde Scavenger-Rezeptoren. Die oxidierten
LDL sind auch schlechter abbaubar als normale LDL. Die Makrophagen stopfen sich
deshalb an, bis sie voller Fettbläschen sind: "Schaumzellen". Ein mit
lipidgefüllten Schaumzellen unterlegtes Endothelareal erscheint makroskopisch
als weißlicher Streifen, als fatty streak.
Anwachsen zur fibrösen PlaqueDie weitere Entwicklung hängt von den
Nettolipidflüssen in und aus der Intima ab. Im Prinzip produzieren Schaumzellen
Apolipoprotein E, das Lipide wieder aus der Intima Richtung Leber
abtransportieren kann. Ist die mittlere Konzentration an LDL oder Lp(a) jedoch
weiterhin erhöht, setzt sich die Lipidakkumulation in der Intima fort. Die
cholesterolreiche extrazelluläre Lipidmasse wächst durch LDL-Einstrom und
Apoptose von Schaumzellen. Makrophagen, Lymphozyten und Endothelzellen
sezernieren Signalmoleküle, die zur Einwanderung von glatten Muskelzellen
führen. Diese können aus der Media in die Intima proliferieren, aber auch aus einwandernden
Vorläuferzellen aus dem Blut differenzieren. Die proliferierenden glatten
Muskelzellen produzieren auch extrazelluläre Matrix. Auf diese Weise entsteht die
fibröse Plaque, eine dünne Membran aus Endothel und mit glatten Muskelzellen
durchsetztem Bindegewebe über einem Beet aus lipidreicher, nekrotischer Masse. Die
Plaque verliert die Elastizität der normalen Arterienwand, ein Prozess, der
durch Kalkeinlagerung noch verstärkt wird.
Instabile Plaques und ThrombusbildungDie Dicke der fibrösen Kappe ist das Resultat
der Dynamik von Synthese und Abbau extrazellulärer Matrix. Entscheidend für den
weiteren Verlauf ist, ob die durchgängige Endothelauskleidung der Arterie
aufrecht erhalten werden kann. Der pulsierende arterielle Druck zerrt an der
Grenze zwischen elastischer Gefäßwand und inelastischer Plaque. Plaques mit
dicker Kappe sind stabil. Plaques mit dünner Kappe sind vulnerabel: die dünne
Membran neigt dazu, im Schulterbereich der Plaque zu reißen. In diesem Fall
bildet sich sofort ein Thrombus ausgehend vom exponierten Gewebe, der eine
Koronararterie oder Arterie im ZNS rasch vollständig verschließen kann.
Wahrscheinlich wird die Instabilität von Plaques durch Entzündungsreaktionen gefördert. In eine Studie (CANTOS) von Patienten, die nach einem Herzinfarkt erhöhtes high-sensitivity CRP aufwiesen, verringerte der monoklonale anti-IL-1β-Antikörper Canakinumab die Häufigkeit weiterer kardiovaskulärer Probleme, wenn auch um den Preis vermehrter Infektionen. Aneurysmenbildung, RupturAusgeprägte Plaques schwächen auch die
darunterliegende Media. Dadurch kann es zur lokalen Ausweitung der Arterie in
Form eines Aneurysmas, zur Wandruptur mit Einblutung ins umliegende Gewebe oder
zur Dissektion kommen.
9. SCHOCK
Unter Schock versteht man eine akute Kreislaufinsuffizienz, die durch
Sauerstoff-Unterversorgung vitaler Organe lebensbedrohend ist. Trotz maximaler
Sympathikusaktivierung mit entsprechend gesteigerter Herzfrequenz kann der
Blutdruck nicht mehr im Normalbereich gehalten werden. Die Kombination dieser
beiden Parameter im Schockindex (Herzfrequenz dividiert durch systolischen
Blutdruck) ermöglicht eine grobe Orientierung: Werte >1 sind kritisch, bei
manifestem Schock besteht häufig ein Wert um 1,5 (z. B. Herzfrequenz 105/min
bei systolischem Blutdruck von 70 mm Quecksilber).
Über Kompensationsmechanismen versucht der Organismus
zunächst, den Schaden zu minimieren. Hält der Zustand der
Sauerstoffunterversorgung zu lange an, verstärken die Kompensationsmechanismen
allerdings die Probleme. Es kommt zu einem Circulus
vitiosus (Schockspirale).
Ein Schock kann
dadurch verursacht werden, dass
Kardiogener SchockEin kardiogener Schock kann durch jede Störung ausgelöst werden, die die
Pumpleistung des Herzens stark beeinträchtigt. Beispiele sind Myokardinfarkt,
Ischämie, Rhythmusstörungen, Azidose, Klappenfehlfunktion, Papillarmuskelruptur
oder Ventrikelseptumruptur.
Unser Organismus versucht zu überleben, indem
er Prioritäten setzt. Unmittelbar vitale Organe werden, so gut es geht,
versorgt. Das sind nur das ZNS und das Herz selbst. Alles andere wird temporär
abgeschaltet: Haut, Gastrointestinaltrakt, Skelettmuskulatur, Niere. Wir
bezeichnen das als Zentralisation.
Wie geschieht das? Die rascheste und wichtigste
Maßnahme ist eine Sympathikusaktivierung über die Barorezeptoren. In diesem
Fall erfolgt keine dosierte Aktivierung wie bei der chronischen
Herzinsuffizienz, sondern der Sympathikus gibt alles, was er hat. Am Herzen
selbst erfolgt die Steigerung von Frequenz und Kontraktilität über β1-Rezeptoren.
Die Arteriolen der peripheren Organe werden über α1-Rezeptoren
so weit wie möglich kontrahiert, so dass deren Blutversorgung weitgehend zum
Erliegen kommt. Herz und ZNS entkommen dieser Abschaltung durch Autoregulation.
