-Herz-Kreislauf INHALT DIESER SEITE: 1.Nicht-adaptive
Abwehr 2. Adaptive Immunantwort 3. Impfung 4. Versagen der Abwehr 5.
Schädigung durch das Immunsystem
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IMMUNSYSTEM UND IMMUNOLOGIEDieses Skript ist eine Lernhilfe zu meiner Vorlesung im Modul "Infektion, Immunologie und Allergologie" an der Medizinischen Universität Innsbruck. Es steht auch in einer pdf-Version sowie in einer Englischen Version zur Verfügung. Version
7.0 ©Arno Helmberg 2000-2024 Jeder
Organismus, also auch der menschliche, ist eine an sich unwahrscheinliche
Ansammlung energiereicher organischer Verbindungen und muss sich daher
ständig gegen Versuche der Umwelt, ihn als "Futter" zu verwenden,
zur Wehr setzen. Die Fähigkeit, solchen Versuchen etwas entgegenzusetzen,
ergibt automatisch einen Selektionsvorteil. In der Evolution hat diese
Auseinandersetzung seit der Entwicklung vielzelliger Organismen zu
hochkomplexen Abwehrsystemen geführt. Das Grundproblem: Was wehre ich ab?Ein grundsätzliches Problem besteht darin, zu
unterscheiden zwischen dem, was abgewehrt werden muss –im Idealfall
alles, was eine Gefahr darstellt— und dem, was nicht abgewehrt zu
werden braucht oder nicht abgewehrt werden darf –Zellen und Strukturen
des eigenen Organismus. Dieses Problem ist nicht trivial, bestehen
doch "gefährliche" Angreifer wie Viren, Bakterien oder Parasiten
aus den selben Molekülarten wie der menschliche Organismus. Schon früh in der Evolution entwickelten einfache
mehrzellige Lebewesen ein Abwehrsystem, das durch die Erkennung von
molekularen Mustern, die für Pathogene oder für untergehende Zellen
typisch sind, aktiviert wird. Dieses Abwehrsystem benützt auch der
Mensch. Es ist angeboren, bei jedem Individuum gleich, sofort verfügbar
und damit in der Lage, eine Infektion im besten Fall im Keim zu ersticken
oder im schlechtesten Fall zumindest einige Tage in Schach zu halten.
Wir sind auf dieses "alte" System absolut angewiesen: mikrobielle
Bedrohungen haben so hohe Fortpflanzungsraten, dass wir bereits tot
wären, vor das zweite, evolutionär jüngere System, in Schwung kommt. Die effizientesten Abwehrmaßnahmen des menschlichen
Organismus –wir sprechen von einer adaptiven Immunantwort— bestehen
aus einer maßgeschneiderten Antwort auf das jeweilige Pathogen. Maßschneidern
braucht Zeit, daher steht dieses System in den ersten Tagen einer
Infektion nicht zur Verfügung. Diese Immunmechanismen bekämpfen biologisches
Material, das innerhalb des eigenen Organismus gefunden wird, aber
"fremd" ist. "Fremd" ist meist, aber nicht immer
gleichbedeutend mit "gefährlich", doch ist eine Unterscheidung
"fremd-selbst" technisch einfacher zu treffen als eine Unterscheidung
"gefährlich-ungefährlich". Das liegt daran, dass unser Immunsystem
lernen kann, was "Selbst" ist; alles andere wird mit Misstrauen
beäugt. Als Hilfskriterium zur Einschätzung der Gefährlichkeit wird
die Aktivierung des ersten, angeborenen Systems herangezogen.
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T-Zelle
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Innate
lymphoid cell
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Hauptwerkzeuge
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zytotoxische T-Zelle
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NK-Zelle
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Perforin, Granzym,
FasL
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TH1-Zelle
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ILC1
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IFNγ
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TH2-Zelle
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ILC2
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IL-4, IL-5, IL-13
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TH17-Zelle
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ILC3
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IL-17, IL-22
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TFH-Zelle
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-
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IL-21
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Die innate lymphoid cells entwickeln sich
aus der lymphozytären Reihe im Knochenmark; ein Repressor unterdrückt jedoch
die Expression des Antigenrezeptors. Sie werden deshalb der nicht-adaptiven
Abwehr zugerechnet, die sie verstärken. Unser Verständnis von innate lymphoid cells ist noch
unvollständig; wir setzen uns mit ihnen hier nicht weiter auseinander.
Eine weitere
T-Zell-Unterart stellen die sogenannten regulatorischen T-Zellen dar. Sie sind
meist CD4+ und haben im Gegensatz zu den bisher erwähnten T-Zellarten
eine die Immunantwort bremsende Funktion.
Der T-Zell-Rezeptor ähnelt grob dem Fab-Fragment
eines Antikörpers: er besteht aus zwei Ketten (meist α:β,
alternativ γ:δ), und hat an der "Spitze" eine
variable Region. Diese wird
durch den selben Zufallsgenerator erzeugt, der für die Vielfalt der
Antikörper verantwortlich zeichnet. Die somatische Rekombination von
β-Ketten (Chromosom 7q) würfelt V-, D- und J-Segmente zusammen,
analog der schweren Immunglobulinkette. Die α-Ketten enthalten
nur V- und J-Segmente (Chromosom 14q), wie die leichten Ketten der
Immunglobuline. Die T-Zellrezeptorvielfalt beruht also auf denselben
Mechanismen wie die Antikörpervielfalt; allerdings gibt es keine somatische
Hypermutation. Der T-Zellrezeptor erkennt aber keine großen, chemisch
unterschiedlich aufgebauten Epitope, wie ein Antikörper, sondern lediglich
kleine lineare Peptide (8 bis 20 Aminosäuren); und auch diese nur,
wenn sie in den dafür vorgesehenen Spalt eines MHC-Moleküls eingebaut
sind.
Der intrazelluläre Anteil der α-
und β-Ketten des T-Zell-Rezeptors ist winzig. Für die Signalübertragung
ins Zellinnere benötigt es zusätzliche Proteinketten, γ, δ, 2x ε
und 2x ζ (Zeta), die in ihrer Gesamtheit als "CD3" bezeichnet
werden. Diese zusätzlichen Transmembranketten enthalten intrazellulär
sogenannte ITAMs (Immunoreceptor
Tyrosine-based Activation Motif), die durch Tyrosinkinasen wie Fyn und Lck
phosphoryliert werden. Das Clustering von T-Zell-Rezeptoren und
kostimulatorisch wirkenden Proteinen führt zu einer Aktivierung von
Transkriptionsfaktoren wie NF-AT (nuclear factor of activated T cells), NFκB
und AP-1, die zu einer Anpassung der Genexpression der T-Zelle führen.
Pharmakologische Querverstrebung: In Zellkultur werden anti-CD3-Antikörper
als klassische T-Zell-Stimulatoren verwendet, da sie den T-Zell-Rezeptorkomplex
direkt clustern. Allerdings ergab sich neulich auch eine medizinische
Anwendung. Teplizumab, ebenfalls
anti-CD3, aktiviert den T-Zell-Rezeptorkomplex nur sehr schwach. Das drückt potentiell aggressive T-Zellen eher in
Richtung Anergie und führt zu verstärkter Proliferation von regulatorischen
T-Zellen. Zusätzlich wurde das Fc-Ende des Antikörpers verändert, sodass es
nicht mehr von Fc-Rezeptoren erkannt wird. Damit entfallen ADCC durch natural killer cells oder die
Aktivierung von Phagozyten. In der Hoffnung, er könne unerwünschte
Immunreaktionen bremsen, wurde der Antikörper gegen alles mögliche ausprobiert,
ohne zu überzeugen. Schließlich ergab sich aber eine Anwendung: Wird er früh
nach Diagnose eines beginnenden Diabetes Typ I infundiert, kann er die
klinische Manifestation der Erkrankung etwa 2 Jahre hinauszögern.
Ob die T-Zelle "anspringt", hängt also von der Intensität des Clustering ab. Für die Intensität des Clustering sind einerseits die Affinität des T-Zellrezeptors für die Peptid-MHC-Kombination sowie andererseits die Häufigkeit des MHC-Proteins mit "richtigem" Pepid auf der gegenüberstehenden Zielzelle auschlaggebend. Bleibt einer der beiden Werte unterhalb einer gewissen Schwelle, wird die T-Zelle nicht aktiviert. Ist beispielsweise die Affinität zu gering, geben zu jedem Zeitpunkt zwar einige T-Zell-Rezeptoren Signal, doch entsteht nicht ausreichend Clustering, um die T-Zelle zu aktivieren. Man kann sich das so vorstellen: Eine Basisaktivität an Tyrosinphosphatasen räumt die wenigen erfolgten Tyrosinphosphorylierungen bald wieder ab. Ein aktivierendes Signal entsteht erst, wenn lokal so viele Tyrosinphosphorylierungen gleichzeitig erfolgen, dass die Phosphatasen "nicht mehr nachkommen".
MHC steht für major histocompatibility complex. Dieser Begriff bezeichnet eigentlich
einen Genlokus auf dem kurzen Arm von Chromosom 6, von dem man herausfand,
dass er für die Gewebeverträglichkeit zwischen Spender und Empfänger
von transplantiertem Material entscheidend ist. In diesem Genlokus
werden zwei ähnliche Arten von Oberflächenmolekülen kodiert, MHC-Klasse-I-
und MHC-Klasse-II-Moleküle, die eine Art "Ausweis" aller
Zellen gegenüber den T-Zellen darstellen. Generell dienen MHC-I-Moleküle
als Ausweis gegenüber zytotoxischen
(CD8+) T-Zellen; MHC-II-Moleküle als Ausweis gegenüber T-Helfer-(CD4+)-Zellen.
Worauf es gegenüber den T-Zellen ankommt, ist nicht so sehr der Ausweis
selbst, sondern das "Paßbild" im Ausweis, das Antigene im
Inneren der Zellen abbildet. Das molekulare Paßbild sind kurze Peptide
(8-20 Aminosäuren), die einfach Teile von im Inneren der Zelle kleingehackten
Proteinen sind und im dazu vorgesehenen Spalt von MHC-Molekülen beider
Klassen präsentiert werden. Die beiden Ausweistypen MHC-I und MHC-II
haben unterschiedliche Bedeutung und werden daher auch auf unterschiedlichen
Zellpopulationen exprimiert.
MHC-I präsentiert primär ein Abbild dessen, was in der Zelle synthetisiert wird. Ist eine
Zelle von einem Virus befallen, tauchen neben normalen, zellulären
Peptiden auch Viruspeptide in den MHC-I-Molekülen auf. Ist eine Zelle
maligne entartet, ist es möglich, dass Proteine exprimiert werden,
die sonst nur in der frühen Embryonalentwicklung exprimiert werden
und dem Immunsystem daher nicht bekannt sind. CD8+ T-Zellen erkennen
diese Abweichungen und töten die verdächtigen Zellen. Dieser Überwachungsmechanismus
ist für alle Zellen sinnvoll und MHC-I-Moleküle werden damit auf allen
gekernten Zellen exprimiert. Wie wird MHC-I mit Peptiden beladen?
MHC-I wird direkt ins endoplasmatische Retikulum synthetisiert, zunächst
durch Hilfsmoleküle gestützt und an einen Peptidtransporter, TAP (transporter
associated with antigen processing), gekoppelt. Dieser transportiert
Peptide, die durch den Abbau zytoplasmatischer Proteine im Proteasom
entstehen, ins endoplasmatische Retikulum, wo sie, falls passend,
in die daneben verankerten MHC-I-Moleküle eingebaut werden. Der Einbau
löst das MHC-I-Molekül aus seinem Stützgerüst; das Peptid-beladene
MHC-I wird in einem Vesikel an die Zellmembran transportiert.
Es gibt Ausnahmen zur Regel, dass MHC‑I
Material präsentiert, das in der Zelle synthetisiert wurde. Manchmal wird, besonders durch dendritische Zellen, auf
MHC‑I Material gezeigt, das von außen in die Zellen aufgenommen wurde;
diesen Fall nennen wir cross-presentation.
Ein gutes Beispiel sind die intraepidermalen dendritischen Langerhanszellen.
Diese exprimieren einen pattern
recognition receptor vom Lektintyp, Langerin (CD207), der z. B. Mannose
bindet. Von außen über diesen Rezeptor in die Zelle aufgenommenes Material wird
über einen speziellen endosomalen Weg transportiert, sodass Peptide daraus
effizient auf MHC‑I kreuzpräsentiert werden. Auch auf diesem Weg können
Langerhanszellen zytotoxische T-Zellen induzieren. Cross-presentation ist für Immunantworten gegen maligne Zellen von
Bedeutung.
MHC-II präsentiert primär extrazelluläres Material, das von APC
aufgenommen und kleingehackt wurde. Dadurch sollen CD4 exprimierende
T-Lymphozyten, hauptsächlich T-Helfer-Zellen, aktiviert werden. MHC-II-Expression
findet man daher gewöhnlich nur auf den so genannten "professionellen
Antigen-präsentierenden Zellen": dendritischen Zellen, Makrophagen
und B-Zellen. Dazu kommen noch einige Zellarten, die in Spezialsituationen
("aberrant") MHC-II exprimieren, wenn sie durch Zytokine
(besonders Interferon-γ aus TH1-Zellen) dazu angeregt
wurden, und Thymusepithelzellen, die zur Selektion nützlicher T-Zellen
beide MHC-Klassen konstitutiv exprimieren müssen (Details im nächsten
Abschnitt). MHC-II-Moleküle müssen nach der Synthese durch eine zusätzliche
Protein-Untereinheit (invariant
chain) davor geschützt werden, bereits im endoplasmatischen Retikulum
mit Peptiden beladen zu werden. Erst nach Verschmelzung des MHC-II-tragenden
Vesikels mit einem Endosom/Phagolysosom wird durch Ansäuerung und
mit Hilfe des HLA-DM-Moleküls der Peptidbindungsspalt für ein exogenes
Peptid freigemacht.
MHC-I-Moleküle bestehen aus einer im MHC kodierten
Kette, die in der Zellmembran verankert ist und die drei Domänen inklusive
des antigenbindenden Spalts ausbildet. Eine vierte Domäne wird durch
ein zusätzliches kleines extrazelluläres Protein, β2-Mikroglobulin,
gebildet, das nicht im MHC kodiert ist. Der Mensch hat drei Typen von MHC-I-Molekülen: HLA-A, HLA-B
und HLA-C. HLA ist eine alternative Bezeichnung für den menschlichen
MHC und steht für human leukocyte antigens.
MHC-II-Moleküle bestehen aus jeweils zwei Ketten,
α und β, die beide in der Zellmembran verankert sind. Auch
hier gibt es wieder drei Typen: DR, DQ und DP. Der Grund dafür, dass
es jeweils drei Typen von Klasse-I und Klasse-II-Molekülen gibt, ist
wahrscheinlich der, dass dadurch ein breiteres Spektrum von Antigen-Peptiden
präsentiert werden kann.
Zwar hat jeder Mensch nur zwei HLA-A-Gene --eines
auf dem mütterlichen, eines auf dem väterlichen Chromosom 6-- doch
gibt es mehr als 4700 verschiedene Allele für HLA-A –also Genvarianten
mit geringfügigen Unterschieden, von denen die meisten (mehr als 3200)
auch zu Unterschieden im kodierten Protein führen. Der Großteil dieser
Veränderungen betrifft den Antigenbindungsspalt und hat damit Unterschiede
in der Bindungsfähigkeit für spezifische Antigen-Peptide zur Folge.
Der HLA-A-Locus ist damit polymorph. Es ist daher unwahrscheinlich,
dass eine Person zwei identische HLA-A-Gene trägt. Dasselbe gilt sinngemäß
für alle MHC-Gene mit Ausnahme von DRα, das bei fast allen Menschen
identisch ist.
Die beiden Allele eines Individuums werden jeweils
zugleich exprimiert-- da sich beide im Phänotyp bemerkbar machen und
keines das andere überlagert, spricht man von codominanter Expression.
Allele werden mit Locusbezeichnung-Stern-Zahlenkombination
(z. B. A*01:01:01:01 und A*02:86:01:01) bezeichnet, wobei die erste Zifferngruppe eine Grobtypisierung mit versuchter Verbindung zur alten,
serologischen Nomenklatur darstellt, die nächste Subtypen
mit Aminosäureunterschieden, weitere Zifferngruppen Subtypen, die sich nur
auf der DNA-, aber nicht auf der Proteinebene unterscheiden (stumme
Polymorphismen und Intronpolymorphismen).
Die Kombination von Polygenie des Individuums
(9 Genloci: A, B, C, DRα, DRβ, DQα, DQβ, DPα,
DPβ) und Polymorphismus der Population (für 8 dieser 9 Loci)
führt dazu, dass es extrem unwahrscheinlich ist, zwei Individuen mit
identischem MHC zu finden.
Das führt zu Problemen bei der Organtransplantation,
da gegen MHC-Moleküle, die dem eigenen Immunsystem unbekannt sind,
eine heftige Immunantwort erfolgt— sowohl durch zytotoxische T-Zellen,
als auch durch Antikörper. Aus dieser Sicht ist der Polymorphismus
des MHC also sehr ungünstig.
Da die Evolution zu diesem extremen Polymorphismus
des MHC geführt hat, ist aber anzunehmen, dass dieser insgesamt einen
Selektionsvorteil für die menschliche Spezies mit sich bringt. Dieser
besteht wahrscheinlich darin, dass es für jeden Erreger HLA-Kombinationen
gibt, die es ermöglichen, diesen besonders effizient zu bekämpfen.
Man denke an die Pestepidemien im Mittelalter (z. B. im Jahr 1350):
wäre die Menschheit mit einem Einheits-MHC ausgestattet, wäre vielleicht
niemand übriggeblieben.
Die Vorstufen fertiger T-Zellen im Thymus werden
als Thymozyten bezeichnet. Die
Mechanismen, die während dieses Reifungsprozesses dafür sorgen, dass
potentiell nützliche T-Zellen den Thymus verlassen, während unnütze
oder autoreaktive eliminiert werden, sind in großen Zügen bekannt.
Der Vorgang umfaßt zwei Stufen: positive und negative Selektion.
Positive
Selektion: Durch
den Zufallsgenerator der somatischen Rekombination entsteht eine große
Zahl von Thymozyten mit jeweils einem einzigartigen T-Zellrezeptor.
Entscheidend für die Brauchbarkeit des T-Zellrezeptors ist, ob er
prinzipiell in der Lage ist, eigene MHC-Moleküle zu erkennen— zunächst
einmal abgesehen vom spezifischen Peptid, das darin präsentiert wird.
Alle jene T-Zellrezeptoren, die durch ihre Zufallsentstehung eine
Form bekommen haben, die nicht mit den eigenen MHC-Molekülen zusammenpaßt,
sind von vornherein nutzlos. Man muß sie also loswerden. Wie? Die
Lösung ist verblüffend einfach: erfolgreiches Andocken des T-Zell-Rezeptors
an das MHC-Molekül des Thymusepithels bedeutet ein Überlebenssignal
für den Thymozyten: dieser wird positiv selektiert. Thymozyten, deren
T-Zellrezeptor nicht "passt", bekommen dieses Überlebenssignal
nicht und gehen nach einer gewissen Zeit der Vernachlässigung in Apoptose
(non-selection; death by neglect). Die positive Selektion bewirkt damit
eine Selbst-MHC-Restriktion: alle Zellen, die diesen Prozeß überstehen,
erkennen den eigenen MHC.