Die venösen Kapazitätsgefäße werden über α1-Rezeptoren kontrahiert,
sodass der Rückfluss zum Herzen gesteigert wird.
Die Bronchien werden über β2-Rezeptoren
weit geöffnet; die Darmmuskulatur über denselben Mechanismus stillgelegt.
Über β3-Rezeptoren wird Energie
mobilisiert: über adipöse Triglyceridlipase und hormonsensitive Lipase wird die Lipolyse angekurbelt.
Die Sympathikusaktivierung hat auch
Schweißausbruch zur Folge. Typisch für einen Schock ist aschfahle, schweißnasse
Haut ("kalter Schweiß"), doch trifft das nicht für alle Schockformen zu.
Die stark reduzierte Blutversorgung der Niere
in Kombination mit sympathischer Stimulation des juxtaglomerulären Apparats
führt zu einer starken Reninfreisetzung und einer extremen Angiotensin
II-Aktivierung, das in diesen Konzentrationen vasokonstringierend wirkt.
Hält der Schockzustand zu lange an, entsteht in
den peripheren Organen eine Schädigung durch Minderperfusion. Sekundäre
Mikrozirkulationsstörungen entstehen durch die Stase. Blutkörperchen
agglutinieren, Blutplättchen aggregieren und aktivieren das Gerinnungssystem. Die
Hypoxie zwingt die Zellen zur Umstellung auf anaerobe Glykolyse mit der Folge
einer metabolischen Azidose. Endothelzellaktivierung durch Hypoxie und Azidose führt zur
Permeabilitätssteigerung (capillary
leakage) und zur Adhärenz und Aktivierung neutrophiler Granulozyten. Ihre
NADPH-Oxidase produziert reaktive Sauerstoffverbindungen (ROS, reactive oxygen species), die das
Endothel weiter schädigen. Da diese einer Entzündung entsprechenden Reaktionen in allen Organen
gleichzeitig ablaufen, spricht man von einem systemic inflammatory response syndrome (SIRS). Charakterisiert ist
dieses durch das Vorhandensein von mindestens zwei der folgenden Kriterien:
Körpertemperatur >38 oder <36°C, Leukozytenzahl >12000 oder <4000/µl,
Herzfrequenz über 90, Atemfrequenz über 20/min.
Kommt die Durchblutung, z. B. mittels perkutaner Koronarintervention, wieder in Gang, entsteht oft noch eine zusätzliche Schädigung (reperfusion injury). Vereinfacht ausgedrückt wären die Enzyme noch aktiv, doch war der Sauerstoff ausgegangen. Wird dieser wieder geliefert, führt das zu verstärkter ROS-Produktion. Endergebnis ist eine anhaltende mikrovaskuläre Obstruktion. Ab einem gewissen Punkt wird die Schädigung also irreversibel, auch wenn es noch gelingt, den Kreislauf wieder in Gang zu bringen. Der Schock endet in einem Multiorganversagen. Kardiogener Schock nach
Myokardinfarkt ist eine der häufigsten Todesursachen.
Hypovolämischer SchockVerluste von über 30% des Blutvolumens bei äußeren oder inneren Verletzungen
führen zum hypovolämischen Schock. Auch extreme Dehydratation (z. B. durch
Erbrechen, Diarrhoe, Diuretika oder osmotische Diurese bei Diabetes mellitus)
oder der Flüssigkeitsverlust nach massiven Verbrennungen können das Blutvolumen
so stark reduzieren.
Neben dem Vollbild des Schocks gibt es
schwächer ausgeprägt Vorstufen mit Blutdruckabfall und Sympathikusaktivierung.
Eine Spezialform ist das (Früh-) Dumping-Syndrom,
das nach operativen Eingriffen am Magen mit Wegfall der Pylorusfunktion
auftritt. Etwa 15 min nach Aufnahme einer kohlenhydratreichen Mahlzeit kommt es
zu Herzklopfen, Schweißausbruch, Übelkeit und Bauchkrämpfen. Ursache ist eine
massive Flüssigkeitsverschiebung aus dem Gefäßsystem in das Darmlumen durch die
osmotische Wirkung der Zuckermengen.
Die Kompensationsmechanismen beim
hypovolämischen Schock sind grundsätzlich dieselben wie beim kardiogenen
Schock: Zentralisation. Nach einem akuten Blutverlust kann als Besonderheit
relativ viel interstitielle Flüssigkeit in das Gefäßsystem rekrutiert werden.
Zunächst fällt der Druck in allen Teilen des Gefäßsystems ab. Bei verringertem
Kapillardruck entsteht eine Nettoresorption von Flüssigkeit und Elektrolyten
aus dem Interstitium, sodass ein Teil des Blutvolumens wieder aufgefüllt wird.
Dadurch fällt der kolloidosmotische Druck im Gefäßsystem, während er im Interstitium
steigt, bis ein neues Gleichgewicht erreicht ist. Preis dieses
Kompensationsmechanismus ist eine Blutverdünnung in Bezug auf Plasmaproteine
und zelluläre Komponenten. Das Proteindefizit wird durch die enorme
Albuminsynthesekapazität der Leber in wenigen Tagen gutgemacht; die
Nachproduktion der Blutzellen, besonders der Erythrozyten, dauert wesentlich
länger.
Therapeutisch sind die Aussichten gut, wenn es
gelingt, das Blutvolumen früh genug wieder aufzufüllen. Dies geschieht meist
durch sogenannte "kristalloide Infusionslösungen" oder
Vollelektrolytlösungen, welche die Ionenzusammensetzung des Plasmas so weit wie
möglich imitieren; sie enthalten keine onkotisch wirksamen Makromoleküle. In
den Hintergrund gedrängt wurden die kolloidalen Infusionslösungen wie
Hydroxyethylstärke. Diese lösen manchmal selbst anaphylaktische Reaktionen aus.