Negative Selektion: Unter all den Thymozyten,
die T-Zellrezeptoren exprimieren, die mehr oder weniger gut mit dem
eigenen MHC harmonieren, gibt es auch solche, die perfekt auf eine
Kombination von eigenem MHC mit darauf präsentiertem Selbst-Peptid
passen. Diese sind eigentlich unerwünscht, weil autoreaktiv und damit
gefährlich. Die Lösung dieses Problems besteht darin, dass eine sehr
starke Bindung zu einem qualitativ anderen Signal führt: es leitet
im Thymozyten Apoptose ein. Autoreaktive Thymozytenklone werden damit
"negativ selektiert", das heißt, eliminiert.
Das Ziel des gesamten Selektionsprozesses ist
es also, solche T-Zellen reifen zu lassen, die einerseits den eigenen
MHC "wackelig" erkennen, sodass es mit einem passenden Fremd-Peptid
zu einem vollen Aktivierungssignal kommen kann, die jedoch andererseits
nicht mit einem Selbst-Peptid aktiviert werden können.
Pharmakologische Querverstrebung: Manche Medikamente können die Peptidpräferenz bestimmter MHC-Moleküle ändern. Abacavir ist ein nukleosidischer Reverse-Transkriptase-Inhibitor zur Behandlung von HIV-Patienten. In ca. 5% der Patienten europäischer Abstammung entwickelte sich 1-5 Wochen nach Therapiebeginn ein Überempfindlichkeits-Syndrom mit Fieber, Abgeschlagenheit, Übelkeit, Diarrhoe und Exanthem. Das Syndrom trat nur in Patienten mit dem HLA-B-Allel B*57:01 auf. Schließlich wurde klar, dass Abacavir spezifisch an den Grund der B*57:01 Peptidbindungstasche bindet und dadurch die Auswahl an Selbst-Peptiden ändert, die durch das HLA-B-Protein präsentiert werden. Während alle T-Zellklone, die normalerweise durch B*57:01 präsentierte Selbst-Peptide erkennen, im Thymus durch negative Selektion eliminiert wurden, war das für T-Zellklone, die die neuen Peptide erkennen können, natürlich nicht der Fall. Diese lancierten eine generalisierte Autoimmunreaktion, sobald nach Abacavir-Therapiebeginn die neuen Peptide auf allen HLA‑B-exprimierenden Zellen des Körpers auftauchten.
Der Name "T-Helferzellen" stammt aus der ursprünglichen Beobachtung, dass B-Zellen die Hilfe von T-Zellen benötigen, um hocheffiziente Antikörper zu produzieren. Nach der Kategorisierung TH1/ TH2 nannte man die Zellen mit dieser Funktion über viele Jahre TH2-Zellen. Mit besseren Charakterisierungsmöglichkeiten wurde klar, dass sich unter dieser Bezeichnung unterschiedliche Zellpopulationen, mit deutlich unterschiedlichen Expressionsmustern und Verhalten, verbargen. Für die T-Zellen, die in Sekundärfollikeln den B-Zellen Hilfe leisten, wurde deshalb eine neue Bezeichnung eingeführt: "follikuläre T-Helferzellen (TFH). Die Bezeichnung " TH2-Zellen" wurde nun für Zellen reserviert, die auf die Abwehr von Helminthen spezialisiert sind.
TFH-Zellen stellen also die T-Zell-Hilfe
zur Verfügung, die Bedingung für die Produktion spezifischer Antikörper
ist. Um diese Bedingung zu erfüllen, muß eine ganze Reihe von Schritten
abgelaufen sein. Stellen wir uns eine bakterielle Infektion nach einer
kleinen Verletzung der Mundschleimhaut
vor, und integrieren wir die bisher überlegten Einzelaspekte
zu einem sinnvollen Modell einer Immunantwort.
Durch die Verletzung kann das Bakterium die Epithelbarriere leicht überwinden. Es dringt ins Bindegewebe unter der Schleimhautverletzung ein und vermehrt sich zunächst relativ rasch. Nichtadaptive Abwehrmaßnahmen laufen an: Komplement wird über den alternativen und/oder Lektinweg aktiviert und rekrutiert chemotaktisch die ersten neutrophilen Granulozyten und Makrophagen. Über pattern recognition receptors aktivieren bakterielle PAMPs Makrophagen und gewebsständige dendritische Zellen. Diese modifizieren ihre Genexpression: neue Transmembranproteine werden produziert, z. B. B7, und eine Palette von Zytokinen. Von den Phagozyten freigesetzte Mediatoren lösen zusammen mit den aktivierten Serumproteinsystemen eine Entzündungsreaktion aus. Bradykinin und PGE2 verursachen Schmerz. Von Makrophagen freigesetztes TNFα begrenzt die Entzündung lokal; ableitende Venolen werden durch Gerinnung verstopft. Zusammen mit der erhöhten Permeabilität verstärkt das die Filtration ins Gewebe und verursacht Schwellung. Mit dem verstärkten Lymphstrom werden sowohl freie Bakterien und -Bruchstücke als auch Makrophagen in die regionalen Lymphknoten geschwemmt. Auch diese – am Kieferwinkel oder um die Vena jugularis – schwellen schmerzhaft an.
Die im Lymphknoten
ankommenden dendritischen Zellen und Makrophagen haben die Erreger bzw. deren
Bruchstücke aufgenommen und "kleingehackt", d. h. die Antigene zu
Peptiden prozessiert. In den Phagolysosomen der APC gelangen solche Peptide mit
Hilfe von HLA-DM, das das CLIP-Peptid entfernt, in den Spalt von MHC-II
–Molekülen. Diese Kombination wird anschließend an die Oberfläche der APC
gebracht. Im Lymphknoten vorhandene und neue über Venolen mit hohem Endothel
eintreffende naive CD4+T-Zellen schieben
sich, angelockt durch Chemokin CCL18, an den APC vorbei. Die allermeisten
naiven T-Zellen erkennen mit ihren zufallsgenerierten T-Zellrezeptoren die
spezifische MHC-II-Bakterienpeptid-Kombination nicht. Ab und zu jedoch kommt
eine T-Zelle vorbei, deren Rezeptor genau passt. Es entsteht ein mehrfacher
Signalvorgang: ein Signal erreicht die T-Zelle über den T-Zell-Rezeptor.
Weitere Signale kommen über das Transmembranprotein CD28 oder ähnliche
Proteine, welche die kostimulatorischen B7-Moleküle auf der APC erkennen, sowie
über weitere Oberflächenproteine und Zytokine. Abhängig von der Art des
Pathogens und anderen Faktoren produzieren die dendritischen Zellen
verschiedene Kombinationen von Zytokinen: IFNγ plus IL‑12 (fördert
die Entstehung von TH1-Zellen), hauptsächlich IL‑4 (TH2), oder IL‑6 plus
TGFβ (TH17). Die
Gesamtheit dieser Signale von T-Zellrezeptor, CD28 und Zytokinrezeptor(en) ist
nötig, um die naive T-Zelle zu aktivieren: sie wird dadurch zu einer raschen
Proliferation angeregt. Aktivierte T-Zellen teilen sich alle 4-5 Stunden, viel
schneller als andere Zelltypen des Körpers. Es entsteht ein Zellklon: alle
Nachkommen haben den identischen, "nützlichen" T-Zellrezeptor der
ursprünglichen Zelle, der das bakterielle Peptid eingebettet in MHC-II, z. B. in
einem der beiden HLA-DR-Moleküle erkennt. Die Zellen des Klons differenzieren
sich auch: abhängig von der Art des Erregers und des Zytokinmilieus in der
unmittelbaren Umgebung entstehen entweder TH1- oder TH2- oder TH17-Zellen. Im von uns gewählten Beispiel
einer Infektion mit extrazellulären Bakterien fördert das momentane Vorhandensein
von IL‑6 in Kombination mit TGFβ die Differenzierung Richtung TH17-Zellen.
Diese sind nun nicht mehr "naiv", sondern können
"Effektorfunktionen" ausüben. Diese Differenzierung drückt sich in einer
veränderten Chemokinrezeptorexpression und der Fähigkeit zur Sekretion von
Zytokinen aus: bei TH17-Zellen vorwiegend
IL-17 und IL-22. Die TH17-Zellen wandern
nun aus dem Lymphknoten aus und über das Blut ins Infektionsgebiet ein. Dort
bewirken sie z. B., dass neutrophile Granulozyten gezielter und effizienter
eingesetzt werden. Doch nun interessieren wir uns für die Antikörperproduktion.
Geichzeitig und
parallel werden nämlich manche der aktivierten CD4+ T-Zellen dazu
angeregt, sich in Richtung TFH-Zellen
zu entwickeln. Es ist nicht ganz klar, wie die Entscheidung zwischen einem TH1-, TH2- oder TH17-Schicksal einerseits und einem TFH-Schicksal andererseits
erfolgt. Einer der Faktoren ist wohl die Bindungsstärke zwischen
T-Zell-Rezeptor und dem von der dendritischen Zelle auf MHC-II dargebotenen
Peptid. Eine hohe Affinität fördert den ersten Schritt auf dem Weg zur TFH-Zelle. Ein weiterer, unbedingt
notwendiger Schritt erfolgt erst später, in der Interaktion dieser TFH-Vorläuferzellen mit "gespannten"
B-Zellen. Dazu muss ICOS (inducible T
cell costimulator) auf der T-Zellmembran mit ICOS-Ligand (ICOSL) auf einer
solchen B-Zelle interagieren.