Außerdem ist Hydroxyethylstärke schlecht abbaubar, bleibt lange im Interstitium
liegen und löst dort oft massiven Juckreiz aus. Kolloidale Infusionslösungen
sind meist leicht hyperosmotisch oder hyperonkotisch eingestellt, sodass sie
als "Volumenexpander" die Verschiebung von Flüssigkeit aus dem
Interstitium in die Gefäße unterstützen. Falls nötig, kann man später, wenn
etwas mehr Zeit ist, mit Erythrozytenkonzentraten einen zu niedrigen Hämatokrit
wieder anheben.
Distributiver SchockBeim distributiven Schock verringert sich in erster Linie die Spannungseinstellung
der Blutgefäße. In Relation zum vorhandenen Blutvolumen ist zu viel
"Gefäßraum" vorhanden, sodass der Druck in den Keller fällt. Logischerweise
kommt es unter diesen Umständen zu keiner Zentralisation, die Haut des
Patienten ist warm. Nach Ursache unterscheiden wir den anaphylaktischen, den
septischen und den neurogenen Schock.
Anaphylaktischer SchockEin anaphylaktischer Schock ist die extreme Form einer immunologischen Typ
I-Überempfindlichkeitsreaktion. Er beruht auf einer generalisierten Freisetzung
von Histamin aus Mastzellen in weiten Teilen des Körpers. Das IgE- Mastzell- eosinophile
Granulozyten-System ist eigentlich dazu da, Parasiten (Einzeller und Würmer)
abzuwehren. IgE-bestückte Mastzellen sitzen daher im lockeren Bindegewebe unter
allen äußeren (Haut) und inneren (Schleimhäuten) Oberflächen, über die
Parasiten eindringen könnten. Leider produzieren wir IgE jedoch manchmal gegen
eigentlich harmlose "Bedrohungsattrappen" wie Bestandteile unserer
Nahrung oder Penicillin. Verteilen sich diese im Körper, kommt es überall
gleichzeitig zur Gefäßerweiterung, Permeabilitätssteigerung und Ödembildung. In
der Haut nennen wir das Urticaria, die Schwellungen im lockeren Bindegewebe im
Kopf-Halsbereich Quincke-Ödem (mit Gefahr des Erstickens durch
Epiglottis-Ödem), die Folgen der Schwellung der Bronchialschleimhaut einen
Asthma-Anfall. Analoges geschieht im Gastrointestinaltrakt mit Übelkeit,
Erbrechen und Bauchkrämpfen. Erweitern sich in all diesen Regionen die Gefäße
und verlieren wir zusätzlich Flüssigkeit ins Interstitium, reicht das
Blutvolumen nicht mehr aus, um den Druck aufrechtzuerhalten.
Therapeutisch ist es einerseits wichtig, durch
Infusion das Volumen dem gesteigerten Gefäßraum anzupassen. Zusätzlich muss der
Schädigungsmechanismus durchbrochen werden durch möglichst rasche Unterbrechung
der Antigenzufuhr und Gabe von Adrenalin (Vasokonstriktion über
α-Rezeptoren, Bronchienerweiterung über β2-Rezeptoren),
hochdosierten Glucocorticoiden und Histaminantagonisten.
Septischer SchockAuch beim septischen Schock finden wir generalisierte Gefäßweitstellung und
Permeabilitätsstörung. Erschwerend hinzu kommt eine Verbrauchskoagulopathie,
eine gleichzeitige Aktivierung des Gerinnungs- und des Fibrinolysesystems.
Ursache ist eine generalisierte Makrophagenaktivierung.
Erleiden wir eine infizierte Wunde, z. B. durch
eine kleine Verletzung an der Hand, ist das normalerweise kein Malheur. Unser
unspezifisches Abwehrsystem ist darauf ausgelegt, diese Infektion lokal zu
begrenzen. Monozyten und Makrophagen im Infektionsgebiet erkennen die
eindringenden Bakterien über Toll-like
receptors, phagozytieren sie und setzen gleichzeitig einen Cocktail von
Signalmolekülen frei, der TNFα, IL‑1β und einige andere
Zytokine enthält. Diese Signalmoleküle bewirken Gefäßerweiterung und Endothelaktivierung
mit Permeabilitätssteigerung. Leukozyten adhärieren am aktivierten Endothel,
und wandern ins Gewebe ein. Zusätzlich wird in den ableitenden Venolen das
Gerinnungssystem aktiviert, um zu verhindern, dass Bakterien über das Blut im
ganzen Körper verteilt werden. Dadurch wird das anströmende Plasma in das
Interstitium gepresst; unser Finger schwillt an und "klopft".
Bakterien, Makrophagen und interstitielle Flüssigkeit werden über die
Lymphbahnen in den lokalen Lymphknoten gedrückt, der diese herausfiltert und
dabei schmerzhaft anschwillt.
Dieser nützliche Mechanismus verkehrt sich in
etwas sehr Gefährliches, wenn es einmal nicht gelingt, die Infektion lokal zu
begrenzen. Gelingt es den Bakterien, aus dem begrenzten Entzündungsgebiet über
den Blutweg auszubrechen, laufen die besprochenen Mechanismen simultan im
ganzen Körper ab: Makrophagenaktivierung, Gefäßweitstellung, Endothelaktivierung
mit Permeabilitätssteigerung und Leukozytenadhärenz und Gerinnung. Ein großer
Teil des Blutvolumens versackt im Interstitium. Die gleichzeitige Aktivierung
des Gerinnungssystems im ganzen Körper nennen wir disseminierte intravasale
Koagulopathie (aus dem Englischen abgekürzt DIC). Bei diesem Vorgang wird
gleichzeitig das Fibrinolysesystem aktiviert, sodass nach Verbrauch der
Gerinnungsfaktoren und Plättchen (daher "Verbrauchskoagulopathie") zu
allen anderen Problemen noch eine generelle Blutungsneigung auftritt. Der
septische Schock endet daher in etwa der Hälfte der Fälle tödlich.
Die Therapie ist in diesem Fall besonders schwierig, da man gleichzeitig an vielen Fronten kämpft. Kontrollierte Volumenzufuhr, Infektionsbekämpfung und Stabilisierung des Gerinnungssystems stellen höchste Ansprüche an die Intensivmedizin. Pharmakologische
Querverstrebung: Bei Blutungen
im Rahmen einer Verbrauchskoagulopathie ist es nötig, das bereits verbrauchte
Fibrinogen wieder aufzustocken. Das hat allerdings keinen Sinn, solange die
Hyperfibrinolyse weiterläuft. Hyperfibrinolyse kann durch Rotationsthrombelastometrie
(ROTEM) mit Hilfe des Widerstandsverlaufs an einem drehenden Stempel in
Vollblut rasch gemessen werden. Die therapeutische Strategie ist also, zunächst
die Fibrinolyse durch Gabe von Tranexamsäure zu bremsen. Tranexamsäure ähnelt der Aminosäure Lysin und bindet an Plasmin
an mehreren Stellen, an die sonst die Lysine von Fibrin binden würden.
Anschließend wird gereinigtes Fibrinogen verabreicht, das ein geringeres Infektionsrisiko als gefrorenes Frischplasma
mit sich bringt.
Neurogener SchockUnser Gefäßsystem wird in seinem Spannungszustand ständig vom autonomen
Nervensystem gesteuert. Kommt es durch Traumen (Schädel-Hirn-Trauma, hoher
Querschnitt) zu einer Fehlfunktion dieses Systems, erschlafft das Gefäßsystem
mit der Folge eines Schocks. Die sympathischen Kompensationsmechanismen bleiben
beim neurogenen Schock definitionsgemäß aus: der Schock entsteht ja gerade durch ihren Ausfall. Obstruktiver SchockEine schwere Lungenembolie kann einen so hohen Anteil des Gefäßquerschnitts
verlegen, dass der linke Ventrikel nicht mehr ausreichend gefüllt wird, um
Druck aufzubauen. Auch Spannungspneumothorax und Herzbeuteltamponade werden in
diese Kategorie gereiht, da sie dieselbe Folge haben. Hämodynamische und Laborparameter
Mit entsprechenden Kathetern können weitere
informative Parameter bestimmt werden. Der zentrale Venendruck (ZVD) ist beim
hypovolämischen Schock erniedrigt, bei den meisten anderen Schockformen eher
erhöht, beim obstruktiven Schock stark erhöht. Der pulmonalkapilläre
Verschlussdruck (pulmonary capillary
wedge pressure, PCWP) ist beim kardiogenen Schock durch den Rückstau
erhöht, bei den meisten anderen Schockformen durch den relativen Volumenmangel eher
erniedrigt.
Lactatbestimmungen helfen, das Ausmaß des
Sauerstoffmangels abzuschätzen: Lactat ist das Endprodukt der anaeroben
Glykolyse. Gerinnungsparameter wie Thrombozytenzahl, Thromboplastinzeit,
partielle Thromboplastinzeit, Fibrinogen und Fibrinogenspaltprodukte (D-Dimer)
helfen, eine beginnende Verbrauchskoagulopathie zu diagnostizieren.
10. KARDIOMYOPATHIE
·
Hypertrophische
Kardiomyopathie: die Wand des linken Ventrikels ist verdickt, das Volumen aber
nicht vergrößert.
·
Dilatative
Kardiomyopathie: das Volumen des linken und/oder rechten Ventrikels ist
vergrößert.
·
Restriktive
Kardiomyopathie: Narben oder Infiltrationen behindern die Dehnung und damit die
Füllung des Ventrikels.
·
Arrhythmogene
rechtsventrikuläre Kardiomyopathie: bei dieser meist genetisch bedingten Form wird
Myokard des rechten Ventrikels zunehmend durch Fettgewebe ersetzt, was zu
Rechtsherzinsuffizienz und Rhythmusstörungen führt.
Genetische UrsachenHypertrophische Kardiomyopathie hat in so gut
wie allen Fällen, dilatative Kardiomyopathie in 20-50% genetische Ursachen. Bei
der hypertrophischen Kardiomyopathie betreffen Prädispositionsallele
hauptsächlich Proteine des Sarkomers wie Aktin, Myosin-Schwer- und
Leichtketten, Myosin-bindendes Protein C, Troponin oder Tropomyosin.
Dilatative Kardiomyopathie ist hauptsächlich mit Varianten von Proteinen des
Zytoskeletts wie Sarkoglykan, Dystrophin oder Desmin assoziiert. Ebenfalls
findet man Prädispositionsallele, die für mitochondriale Proteine oder die
Proteine der Kernmembran Lamin A oder Lamin C kodieren. Es gibt jedoch eine
beträchtliche Überschneidung: Varianten mehrerer dieser Gene sind mit beiden
Formen der Kardiomyopathie assoziiert.
Dilatative KardiomyopathieDas Kammervolumen ist vergrößert, das Myokard zu sehr gedehnt.