Zu diesem
Zeitpunkt befinden sich im Lymphknoten also mehrere TFH‑Vorläufer-Klone, von denen
jeder nur ein spezifisches bakterielles Peptid erkennt, und eine geringe Anzahl
von "gespannten" B-zellen, die Peptide aus dem Makromolekül, das sie
erkennen, auf MHC-II präsentieren. Nun müssen sich die passenden Zellen treffen:
erkennt eine der TFH‑Vorläufer-Zellen das von
einer B-Zelle präsentierte Peptid? Mehrere Aspekte steigern diese
Wahrscheinlichkeit. Das eindringende Bakterium hat in der Regel einige
Hauptproteine, die in hoher Konzentration vorkommen. Wenn diese von einem B-Zell-Rezeptor
erkannt werden, sind sie sicher auch von APC aufgenommen worden. Nachdem dieses
Protein in beiden Zelltypen von denselben Proteasen kleingehackt wird,
entstehen auch in beiden Zelltypen dieselben präsentierbaren Peptide. Außerdem ändern
die teilaktivierten T- und B-Zellen ihre Chemokinrezeptorexpression: die
T-Zellen beginnen, die T-Zell-Areale zu verlassen, die B-Zellen die B-Zell-Areale,
sodass sie sich an der Grenze zwischen T- und B-Zell-Arealen treffen.
(Eigentlich wäre
es um vieles einfacher, wenn eine B-Zelle, die ja zur Antigen-Präsentation
befähigt ist, direkt eine naive T-Zelle aktivieren könnte. Das ist jedoch in
der Regel nicht der Fall. Andererseits würde ein solcher linearer Mechanismus
dem Entsicherungsprinzip widersprechen, das die unabhängige Aktivierung
dendritischer Zellen über pattern
recognition receptors als notwendige Bedingung integriert.)
Früher oder später wird eine der TFH-Vorläuferzellen auf eine "gespannte" B-Zelle treffen, die gerade das richtige Peptid präsentiert. Die TFH-Vorläuferzelle erkennt das auf dem B‑Zell-MHC-II präsentierte Antigen-Peptid, für das sie aktiviert ist. Sie "reicht ihr die ICOS- und die CD40-Ligand-Hand". Nun sind alle Bedingungen erfüllt, damit beide Zellen das nächste Stadium erreichen: die T-Zelle wird zur reifen TFH-Effektorzelle, die B-Zelle wird entsichert. Die B-Zelle beginnt zu proliferieren und wird zur Stamm-Mutter eines B-Zellklons. Einige der B-Zell-Töchter reifen rasch aus und beginnen in primären Foci, IgM zu produzieren, sind aber kurzlebig.
Andere B-Zell-Töchter wandern ins B-Zell-Areal
zurück und werden zum Keimzentrum eines Sekundärfollikels. Angefeuert werden
sie von den zu ihnen passenden, ebenfalls proliferierenden TFH-Zellen, die ihnen CD40L und, nach ihrer
Ausreifung, IL-21 zeigen. Diese Signale sind unbedingt notwendig für die
Keimzentrumsreaktion. B-Zellen exprimieren daraufhin AID. AID führt zur
somatischen Hypermutation, sodass der bisher homogene Zellklon nun in
Tochterzellen mit affineren und weniger affinen B-Zell-Rezeptoren
auseinanderdriftet. Follikuläre dendritische Zellen fixieren bakterielles
Antigen außen an ihrer Zelloberfäche, um den entstehenden B-Zellklon mit
ausreichender Stimulation über den B-Zellrezeptor zu versorgen. Die
B-Zell-Tochterzellen drängen um dieses Antigen wie die Gäste um ein etwas knapp
bemessenes kaltes Buffet. Nur jene, deren B-Zell-Rezeptor affin genug ist, um
den Kontakt zum Antigen halten zu können, bekommen weitere
Proliferationsstimulation. In diesen Zellen werden sich also weitere somatische
Hypermutation und class switch, in
der Regel zu IgG, ereignen. Bei Schleimhautinfektionen erfolgt oft auch schon
früh ein class switch zu IgA. Durch
die Keimzentrumsreaktion entstehen also immer affinere Antikörper. B-Zellen mit
einem weniger affinen Antikörper haben das Nachsehen: sie können kein Antigen
mehr aufnehmen und haben damit den TFH-Zellen auch nichts mehr zu präsentieren: ohne
T-Zell-Hilfe gehen sie in Apoptose. Die erfolgreichen Tochterzellen hingegen
erreichen ein Stadium, in dem sie nicht mehr weiter auf T-Zell-Hilfe angewiesen
sind. Manche von ihnen verlassen den Lymphknoten über das vas efferens, gelangen schließlich ins Blut und siedeln sich als
Plasmazellen in anderen Organen des Immunsystems an, z. B. im Knochenmark. Dort
werfen sie weiter große Mengen Antikörper aus.
Die entstehenden Antikörper tragen dazu bei, dass die
schon laufenden nicht-adaptiven Abwehrmechanismen wesentlich effizienter
eingesetzt werden: Komplementaktivierung, Opsonisierung und Phagozytose
werden nun gezielt gegen den Eindringling gerichtet und massiv verstärkt.
Wenn die Infektion erfolgreich bekämpft wurde, produzieren ausgereifte Plasmazellen noch unterschiedlich lange Antikörper, sodass eine gewisse Zeit lang ein Schutz vor Reinfektion besteht. Außerdem differenzieren einige B-Zellen in der Keimzentrumsreaktion zu sogenannten Gedächtniszellen (memory cells), die sozusagen "eingemotteten" aktivierten Zellen entsprechen und die im Gegensatz zu anderen aktivierten Zellen über Jahre überleben können. Tritt der Erreger später wieder in Erscheinung, können diese wesentlich schneller reaktiviert werden, als bei einer Erstinfektion. Die humorale Immunreaktion bei einer Zweitinfektion ist daher schneller und stärker.
Man bezeichnet dieses
Phänomen als "immunologisches Gedächtnis". Die Bildung von memory cells ist nicht auf B-Zellen
beschränkt, auch aktivierte T-Zell-Klone bilden langlebige memory cells aus.
Zusammengefasst ist die Keimzentrumsreaktion notwendig für Affinitätsreifung, class switch und die Bildung von memory cells.
Pharmakologische Querverstrebung: Hemmung der Kostimulation durch den CD40L-bindenden Antikörper Frexalimab hemmte in einer Phase 2-Studie die Bildung von ZNS-Läsionen bei schubförmig verlaufender Multipler Sklerose.
Eine Reihe
von Pathogenen, z. B. Mycobakterien und Leishmanien, sind in der Lage, intrazellulär zu überleben.
Mycobacterium tuberculosis ist das Musterbeispiel
für Bakterien, die von (Alveolar-) Makrophagen zwar über TLR‑2
erkannt und phagozytiert, aber zunächst nicht abgetötet werden. Sie
vermehren sich sogar in den Phagosomen, geschützt vor Antikörpern.
Als Antwort auf diese Bedrohung hat die Evolution einen Mechanismus
entwickelt, Makrophagen in einen qualitativ veränderten, "aktivierten"
Zustand zu versetzen, in denen es ihnen doch gelingt, mit den Erregern
fertig zu werden. TH1-Zellen erledigen diese Spezialaufgabe
mit Hilfe des Signalmoleküls Interferon-γ (IFNγ).
Auch
wenn Mycobakterien intrazellulär überleben und sich vermehren können,
werden doch immer wieder Bakterien abgebaut. Mycobakterienpeptide
werden dadurch von dendritischen Zellen und Makrophagen, z. B. in
einem Hiluslymphknoten, gemeinsam mit kostimulatorischen B7-Molekülen
in relativ hoher Dichte auf MHC-II präsentiert. Erkennt eine vorbeikommende
naive (CD4+) T-Zelle diese Peptide, wird sie aktiviert. Durch die
zusätzlich von der präsentierenden Zelle produzierten Zytokine IL‑12
und IFNγ entwickelt sie sich zu einer TH1-Zelle und
geht in eine Phase der klonalen Expansion.
Die entstehenden TH1-Effektorzellen durchstreifen
die Gewebe. Treffen sie auf Mycobakterienpeptid-präsentierende Makrophagen,
was im typischen Fall natürlich im Lymphknoten selbst und im ersten
Infektionsherd in der Lunge geschieht (zusammen "Primärkomplex"
genannt) exprimieren sie IFNγ und ein Oberflächenmolekül, CD40-Ligand.
Der präsentierende Makrophage erkennt IFNγ mit seinem entsprechenden
Rezeptor und CD40-Ligand mit dem Partnermolekül CD40, und beide Zellen
reagieren auf die Interaktion mit der Freisetzung von TNF-α.
Diese Dreifachstimulation des Makrophagen löst eine Reihe von Effekten aus:
·
bessere Verschmelzung der Phagosomen
mit Lysosomen
·
Produktion des bakterizid wirkenden
NO durch die induzierbare NO-Synthase (iNOS)
·
Bildung von zahlreichen reaktiven Sauerstoffverbindungen
·
Induktion antimikrobieller Peptide
TH1-Zellen koordinieren die Immunantwort durch
weitere Zytokine. Sie beschleunigen ihre eigene Proliferation durch
IL-2. Naive T-Zellen exprimieren nur die β und γ-Kette des IL‑2-Rezeptors, doch weder die α-Kette
(CD25) noch IL‑2 selbst. Die Aktivierung leitet die Expression
dieser beiden Proteine ein; mit Hilfe der α-Kette wird der hochaffine
IL‑2-Rezeptor zusammengesetzt. IL-3 und GM-CSF treiben die Nachproduktion
neuer Phagozyten im Knochenmark an. CCL2 (monocyte
chemotactic protein) lockt neue Makrophagen an den Infektionsherd.
Das sowohl aus Makrophagen wie aus TH1-Zellen stammende
TNF-α verändert das Gefäßendothel, sodass Monozyten im Blutstrom
die "Ausstiegsstelle" erkennen. Sollte das Abtöten der Bakterien
nicht gelingen, lösen weitere Mechanismen, wie die Expression von
Fas-Ligand, Apoptose aus. Ein Teil der Erreger wird im Abbau-Sturm
untergehen, für den Rest bekommt der nächste Makrophage seine Chance.
Pharmakologische Querverstrebung: Ciclosporin A und Tacrolimus wirken immunsuppressiv hauptsächlich durch Interferenz
mit der IL-2-Rückkoppelungsschleife. Sie verhindern die Expression
von IL‑2 und damit die Proliferation einer aktivierten T-Zelle
zu einem Effektorzellklon. Alle Effektor-T-Zelltypen sind in ihrer
Proliferation von autokrinem IL-2 abhängig; Treg-Zellen benötigen zwar IL‑2, können es aber
nicht selbst produzieren.
Auch TH1-Zellen bilden memory cells. Diese sind für das harte, rote Hautknötchen im Fall
eines positiven Mendel-Mantoux-Test verantwortlich, wenn das Immunsystem
vorher schon einmal in Kontakt mit Tuberkelbakterien war.
TH2-Zellen haben ihre Hauptfunktion
in der Abwehr von Parasiten, besonders von Würmern. In vielen Weltgegenden sind Wurminfektionen ein
ständiger Begleiter der Menschen. Helminthen sind zu groß, um phagozytiert zu
werden, es benötigt also eine andere Abwehrstrategie. Eine Wurminfektion, die
häufig den Darm betrifft, führt dazu, dass dendritische Zellen, z. B. in GALT
und mesenterialen Lymphknoten, Peptide aus Wurmproteinen auf MHC-II gemeinsam
mit kostimulatorischen B7-Molekülen präsentieren. Wie dendritische Zellen in
dieser Situation aktiviert werden, ist noch nicht ausreichend geklärt, doch
spielen dabei sowohl Stoffwechsel- und andere Produkte der Helminthen, wie auch
Zytokine des geschädigten Epithels –als DAMPS, danger associated molecular patterns-- eine Rolle.
Die in einer Wurminfektion parallel mit TH2-Zellen
entstehenden, ebenfalls IL‑4-produzierenden TFH-Zellen
bewirken in der Keimzentrumsreaktion eine effiziente Umschaltung zur Produktion
von IgE. IgE wird von hochaffinen Fc-ε-Rezeptoren auf Mastzellen,
basophilen und eosinophilen Granulozyten gebunden. Kontakt mit dem Wurm führt
zur Quervernetzung des auf Mastzellen gebundenen IgE. Mastzellen schütten
darauf ihre Granula aus, die Histamin und andere für eosinophile Granulozyten
chemotaktisch wirkende Moleküle enthalten. IL‑5 aus TH2-Zellen
verstärkt die Aktivierung und die Nachproduktion von Eosinophilen. Eosinophile
Granulozyten umringen den Wurm in großer Zahl und binden über IgE an dessen
Oberfläche. Diese Quervernetzung führt zur Ausschüttung der äußerst toxischen
basischen Proteine (major basic protein),
sodass es manchmal gelingt, den Wurm abzutöten.
IL-13 wirkt auf das benachbarte Epithel. Es
stimuliert dessen Proliferation, sodass mehr alte Zellen pro Zeiteinheit
abschilfern und manche infizierenden Helminthen damit ihren Halt verlieren. IL‑13
regt auch die Schleimbildung an, sodass Parasiten im Schleim-Gegenstrom eher vom
Epithel abgehalten und weggespült werden. Das wird durch eine Verstärkung der
Kontraktion glatter Muskulatur noch unterstützt. IL-13 und IL‑4 gemeinsam
können Makrophagen "alternativ" aktivieren (im Gegensatz zur "klassischen"
Aktivierung durch IFNγ). Die so entstehenden M2-Makrophagen fördern die
Reparatur des geschädigten Gewebes.
Leider gelingt es durch diese Mechanismen in
der Regel nicht, infizierende Helminthen ganz aus dem Organismus zu
eliminieren, doch wird häufig zumindest ein einigermaßen stabiler Gleichgewichtszustand
erreicht.
Menschen, die auf Bauernhöfen in Kontakt mit
Nutztieren aufwachsen, entwickeln weniger Allergien. Die Hygienehypothese postuliert, dass die Menschen in den reichen
Ländern unseres Planeten "zu wenig" den parasitären Erkrankungen
ausgesetzt sind, für die unsere Abwehr vorbereitet ist. Das "unausgelastete"
Parasitenbekämpfungssystem richtet sich unter diesen Umständen leichter gegen
"Bedrohungsattrappen" wie z. B. Pollen. Bei allergischem Asthma
tragen die starke Schleimbildung und die Kontraktion glatter Muskulatur im
Sinne einer spastischen Bronchitis zur Symptomatik bei.
Pharmakologische Querverstrebung: Wenn andere therapeutische Ansätze keine
ausreichende Besserung bringen, können monoklonale Antikörper versucht werden:
·
Omalizumab: bindet und beseitigt IgE, bei allergischem Asthma
und chronischer Urtikaria.
·
Mepolizumab, Reslizumab: bindet und beseitigt IL‑5, bei
eosinophilem Asthma.
·
Benralizumab: bindet an den IL‑5-Rezeptor auf
Eosinophilen und verhindert dessen Aktivierung durch IL‑5. Zusätzlich
killen NK-Zellen die eosinophilen Granulozyten via ADCC. Bei eosinophilem
Asthma.
·
Dupilumab: bindet an die α-Kette des IL‑4-Rezeptors,
sodass gleichzeitig die Wirkung von IL‑4 und IL‑13 blockiert ist. Bei
schwerer Ausprägung von atopischer Dermatitis, Asthma und chronischer
Rhinosinusitis mit Polypenbildung.
In der frühen Phase einer Infektion durch Bakterien
oder Pilze kann eine Kombination von IL‑6 und TGFβ aus aktivierten
dendritischen Zellen im Lymphknoten naive T-Zellen zur Differenzierung zu TH17-Zellen
aktivieren. Ihr absurder Name rührt von der Tatsache her, dass sie weder IL‑4
noch IFNγ sezernieren, aber große Mengen von IL‑17 (der Name TH3
war bereits für eine Untergruppe der regulatorischen T-Zellen vergeben).
Für die Expansion und
Funktion von TH17-Zellen ist IL-23 notwendig, das den TH17-typischen
Transkriptionsfaktor stabilisiert und damit die Produktion der TH17-Hauptwerkzeuge
IL‑17 und IL‑22 treibt. Effektor-TH17-Zellen verlassen den Lymphknoten und migrieren zum
Infektionsherd. Dort treffen sie wieder auf ihre spezifischen Antigen-Peptide,
die ihnen von Makrophagen auf MHC-II präsentiert werden, und sezernieren
daraufhin IL‑17 und IL‑22. Der Großteil aller Zellen exprimiert IL‑17-Rezeptoren.
Epitheliale Zellen, z. B. Keratinozyten, und Fibroblasten im Infektionsgebiet
reagieren darauf mit der Ausschüttung bestimmter Chemokine, die neutrophile
Granulozyten anlocken, sowie der Ausschüttung von GM‑CSF und G‑CSF,
die Produktion und Freisetzung von Neutrophilen im Knochenmark ankurbeln. Die
Kombination von IL‑17 und IL‑22 bringt Keratinozyten dazu, Defensine
zu produzieren, die Pathogene abtöten können. Außerdem beschleunigt sie die
Proliferation und Abschilferung von Epithelzellen, sodass es Erregern schwerer
gemacht wird, anzuheften. In Summe verstärken TH17-Zellen also
nicht-adaptive Abwehrmechanismen, so wie Antikörper nicht-adaptive Abwehrmechanismen
verstärken.
Das klingt im ersten Moment nicht besonders
beeindruckend, doch sehen wir uns an, was passiert, wenn das System nicht
funktioniert: TH17-Zellen spielen eine besondere Rolle dafür, den uns immer kolonisierenden Pilz Candida albicans unter Kontrolle zu halten. Defekte in IL-17 oder dem IL-17-Rezeptor führen zu mucocotaner Candidiasis mit schwersten Candida-Infektionen von Haut, Nägeln sowie oralen und genitalen Schleimhäuten.
Pharmakologische
Querverstrebung: Keratinozyten können also durch IL‑17 zu Abwehrmaßnahmen inklusive
verstärkter Proliferation motiviert werden. Umgekehrt hat sich gezeigt, dass
hinter den Hauterscheinungen bei Psoriasis (Schuppenflechte) häufig eine IL‑17-Wirkung
steht. Monoklonale Antikörper gegen IL‑17 wie Secukinumab sind sehr
wirksam gegen Psoriasis, fördern aber durch ihren Wirkmechanismus das Angehen
respiratorischer Infekte und die Neigung zu Candida-Infektionen. Auch Ustekinumab,
das IL‑23 bindet und neutralisiert, wirkt sich auf diese Endstrecke aus
und wird gegen Psoriasis eingesetzt.
Zytotoxische T-Zellen können virusproduzierende Zellen und viele Tumorzellen zerstören.
Viren befallen oft nur spezifische Zellpopulationen.
Im peripheren Gewebe ist eine
Virusinfektion für naive T-Zellen aber nicht erkennbar. Wie erreicht
also die Information des Virusbefalls naive T-Zellen? Viele Gewebe
enthalten dendritische Zellen ("professionelle APC"), die
die Fähigkeit besitzen, nach Virusinfektion in den Lymphknoten zu
wandern und dort Virusantigene zu präsentieren. Dort präsentiert die
APC via MHC-I in der Zelle entstandenes Virusmaterial naiven CD8+T-Zellen.