Normalerweise wirken der Dehnung zwei Systeme entgegen: die extrazelluläre
Matrix mit ihren Kollagenfasern und die Kontraktionskraft der Kardiomyozyten. Wird
einer dieser beiden Faktoren geschwächt, erhöht das die Wahrscheinlichkeit
einer Dilatation. Nicht-genetische Ursachen der dilatativen Kardiomyopathie
sind damit:
·
entzündlich: sowohl das infektiöse Agens selbst
als auch entzündliche Infiltrate können Herzmuskelzellen schädigen. So
schneidet die Protease der Coxsackie B-Viren das Muskelzellprotein Dystrophin,
über das die kontraktile Elemente über Zellgrenzen kraftschlüssig verbunden
sind (Mutationen im Dystrophingen sind die Ursache für die Muskeldystrophien
Duchenne und Becker). Entzündliche Infiltrate: Erinnern
wir uns, dass aktivierte Makrophagen Matrix-Metalloproteasen wie Kollagenase und
Stromelysin freisetzen, die Fasern der extrazellulären Matrix abbauen. Wird das
zähe Kollagennetz geschwächt, lastet mehr Spannung auf den dehnbareren
Muskelfasern. Beispiele sind virale Myokarditiden (häufig Adenoviren, Coxsackie
B, Parvovirus B19), Sarkoidose und Chagas-Krankheit, die durch Trypanosoma cruzi ausgelöst wird.
·
toxisch: in der Tumortherapie eingesetzte
Antibiotika der Anthrazyklingruppe haben manchmal eine dilatative
Kardiomyopathie zur Folge, ebenso wie der anti-HER2-Antikörper Trastuzumab, da
HER2 auf Kardiomyozyten exprimiert wird. Die beiden Therapieformen können daher
nicht kombiniert werden. Chronischer Alkoholabusus ist eine weitere mögliche
Ursache.
·
metabolisch: chronische Hypokalzämie löst
manchmal das Krankheitsbild aus, möglicherweise, indem sie dauernd die
myofibrilläre Kontraktionskraft beeinträchtigt. Hypothyroidismus ist eine
weitere Ursache.
Es besteht eine systolische Dysfunktion: eine
Schädigung der Herzmuskelzellen vermindert deren Kontraktionskraft, sodass das
Schlagvolumen zurückgeht, während das Herz durch den Vorlast-Anstau in einem
höheren Füllungs- und Dehnungszustand arbeitet. Die Ejektionsfraktion
(Schlagvolumen im Verhältnis zum enddiastolischen Volumen) ist erniedrigt. Das
Herz arbeitet in einem ungünstigen Bereich, da es durch die höhere Wandspannung
einen höheren Sauerstoffverbrauch hat. Gleichzeitig behindert die Wandspannung
die Versorgung des Myokards über die Koronargefäße. Es kommt daher oft zu
ischämischen Myokardbezirken, die die Kontraktionskraft weiter beeinträchtigen
und zum Ausgangspunkt von Arrhythmien werden können. Ist auch der
Mitralklappenring von der Dehnung betroffen, verstärkt die resultierende
Mitralinsuffizienz den Stau vor dem linken Herzen und vergrößert die Gefahr
eines Lungenödems. Gleichzeitig verringert sich die Auswurfleistung um dasselbe
Volumen.
Hypertrophische KardiomyopathieMeist auf Grund genetisch bedingt leicht
veränderter Sarkomerproteine führt die Belastung mit der Zeit zu einer
Verdickung der einzelnen Herzmuskelzellen und damit der gesamten Ventrikelwand.
Statt der normalen 15 µm haben die Kardiomyozyten bis zu 40µm Durchmesser; die
verlängerten Diffusionsstrecken wirken sich negativ auf die Sauerstoffversorgung
aus. Dazu kommt, dass sich die Herzkranzgefäße nicht im selben Verhältnis vergrößern
lassen wie die Myokardmasse. Die Herzmuskelzellstränge verlaufen vermehrt
irregulär, in Wirbeln und Schleifen. Diese Texturstörung führt zu einer
entsprechend irregulären Erregungsausbreitung, sodass spontan Kammerflimmern
durch kreisende Erregung entstehen kann.
Zur Verdickung und Texturstörung kommt noch
eine interstitielle Fibrose, also eine Vermehrung der extrazellulären Fasern. In
Summe tragen diese Veränderungen zu einer verminderten Dehnbarkeit das Myokards
im Sinne einer diastolischen Dysfunktion bei: die diastolische Füllung kämpft
gegen eine steife Ventrikelwand, sodass der enddiastolische Druck ansteigt.
Besonders schlecht ist die Füllung bei Tachykardie, sodass das Herzzeitvolumen
bei Anstrengung nur unzureichend gesteigert werden kann.
Die Dicke des hypertrophierten Septums macht
den Ventrikelausflussbereich Richtung Aorta zwischen Septum und Mitralsegel während
der Kontraktion in etwa einem Drittel der Fälle so eng, dass ein kräftiger
Druckabfall an dieser Stelle auftritt ("erhöhter intraventrikulärer Gradient"). Um den Aortendruck aufrecht zu erhalten,
muss der vom Ventrikel primär erzeugte Druck umso höher sein, was wiederum den
Sauerstoffbedarf in die Höhe treibt.
Restriktive KardiomyopathieDie normale Dehnbarkeit des Myokards ist durch eine Veränderung
eingeschränkt. Als Ursachen kommen z. B. in Frage:
·
Amyloid-Ablagerung: Amyloid ist im Wesentlichen
ein interstitielles Proteinpräzipitat. Manche Proteine präzipitieren leichter
als andere. Werden diese in großen Mengen gebildet, fallen sie aus. Beispiele
sind das Akute-Phase-Protein Serum-Amyloid-A bei chronischen Infektionen oder
Immunglobulin-Leichtketten bei monoklonalen Plasmazellvermehrungen.
·
Sarkoidose: die granulomatösen Infiltrate
können auch das Myokard betreffen
·
Systemische Sklerose
·
Hämochromatose
·
Glykogenspeicherkrankheiten
·
Strahlentherapie
Es besteht eine hauptsächlich diastolische
Dysfunktion. Die erschwerte Füllung des Ventrikels bedingt einerseits eine
Verringerung der Förderleistung, andererseits einen Stau vor dem betroffenen Ventrikel.