Kommt die "richtige" Zelle vorbei, wird sie aktiviert, beginnt
zu proliferieren und bildet einen zytotoxischen T-Zellklon mit Spezifität
für die Kombination von eigenem MHC-I mit Virusantigen. Die fertigen
Effektorzellen zirkulieren durch alle Gewebe und kontrollieren alle
Zellen, an denen sie vorbeikommen. Erkennen sie eine Zelle, die das
Viruspeptid auf MHC-I präsentiert, leiten sie in der entsprechenden
Zelle Apoptose ein. Dazu besitzen sie zwei Mechanismen.
Der erste besteht in der Sekretion von Perforin und Granzymen.
Beide sind in Granula gepeichert und werden nach Antigenerkennung
freigesetzt. Perforin schleust die Granzyme ins Zellinnere.
Dort aktivieren sie Caspasen, spezifische Proteasen, die
die Apoptosemaschinerie in Gang setzen.
Der zweite Mechanismus der Apoptoseeinleitung ist die
Induktion des Oberflächenmoleküls Fas-Ligand. Wenn die virusbefallene
Zielzelle das Partnermolekül Fas auf der Oberfläche exprimiert, genügt
der Kontakt zwischen Fas-Ligand und Fas, um in der Zielzelle Caspasen
zu aktivieren. Die zytotoxische T-Zelle selbst wird durch diese Vorgänge
nicht berührt. Sie geht alsbald auf die Suche nach der nächsten befallenen
Zelle.
Die Funktion von zytotoxischen T-Zellen ist nicht auf virusinfizierte
Zellen beschränkt. Falls z. B. ein maligne entarteter
Zellklon ein Peptid auf MHC-I präsentiert, das dem Immunsystem nicht bekannt
ist, kann dieser Tumorzellklon eine zytotoxische T-Zell-Antwort auslösen unter
der Voraussetzung, dass er auch ko-stimulatorische Moleküle exprimiert. Leider
ist das nicht regelmäßig der Fall.
Da das Erkennen von Abweichungen in Zellen an die Funktion von MHC-I gebunden ist ("MHC-I-restringiert"
ist), wird auch klar, dass es einen Mechanismus geben muss, der Zellen
beseitigt, die nicht ausreichend MHC-I bilden, um ihren Inhalt zuverlässig
überwachen zu können. Diesen Reservemechanismus stellen NK-Zellen
dar (Kein Ausweis?— Rübe ab!).
Ziel der zytotoxischen Immunantwort ist es, durch Zerstören
der befallenen Zellen die Vermehrung des Virus zu stoppen. Normalerweise
können die so eintretenden Zellverluste leicht durch Proliferation
nicht-befallener Zellen wieder ausgeglichen werden. Wenn Virusbefall
und die zytotoxische Immunantwort aber massiv ausfallen, kann es zu
schweren Schäden kommen, die eigentlich nicht durch das Virus, sondern
erst durch die Abwehr bedingt sind. Ein Beispiel dafür ist eine akute
gelbe Leberdystrophie bei Hepatitis-B-Infektion.
Im Prinzip sind
zytotoxische T-Zellen auch in der Lage, Tumorzellen zu zerstören. Die Haupteinschränkung dabei ist, dass
Tumorzellen "Selbst"-Zellen sind und unsere T-Zellen im Thymus ja so selektiert
wurden, dass sie "Selbst"-Zellen in Ruhe lassen. Zu diesem
Punkt benötigen wir daher eine
Menge Kleingedrucktes, mit dem wir uns erst später auseinandersetzen, wenn
wir uns mit der Krebsentstehung beschäftigen. Hier beschränken wir uns auf die Feststellung, dass es
Krebszellen oft gelingt, sich vor angreifenden T-Zellen zu schützen, indem sie
den T-Zellen im letzten Moment "auf den Off-button hauen". Durch eine direkte Interaktion aktivieren
sie einen Mechanismus, den wir immune checkpoint nennen und der die T-Zellen
auf der Stelle stoppt.
Pharmakologische Querverstrebung:
Zu den neueren Pfeilen in unserem Krebstherapie-Köcher gehören monoklonale Antikörper, welche diese Inaktivierung von Antitumor-T-Zellen verhindern. Sie werden als immune checkpoint blockers bezeichnet. Beispiele sind:
·
Nivolumab (Antikörper blockiert PD‑1)
·
Pembrolizumab (Antikörper blockiert
PD‑1)
· Atezolizumab (Antikörper blockiert PD‑L1)
·
Ipilimumab (Antikörper blockiert
CTLA‑4)
Allerdings schützen sich auf diese Weise nicht nur Tumorzellen; auch ganz normale Körperzellen schützen sich mit diesem Mechanismus vor ungerechtfertigten Angriffen durch grenzwertig autoimmun wirksame T-Zellen. Der Einsatz dieser Antikörper zur Krebstherapie führt damit oft zu autoimmunen Entzündungen der Haut, Gastroenteritis, Hepatitis, Pneumonitis, Diabetes, Uveitis oder sogar Myokarditis, die einen Therapieabbruch erzwingen.
CAR-T-Zell-Therapie. T-Zellen wären also eigentlich sehr geeignete Waffen, um maligne Zellen zu bekämpfen, doch wurden im Thymus gerade die "Selbst"-erkennenden T-Zell-Rezeptoren eliminiert. Die Idee ist nun, den T-Zell-Rezeptor durch einen künstlichen Rezeptor zu ersetzen, der einerseits ein "Selbst"-Protein auf der malignen Zelle erkennt, andererseits die Signaltransduktion des T-Zell-Rezeptors in Gang setzen kann. Dieses künstliche Protein nennen wir CAR (chimeric antigen receptor). Das gentechnisch hergestellte Transmembranprotein hat als extrazelluläre Domäne den variablen Anteil eines Antikörpers in single-chain-Form, in der intrazellulären Domäne einen Teil der CD3-ζ-Kette sowie Teile von kostimulatorischen Proteinen wie CD28. Man produziert also künstlich einen massiv autoreaktiven zytotoxischen T-Zell-Klon. Es ist natürlich notwendig, das erkannte Antigen klug auszuwählen: Im Idealfall ist dieses nur auf den malignen Zellen, nicht aber auf anderen Zellen exprimiert. Ein Beispiel wäre CD19. Dieses wird nur auf B-Zellen und damit auf den meisten Non-Hodgkin-Lymphomen inklusive B-Zell-Leukämien exprimiert. Die Therapie eines solchen Patienten beginnt, indem man am Blutzellseparator Lymphozyten abnimmt und zytotoxische T-Zellen durch einen retroviralen Vektor mit dem Gen für den anti-CD19-CAR ausstattet und vermehrt. Damit die CAR-T-Zellen nachher mit ihrem dem Immunsystem unbekannten Bestandteilen nicht gleich niedergemacht werden, ist es anschließend leider notwendig, die Lymphozyten des Patienten zu depletieren. Das ist durch die Gabe von Alemtuzumab gegen CD52 möglich, das von allen reifen Lymphozyten exprimiert wird. Nach 3-4 Wochen werden die anti-CD19-CAR-T-Zellen dem Patienten infundiert. Diese killen alle Zellen, die CD19 tragen; also Tumor- aber auch normale B-Zellen. Eine der Gefahren dabei ist ein "Zytokinsturm" aus den beteiligten Zellen. Bisher sind lediglich Verfahren gegen B-Zell-Neoplasien – gegen CD19 und einen zweiten B-Zellmarker –zugelassen. Gearbeitet wird an CAR-T-Zellen gegen solide Tumoren. Die Verfahren sind prohibitiv teuer – €250.000 bis €500.000 pro Patient –, vor allem durch die notwendigen klinischen Studien zur Sicherheit des verwendeten Retrovirus. An billigeren, einfacheren Verfahren zur Integration das CAR-Gens – ohne Retrovirus – wird gearbeitet. CRISPR/Cas plus homologe Rekombination wäre eine Variante, die auch erlauben würde, eine genomische Integrationsstelle gezielt anzusteuern.
In manchen Tiermodellen für Autoimmun- oder Transplatatabstoßungsreaktionen kann man den Effekt einer Antigen-spezifischen T-Zellpopulation beobachten, die den gewebsschädigenden Effekt anderer T-Zellklone unterdrückt und damit der Autoimmunreaktion bzw. der Transplatatabstoßung entgegenwirkt.
So kann der Transfer eines bestimmten, Insulin-spezifischen T-Zellklons in die NOD-Maus (Non-Obese Diabetic mouse, ein Modell für Typ I Diabetes), die Zerstörung von β-Zellen durch autoreaktive T-Zellen verhindern. Diese sogenannten regulatorischen T-Zellen üben ihre Wirkung direkt in den Inseln aus, hauptsächlich durch Freisetzung von TGF-β und IL-10, die andere T-Zellen in ihrer Funktion hemmen. Regulatorische T-Zellen sind meist CD4+ und zeigen einen aktivierten Zustand, d. h. sie exprimieren die α-Kette des IL-2-Rezeptors, CD25. Viele sind charakterisiert durch die Expression des Transkriptionsfaktors forkhead box P3 (FOXP3). Mutationen im FOXP3-Gen führen zu einem schweren Krankheitsbild mit multiplen Autoimmunphänomenen, dem IPEX-Syndrom (Immunodysregulation, Polyendocrinopathy and Enteropathy, X-linked), das häufig in den ersten Lebensmonaten oder -Jahren zum Tod führt, wenn es nicht gelingt, früh eine Stammzelltransplantation durchzuführen.