Arrhythmogene rechtsventrikuläre KardiomyopathieEine Reihe von genetischen Faktoren (>10),
meist autosomal dominant mit variabler Penetranz, kann dazu führen, dass
Myokardgewebe langsam degeneriert und durch Fettgewebe ersetzt wird. Warum das
hauptsächlich den rechten Ventrikel betrifft, ist unklar. Betroffen sind
Proteine des Desmosoms und der Intermediärfilamente, jener Bestandteile des
Zytoskeletts, die die Desmosomen kraftschlüssig verbinden.
Das Krankheitsbild kommt weltweit vor; eine
Häufung findet sich mit 1:2000 bis 1:5000 in der norditalienischen Region
Venetien.
Bei jungen Leuten, die im Zug einer sportlichen
Anstrengung ohne Vorwarnung plötzlich tot umfallen, findet man bei der Autopsie
häufig entweder eine hypertrophische oder eine arrhythmogene rechtsventrikuläre
Kardiomyopathie.
Takotsubo-(Stress-)
Kardiomyopathie
Zustände überwältigender Emotionen, negativ wie
positiv, lösen manchmal eine funktionelle Kontraktionsstörung des Myokards der
Herzspitze aus, sodass diese, ballonartig gedehnt, im Röntgenbild an eine
japanische Octopusfalle (Tako-Tsubo) erinnert. Die Ursache ist unklar,
diskutiert wird eine Gefäßkontraktion auf überschießende
Catecholaminausschüttung. Die Symptome können jenen eines akuten Herzinfarkts
gleichen. Die systolische Dysfunktion bedingt eine stark erniedrigte
Auswurffraktion. Die Langzeitprognose ist gut.
11. ARTERIELLE ZIRKULATIONSSTÖRUNGEN
Stenosen und VerschlüsseObwohl sich die großen Arterien wie ein Baum verzweigen, ist die Baumanalogie
bei kleineren Zweigen nicht mehr ganz korrekt. Kleine arterielle Gefäße bilden
nämlich Anastomosen, die bei Stenosen und Verschlüssen Kollateralkreisläufe
ermöglichen.
Stenosen der Becken- und Beinarterien lassen
sich gut mittels Duplexsonographie untersuchen. Stenosen bis zu 20% führen zu
Wirbelbildung, Stenosen zwischen 20 und 50% zeigen eine erhöhte systolische
Spitzenflussgeschwindigkeit. Erst Stenosen jenseits der 50% zeigen eine
reduzierte Flussgeschwindigkeit distal des Hindernisses und damit eine
Beeinträchtigung des distalen Versorgungsgebietes.
Hinter der Stenose kommt es häufig zur
Dilatation der Arterie, eventuell sogar zur Aneurysmenbildung. Durch die
Wirbelbildung schreitet die Stenosierung in der Regel langsam weiter voran.
Der Druckabfall jenseits des Hindernisses führt
dazu, dass über feine Anastomosen Umgehungskreisläufe in Gang gesetzt werden. Die
Arteriolen im distalen Teil dieser Anastomosen werden durch Autoregulation weit
gestellt, sodass eine Strömungsumkehr erleichtert wird.. Durch den großen
Druckgradienten ergibt sich in diesen Anastomosen eine hohe
Strömungsgeschwindigkeit. Die erhöhte Scherspannung führt zu einem Umbau dieser
kleinen Gefäße: sie werden durch Vermehrung von Bindegewebe und glatten
Muskelzellen verstärkt und wachsen sowohl im Durchmesser als auch in der Länge.
Im Endausbau entstehen korkenzieherartig geschlängelte Kollateralgefäße.
Stadien einer Gliedmaßenarterieninsuffizienz
nach Fontaine:
Steal-SyndromeIn parallel geschalteten Gefäßen ist der Flussrate jeweils umgekehrt
proportional dem individuellen Widerstand. Wird
der Widerstand in einer Arterie zu groß, steigt die Flussrate mit
Strömungsumkehr in Umgehungskreisläufen an und kann zu steal-Phänomenen führen.
Beim Subclavian-Steal-Syndrom
(Vertebralis-Anzapfsyndrom) besteht im typischen Fall eine Stenose am Abgang
der linken A. subclavia. Bei
Muskelarbeit des linken Arms ist der Weg des geringsten Widerstandes für den
Mehrbedarf an Blut die linke A. vertebralis, die mit Strömungsumkehr den Arm
versorgt. Dieses Blut aus der "Ringleitung" der A. basilaris wird dem ZNS "gestohlen": es kann zu
Schwindel, Ataxie, Synkope oder auch Sehstörungen kommen.
Ein zweites Beispiel ist das
Koronararterien-Steal-Syndrom, das bei einem bypass aus der A. mammaria
interna auftreten kann, wenn dieselbe Subclavia-Stenose besteht wie im vorigen
Absatz beschrieben. In diesem Fall beschafft sich der Arm unter Belastung Blut
aus der Koronararterie; es resultiert eine Ischämie des Myokards mit Angina pectoris.
AneurysmenbildungEine Schwächung der Arterienwand, z. B. durch arteriosklerotische Veränderungen, kann zu einer lokalen Ausweitung der Arterie, einem Aneurysma, führen. Bei einem Aneurysma verum bezieht die Ausweitung alle Gefäßwandschichten mit ein, bei einem Aneurysma spurium besteht eine Blutung durch einen Riß von Intima und Media, doch wird die Blutung durch Adventitia und umliegendes Gewebe noch begrenzt. Ein Aneurysma verum führt zur Wirbelbildung im Blut, was oft eine Thrombosierung zur Folge hat. AortendissektionNach einem Riss der Intima drängt sich das Blut unter die Intima und bildet ein
zweites, falsches Lumen. Dieses endet entweder blind, oder mündet durch
Perforation wieder zurück ins eigentliche Lumen oder durch die Adventitia nach
außen, in Perikard- (mit Herzbeuteltamponade), Pleura- oder Retroperitonealraum. Symptome können auch
durch Einengung der Abgänge der großen Arterien aus der Aorta entstehen, sowie
durch eine Beeinträchtigung der Funktion der Aortenklappe.
Aortendissektionen entstehen an zwei typischen Stellen:
·
der Aorta ascendens etwas oberhalb der
Aortenklappe
·
der
absteigenden Aorta nach Abgang der linken A.
subclavia
Ursachen sind bei jüngeren Patienten häufig
genetische Bindegewebsschwächen wie Ehlers-Danlos oder Marfansyndrom, bei
älteren Patienten eine Kombination aus Atherosklerose und Hypertonie.
Gefäßspasmen: Raynaud-PhänomenDas primäre Raynaud-Phänomen tritt relativ häufig bei jungen Frauen auf. Durch
Kälteexposition kommt es zu einem Vasospasmus der Hände: Handrücken und Finger
werden weiß bis livid und schmerzen. Das Phänomen stellt eine überschießende
Form der Sympathikusaktivierung durch Kälte oder emotionalen Stress dar, bei
der extreme Gefäßkonstriktion zu Hypoxie des Gewebes führt. In der Regel lösen sich die Spasmen, vor
strukturelle Schäden auftreten.
Ein sekundäres Raynaud-Phänomen tritt als
Symptom einer anderen Grunderkrankung auf, z. B. einer systemischen
Sklerose oder eines systemischen Lupus
erythematodes. PatientInnen mit neu auftretendem Raynaud-Phänomen sollten
daher auf das Aufkommen solcher Erkrankungen untersucht werden.
FistelnSolitäre arteriovenöse Fisteln entstehen entweder traumatisch oder intentional
beim Anlegen von Dialyse-Shunts,
während multiple kleinkalibrige arteriovenöse Verbindungen angeboren vorkommen
können.
Sowohl in der Nähe, als auch im Gesamtkreislauf
ergeben sich durch eine solitäre Fistel Veränderungen. Durch die Fistel ergibt
sich lokal ein rascher arterieller Druckabfall, der zur Ausbildung von
Kollateralgefäßen ähnlich denen um eine Stenose führt. Ein Teil des
umgeleiteten Blutes versorgt die Peripherie, ein Teil trägt retrograd zur
Speisung des Fistelstroms bei. Sowohl die speisende Arterie, als auch die
ableitenden Venen erweitern sich. Im Fistelbereich selbst kann durch
Wirbelbildung ein Strömungsgeräusch gehört werden. Der gesteigerte venöse Druck
hinter dem Shunt kann den venösen Abfluss der betroffenen Extremität behindern,
sodass Ulcera durch venöse Insuffizienz auftreten können.
Im Gesamtkreislauf fällt der periphere
Widerstand durch das Fistelzeitvolumen ab, das Herzminutenvolumen steigt. Die
chronisch erhöhte Anforderung an das Herz wird kritisch ab einem
Shuntminutenvolumen von 1000 bis 1500 ml.
12. VENÖSE ZIRKULATIONSSTÖRUNGEN
Der Druck in den Venolen, den postkapillaren Widerstandsgefäßen, beträgt etwa
20 mm Hg, während der Druck im rechten Vorhof, der zentrale Venendruck,
unter 6 mm Hg liegt. Die niedrigen Drücke bedeuten, dass Venen nicht immer
prall gefüllt, sondern häufig auch kollabiert vorliegen. Bei nur geringfügig
steigendem Druck lässt sich zunächst viel Volumen durch Füllung unterbringen,
bis eine weitere Drucksteigerung zu einer Ausweitung durch Dehnung führt.
Die Venen des großen Kreislaufes enthalten
50-60% des gesamten Blutvolumens, während die Arterien nur ca. 15% enthalten.
Das venöse System stellt damit den Raum dar, in dem wir Blutvolumen
"parken" können, solange es nicht benötigt wird. Dieses
"Parken" bedeutet natürlich keinen Stillstand, sondern einen
langsameren Rückstrom bei höherem Gefäßquerschnitt, eingestellt durch einen
niedrigeren Venentonus. Während der Tonus von Arterien mit einer starken lokalen
Autoregulationskomponente eingestellt wird, wird der Venentonus vorwiegend zentral
durch den Sympathikus gesteuert. Wenn wir also aufspringen, um zum Bus zu rennen, steigert
der aktivierte Sympathikus nicht nur die Pumpfunktion des Herzens, sondern auch
die Wandspannung der venösen Kapazitätsgefäße, wodurch ein höherer Rückstrom
zum Herzen gewährleistet wird. Auch im Fall eines größeren Blutverlustes kann
dieser durch neuronale Sympathikusaktivität und Catecholaminausschüttung bis zu
einem gewissen Grad durch Steigerung des Venentonus kompensiert werden. Erst
wenn der Blutverlust darüber hinausgeht, kommt es zu einem starken
Blutdruckabfall.
Beim Aufstehen aus dem Liegen füllen sich die teilkollabierten Venen in der unteren Körperhälfte, sodass auf jeden Fall zwischen 600 und 700 ml Blut "versacken". Im Normalfall wird das in Sekunden durch höheren Tonus kompensiert. Im Stehen addiert sich ein beträchtlicher hydrostatischer Druck zum geringen Venendruck. Um den Rücktransport zum Herzen gegen diesen Druck zu gewährleisten, wirken zwei Hilfsmittel zusammen: Venenklappen und Muskelpumpe. Kontrahieren sich die in Faszien eingeschlossenen Muskelgruppen, quetschen sie die eingeschlossenen Venen aus. Die Klappen bestimmen dabei die Pumprichtung. Beim Gehen, Laufen oder Radfahren leistet die Muskelpumpe einen hohen Beitrag zum Gesamtkreislauf. Langes Stehen vergrößert dagegen die Gefahr einer Synkope. Verschlüsse tiefer VenenMeist sind Thrombosen die Ursache von Venenverschlüssen, seltener Kompression
von außen durch Tumore, Hämatome, Aneurysmen etc. Auslöser thrombotischer
Ereignisse ist meist die Kombination von Hyperkoagulabilität mit venöser Stase.