Es gibt also neben immunstimulierenden T-Zell-Arten, wie T-Helfer-Zellen und zytotoxischen T-Zellen, noch weitere T-Zellpopulationen, die den gegenteiligen Effekt haben. Diese Zellen wurden daher einige Jahre als T-Suppressorzellen bezeichnet. Wie aus dem NOD-Beispiel ersichtlich, ist der Nachweis solcher Zellen nur in sehr komplexen Modellen möglich, die meist verschiedene Interpretationen zulassen. In einer Phase erheblicher Zweifel geriet der Name T-Suppressorzellen in Verruf; heute, mit aufgrund neuer Daten neu gestärkter Zuversicht, spricht man lieber von regulatorischen T-Zellen (Treg).
Manche regulatorischen T-Zellen differenzieren bereits im Thymus (natural Treg), andere erst in der Peripherie (induced Treg), ausgehend von naiven CD4+ T-Zellen. Wenn in der Peripherie alles ruhig ist, gelangen keine aufregenden Zytokine in den Lymphknoten: kein IL‑6, kein IL‑4, kein IL‑12 und kein IFNγ. In den Lymphknoten gelangen nur entspannte, unaufgeregte, dendritische Zellen mit wenig kostimulatorischen Molekülen, die lediglich etwas TGFβ und "langweilige" Selbst-Peptide präsentieren. In dieser Normalsituation scheinen naive T-Zellen dazu angeregt zu werden, regulatorische T-Zellen zu werden, die Immunantworten gegen Selbst verhindern: ein Wachdienst zur Aufrechterhaltung des Status quo.
Die
Bedeutung dieser regulatorischen T-Zellen beim Menschen, die Bedingungen
für ihre Entstehung –wann entstehen aktivierende T-Helferzellen, wann
bremsende regulatorische T-Zellen?-- und die Mechanismen ihrer regulatorischen
Funktion bleiben weiterhin unzureichend verstanden und Gegenstand
intensiver Forschungsbemühungen.
Die bisher besprochenen T-Zell-Unterarten exprimieren
jeweils α:β-T-Zell-Rezeptoren. γ:δ-T-Zellen sind
in ihrer Funktion noch nicht geklärt. Sie kommen vor allem in Epithelien
der Körperoberfläche (Haut, Darm) vor und exprimieren einen TCR, der
aus durch Rearrangement entstehenden γ- und δ-Ketten aufgebaut
ist. Trotzdem ist die Vielfalt der so entstehenden
Rezeptoren gering, und die meisten Rezeptoren scheinen funktionell
homogen zu reagieren. Diese Rezeptoren sind nicht auf präsentierenden
MHC angewiesen und erkennen anscheinend größere Moleküle statt kleiner
Peptide. Wahrscheinlich erkennen die Rezeptoren nicht das mikrobielle
Antigen, sondern eine uniforme Veränderung des Epithels, die im Lauf
verschiedener Infektionen auftritt. Viele γ:δ-T-Zellen erkennen
z. B. heat shock- oder Stressproteine,
die bei vielen exogenen Irritationen auf Epithelzellen auftreten.
Eine weitere ungewöhnliche T-Zell-Unterart stellen NKT-Zellen (Natural Killer T
cells) dar. Sie exprimieren einen weitgehend invarianten α:β-T-Zell-Rezeptor,
der nicht Peptide, sondern Lipide und Glykolipide erkennt. Diese Selbst- und Fremdlipide
werden ihnen nicht auf den normalen MHC-Molekülen, sondern auf dem MHC‑I-ähnlichen
Molekül CD‑1d präsentiert. Auf diese Stimulation reagieren NKT-Zellen mit
der Freisetzung von Zytokinen.
Durchflusszytometrie, FACS
Es gibt viele Situationen, in denen man aus diagnostischen
Gründen mehr über die Zusammensetzung der Lymphozyten in Blut, Knochenmark
oder einer anderen Körperflüssigkeit wissen möchte. Leider kann man
die Transmembranproteine, die die funktionellen Unterschiede widerspiegeln,
im Mikroskop nicht sehen. Trotzdem ist es möglich, diese Art von Informationen
zu erhalten, wenn auch mit beträchtlichem technischen Aufwand. Das
dazu benötigte Gerät heißt Durchflusszytometer oder englisch FACS
(fluorescence-activated cell sorter). Es existieren zwei Ausbaustufen:
die einfachere Version kann Zellen nur analysieren; die zweite Ausbaustufe,
auf die sich die Bezeichnung FACS eigentlich bezieht, kann Zellen
auch sortieren, das heißt, Zellen gezielt in verschiedene Röhrchen
einfächern.
Eine
praktisch häufig benötigte Untersuchung ist die Bestimmung der Zahl
der CD4+ und CD8+ Lymphozyten, z. B. zur Beurteilung des Therapieerfolgs
von HIV-Patienten. Man nimmt dem Patienten ein Röhrchen Blut ab und
"färbt" die Zellen mit monoklonalen Antikörpern gegen CD4
und CD8, wovon der eine mit einem grün, der andere mit einem rot emittierenden
Fluoreszenzfarbstoff gekoppelt ist. Die Erythrozyten werden lysiert,
sodass nur die Leukozyten im FACS analysiert werden. Das Medium mit
den Leukozyten wird durch eine dünne, vibrierende Düse senkrecht nach
unten gespritzt. Unmittelbar unter der Düse scheint ein kurzwelliger
Laser durch den Flüssigkeitsstrahl. Trifft eine Zelle auf das Laserlicht,
wird dieses in verschiedene Richtungen gestreut; falls die Zelle Fluorochrom-markierte
Antikörper gebunden hat, regt das Laserlicht auch die Emission von
Fluoreszenzlicht an. Vier Aspekte dieses Ereignisses werden durch
vier verschiedene Detektoren registriert:
1.
Forward scatter,
Streuung des Laserlichts in Lichtrichtung, korreliert mit der Größe
der Zelle.
2.
Side scatter, Streuung zur Seite, korreliert mit der Granularität
der Zelle.
3.
Grünes Fluoreszenzlicht.
4.
Rotes Fluoreszenzlicht.
Auf diese Weise werden in wenigen Sekunden 10.000 Zellen
analysiert, wobei für jede dieser Zellen die beschriebenen vier Lichtintensitäten
festgehalten werden. Mit diesen Daten ist es möglich, die Hauptleukozytenpopulationen
anhand der Intensität von forward und side scatter
in einem dot plot zu identifizieren:
die neutrophilen Granulozyten sind relativ groß (hoher Wert im forward scatter) und sehr granulär (hoher
Wert im side scatter); die
Monozyten sind ebenfalls groß, aber weniger granulär; die Lymphozyten
sind klein und homogen. In einem zweiten Analyseschritt überprüft
man die so identifizierten Lymphozyten im Hinblick auf die mitregistrierten
Fluoreszenzwerte: es stellt sich heraus, dass es unter diesen Lymphozyten
grüne, rote sowie solche gibt, die weder grünes noch rotes Fluoreszenzlicht
emittieren. Grün fluoreszierende Lymphozyten sind also CD4+ Lymphozyten,
da sie den Antikörper gegen CD4 gebunden haben. Rote Lymphozyten sind
CD8+ Lymphozyten. Lymphozyten, die weder grün noch rot fluoreszieren,
haben keinen der beiden Antikörper gebunden und können B-Lymphozyten,
γ:δ-Zellen oder NK-Zellen sein.
Das Sortieren von Zellen wird dadurch ermöglicht, dass
der zellhaltige Flüssigkeitsstrahl durch das Vibrieren der Düse bald
in einzelne Tröpfchen genau definierter Größe zerbricht. Nur jedes
zehnte oder zwanzigste dieser Tröpfchen enthält eine Zelle. Durch
den vorgeschalteten Laser mit Detektoren "weiß" die FACS-Elektronik,
wann ein Tröpfchen mit einer Zelle mit bestimmten Charakteristiken
abreißt. Unmittelbar vor es abreißt, kann sie der Düse –und damit
dem Tröpfchen— noch eine elektrische Spannung anlegen. Reißt das Tröpfchen
ab, nimmt es die zu diesem Zeitpunkt bestehende elektrische Ladung
mit sich. Will man z. B. CD4+ und CD8+ Lymphozyten für weitere Untersuchungen
von den anderen Leukozyten abtrennen, kann man Tröpfchen mit grün
fluoreszierenden (CD4+) Zellen eine positive, rot fluoreszierenden
(CD8+) eine negative Ladung mitgeben. Beidseits des weiteren Weges
des Tröpfchenstrahls sind elektrisch geladene Ablenkplatten angeordnet,
die die negativ geladenen Tröpfchen in die eine, die positiven in
die andere Richtung ablenken. CD4+ Zellen fallen damit z. B. in das
rechte Röhrchen, CD8+ Zellen in das linke, alle anderen Zellen –B-Lymphozyten,
NK-Zellen, Granulozyten, Monozyten— erhalten keine Ladung, werden
nicht abgelenkt und fallen ins mittlere Röhrchen. Diese Methodik ist
selbstverständlich nicht auf CD4+/CD8+ Zellen oder Lymphozyten beschränkt;
mit ihr kann man jede Zellpopulation sortieren, die mit Hilfe von
monoklonalen Antikörpern definiert werden kann.