Zu einer verstärkten Neigung zur Blutgerinnung können beitragen:
Faktor
V Leiden, benannt nach der
niederländischen Stadt seiner Erstbeschreibung: Damit der Gerinnungsvorgang sich nicht unkontrolliert von einer
Stelle mit z. B. Endothelverletzung ausbreitet, bindet intaktes Endothel
abseits des Gerinnungsvorgangs aktiviertes Thrombin (Faktor IIa) mit
Thrombomodulin und aktiviert so Protein C, das wieder mit Hilfe von Protein S
die aktiven Faktoren Va und VIIIa inaktiviert. Im Fall der Faktor V
Leiden-Mutation Arg506Gln ist Faktor Va allerdings resistent gegen die Spaltung
durch Protein C, sodass sich ein einmal gestarteter Gerinnungsvorgang leichter
ausbreitet. Da bereits ein Faktor V Leiden-Allel ausreicht, damit
inaktivierungsresistenter Va vorhanden ist, wird das gesteigerte
Thromboserisiko (heterozygot 4-7-fach) autosomal dominant weitergegeben. Bei
homozygotem Faktor V Leiden ist das Thromboserisiko natürlich noch wesentlich
höher.
Prothrombin G20210A: dieser single nucleotide polymorphism (SNP) führt zu keiner Veränderung der Aminosäuresequenz. Er betrifft das letzte Nucleotid in der 3'-untranslatierten Region der mRNA; effizienteres 3'-end processing der mRNA steigert mRNA- und Proteinspiegel. Der mäßig erhöhte Prothrombinspiegel fördert die Gerinnung. Venöse Stase wird begünstigt durch stehende
Tätigkeiten, Bettlägerigkeit, Immobilisation, z. B. während Flug- und
Busreisen. Während der Schwangerschaft werden tiefe Beckenvenen durch den Druck
des Uterus gestaut.
Durch die Verlegung einer tiefen Vene steigt
der Venendruck peripher des Hindernisses an, das Blut wird über gestaute
Kollateralen, zum Teil oberflächlich, abgeleitet. Ja nach Stärke entstehen
zyanotische Verfärbung, Ödem und Schmerzen. Eine sichere Diagnose erlaubt die
Farbduplexsonographie mit und ohne Kompression.
Der Extremfolge eines Venenverschlusses stellt
die Phlegmasia coerulea dolens dar.
Der Venendruck steigt so stark an, dass auch das Endothel der vorgeschalteten
Kapillaren geschädigt und hyperpermeabel wird. Durch Austritt von Flüssigkeit
und Proteinen steigt der Gewebsdruck massiv an. Die Ödembildung in einem Bein
kann dem Kreislauf mehrere Liter Volumen entziehen, sodass ein hypovolämischer
Schock auftreten kann. Die Abnahme des Systemdruckes bei Zunahme des
Gewebsdruckes lässt die Kapillaren kollabieren, sodass die Gefahr einer
mikrovaskulären Insuffizienz mit Gangränbildung besteht.
Durch abgelöste Thrombusteile können
Lungenembolien ausgelöst werden.
Obwohl sich eine Thrombose in der Regel mit der
Zeit bessert, bleiben Folgezustände zurück, die wir als postthrombotisches
Syndrom bezeichnen. Meist sind die Venenklappen im Thrombosegebiet irreversibel
geschädigt. Auch bei erfolgreicher Rekanalisierung bleibt statt der ehemals
elastischen und tonisierbaren Vene ein starres Rohr zurück, das eine
funktionelle Stenose darstellt.
Chronische venöse Insuffizienz Eine chronische Störung des venösen Abflusses kann sowohl die tiefen wie die
oberflächlichen Venen, meist der unteren Extremität, betreffen. Während die Ursache
bei den tiefen Venen meist Folgezustände thrombotischer Ereignisse sind, steht
bei den oberflächlichen Venen die Varizenbildung im Vordergrund. Diese wird
durch genetische Faktoren, z. B. Kollagenpolymorphismen, begünstigt und tritt
deshalb häufig familiär auf. Eine Vergrößerung des Venenquerschnitts führt zu
einer Insuffizienz der Klappen.
Mechanische Abflussbehinderung,
Klappeninsuffizienz und Insuffizienz der Muskelpumpe verstärken einander
jeweils gegenseitig bei der Entstehung der venösen Insuffizienz.
Folgen können Claudicatio intermittens venosa, kapilläre Permeabilitätsstörung
mit trophischer Störung der Haut (Induration, Hyperkeratose,
Hyperpigmentierung) bis zum Ulcus cruris sein.
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QUELLEN UND WEITERFÜHRENDE LITERATUR: Höfler G. et al. (Hrsg.): Pathologie, 6. Auflage, Urban und Fischer, 2019 auf Englisch: Kumar V. et al. (eds.): Robbins and Cotran Pathologic Basis of Disease, 10th Edition, Saunders, Philadelphia, 2020 Boron W. F. and Boulpaep E. L. (eds.): Medical Physiology, 3rd Edition, Elsevier, Philadelphia, 2016 Lilly (ed.) et al.: Pathophysiology of Heart Disease, 6th Edition, Lippincott, Philadelphia, 2015 |