Wollen wir wissen, ob ein Patient TH1-Effektorzellen
gegen, angenommen, Mycobacterium
tuberculosis hat, können wir das mit einem enzyme-linked immunospot (ELISPOT)-Test herausbekommen (auch als IGRA, Interferon-γ release assay, oder T-spot bezeichnet). Der Test
funktioniert wie ein ELISA mit eingestreuten Lymphozyten. Zunächst beschichten
wir unsere Mikrotiterplatte mit einem Auffang-Antikörper gegen IFNγ. Wir
stimulieren aus Patientenblut angereinigte mononucleäre Zellen mit definierten
Proteinen von M. tuberculosis, sodass
die antigenpräsentierenden Zellen Gelegenheit haben, diese Peptide den
Lymphzyten auf ihrem MHC zu präsentieren. Anschließend verteilen wir die Zellen
über die Mikrotiterplatte und inkubieren sie in Zellkultur. Falls TH1-Effektorzellen
vorhanden sind, welche die M.
tuberculosis-Peptide erkennen, wurden diese aktiviert und sezernieren nun
IFNγ, das unmittelbar vom Antikörperrasen immobilisiert wird, auf dem die
Zellen sitzen. Dann waschen wir die Zellen weg und färben mit dem üblichen Enzym-tragenden
Sekundärantikörper und Substrat. Ist der Test positiv, wird ein kleiner Farbspot
für jede M. tuberculosis-spezifische
TH1-Zelle sichtbar. Die relative Häufigkeit antigenspezifischer
Zellen wird mit Hilfe des Verhältnisses zwischen positiven Zellen und der
Gesamtzahl ausgesäter Zellen geschätzt.
Der ELISPOT-Test kann auch dazu benützt
werden, die Häufigkeit von B-Zellen zu bestimmen, die Antikörper gegen ein
spezifisches Antigen sezernieren.
Das lokale Immunsystem überwacht die
riesigen inneren Grenzflächen des Organismus nach außen: die zarten
Schleimhäute des Gastrointestinaltrakts, der Atmungswege und des Urogenitaltrakts.
Besonders die Darmschleimhaut kommt mit ungeheuren Mengen von potentiell
antigen wirksamem Fremdmaterial in Berührung, das überwiegend harmlos
ist und toleriert werden muss, während es jederzeit auf das Auftauchen
von Pathogenen überwacht werden muss. Analog der systemischen, besteht
die lokale Immunität aus unspezifischen und adaptiven Komponenten.
Zur unspezifischen Abwehr des Darms
tragen Paneth-Zellen bei, die am Grund der Krypten zwischen den epithelialen
Stammzellen sitzen und diese schützen. Paneth-Zellen erkennen Pathogene
über Toll-like receptors und reagieren mit Ausschüttung
von Defensinen und Lysozym. Defensine sind kurze Peptide mit hydrophoben,
positiv geladenen Enden, die sich in Erregermembranen einpflanzen
und porenartige Strukturen bilden, welche die Funktion von Bakterien
und Pilzen stören. Lysozym ist ein Enzym, das die Peptidoglykanschicht
bakterieller Zellwände angreift. Es ist auch in vielen anderen Schleimhautsekreten
enthalten, wie z. B. Tränenflüssigkeit, Speichel und Muttermilch.
Adaptive Mechanismen der lokalen Immunität sorgen für eine auf die Schleimhäute beschränkte und spezialisierte Immunantwort. Wie die systemischen Mechanismen beruhen sie auf den besprochenen Funktionen von dendritischen Zellen, T- und B-Zellen; der wesentlichen Unterschied liegt darin, dass im Schleimhautsystem aktivierte Lymphozyten nach ihrer klonalen Expansion und der Reise durch das Blut wieder in Schleimhautgebiete zurückkehren.
Peyer-Plaques und IgA wurden bereits besprochen. Peyer-Plaques stellen organisiertes lymphatisches Gewebe in der Wand des Dünndarms dar. Ihr spezialisiertes Epithel enthält zahlreiche M-Zellen, die komplexes Material aus dem Darm transzytotisch in die Lamina propria transportieren. M-Zellen haben eine stark gefältelte basolaterale Membran, die flächigen direkten Kontakt mit dendritschen Zellen und Lymphzyten ermöglicht. Manche dendritische Zellen drängen sogar einen Zellfortsatz zwischen die Enterozyten, um direkt Material aus dem Darmlumen aufzunehmen. Dendritische Zellen beladen sich also intensiv mit Antigenen des Darminhalts, die sie naiven T-Zellen entweder vor Ort, in der lamina propria, oder in mesenterialen Lymphknoten präsentieren. Während dieses Vorgangs werden die T-Zellen instruiert, spezielle Chemokinrezeptoren und Integrine zu exprimieren, die sie später, nach klonaler Expansion, in das Schleimhautsystem zurückleiten. Frisch aktivierte T-Zellen verlassen also den Peyer-Plaque oder den mesenterialen Lymphknoten, gelangen über Lymphgefäße und ductus thoracicus in das Blut, kehren aber, über den ganzen Körper verteilt, in verschiedene Schleimhautgebiete zurück, z. B. in jene der Atemwege, des Verdauungstrakts oder der aktiven Brustdrüse. In der Schleimhaut findet man T-Zellen in zwei Gebieten: direkt zwischen Epithelzellen (IEL, intraepithelial lymphocytes) und darunter, in der lamina propria.
IEL sind vorwiegend CD8+ T-Zellen. Ins Epithel werden sie durch ein spezielles Integrin mit Affinität zu E-Cadherin geleitet. E-Cadherin ist das wesentliche Adhäsionsprotein zur gegenseitigen Verankerung von Epithelzellen. Zusätzlich zu ihrem spezifischen T-Zell-Rezeptor exprimieren IEL den aktivierenden NK-Rezeptor NKG2D, der das Zellstress-induzierte MHC-I-verwandte Transmembranprotein MICA erkennt. IEL sind daher auch dazu befähigt, geschädigte Enterozyten über diesen unspezifischen Mechanismus zu erkennen und zu eliminieren.
Ein großer Anteil der T-Zellen in der lamina propria sind regulatorische T-Zellen (Treg), die besonders TGF‑β (transforming growth factor β) sezernieren. Diese Zellen sind wesentlich für die Aufrechterhaltung der immunologischen Toleranz gegenüber Lebensmittelantigenen und kommensalen Bakterien. Eine orale Aufnahme eines Proteinantigens macht eine systemische Immunreaktion gegen dieses Antigen wesentlich weniger wahrscheinlich. Diese "orale Tolerisierung" kann experimentell im Mausmodell durch Fütterung mit dem Hühnereiweiß Ovalbumin demonstriert werden: während eine Kontrollgruppe auf eine Ovalbumininjektion mit starker Antikörper-Produktion reagiert, reagieren die Ovalbumin-gefütterten Mäuse kaum. Beim Menschen ergab eine sorgfältig kontrollierte Studie, dass Kleinkinder, die frühzeitig Erdnussprodukte erhielten, im Alter von 5 Jahren seltener eine Erdnussallergie entwickelt hatten als eine Kontrollgruppe. Dieses Konzept der oralen Toleranz liegt Versuchen zugrunde, Pollenallergie durch sublinguale Verabreichung von Pollenantigen-Präparaten zu therapieren. Fehlfunktionen in der oralen Tolerisierung führen zu Erkrankungen wie inflammatory bowel disease und Zöliakie. TGF‑β aus Treg-Zellen der lamina propria stimuliert darüber hinaus B-Zellen in der Keimzentrumsreaktion zum class switch zu IgA.
Antigen-spezifische
B-Zellen produzieren also nach ihrer Aktivierung und Expansion in Peyer-Plaques
oder mesenterialen Lymphknoten für kurze Zeit IgM, wechseln aber rasch
zu IgA, rezirkulieren und kehren ebenfalls in die lamina
propria der Schleimhaut verschiedener Organsysteme zurück, um
dort große Mengen von IgA-Dimeren zu sezernieren. Dieser Mechanismus
erlaubt stillenden Müttern, schützendes IgA gegen selbst erlebte Darmpathogene
an ihre Säuglinge weiterzugeben. Dimeres IgA wird von epithelialen
Zellen, z. B. von Enterozyten oder Mammaepithelzellen, mit Hilfe des
Poly-Ig-Rezeptors aufgenommen und transzytotisch ins Lumen transportiert.
Dort wird es durch enzymatische Spaltung des Rezeptors freigesetzt.
Ein Teil des Rezeptors verbleibt als secretory component (SC) am IgA-Dimer, das in dieser Form als sekretorisches
IgA (sIgA) bezeichnet wird. SC schützt sIgA im Verdauungstrakt vor
dem proteolytischen Abbau. Seine starke Glykosylierung verankert und
konzentriert das sIgA in der dünnen Schleimschicht über dem Epithel.
sIgA verhindert den Kontakt von Bakterien, Viren und Toxinen mit deren
Rezeptoren auf Enterozyten. Zusätzlich ermöglicht der Transzytoseprozess,
bereits eingedrungene Erreger wieder hinter das Epithel zurückzuwerfen.
Das sIgA-Repertoire im Darm umfasst auch Antikörper gegen kommensale
Bakterien, Spezifitäten, die bei Gesunden im Serum nicht nachweisbar
sind. Diese Antikörper sind Teil unserer kooperativen Beziehung mit
den Kommensalen: "Leute, im Lumen könnt ihr treiben, was ihr
wollt, aber die Enterozyten lasst ihr bitte in Ruhe!"
Bei jeder Immunreaktion werden nicht nur reife Effektorzellen
gebildet, sondern einige der Zellen bleiben in einem zwar aktivierten,
aber nicht ausgereiften Stadium stehen, in dem sie über sehr lange
Zeit überleben können. Die Immunologie nennt diese Zellen memory cells (Gedächtniszellen). (Ausgereifte Effektorzellen haben nur eine sehr begrenzte Lebensdauer und sterben
anschließend durch Apoptose).
Bei einer Reinfektion mit demselben Erreger werden keine
neuen naiven B- oder T-Zellen aktiviert, sondern die Gedächtniszellen.
Das hat zwei Vorteile. Erstens dauert diese Reaktivierung nur ein
bis zwei, statt fünf oder mehr Tage. Zweitens haben die B-Gedächtniszellen
bereits eine Phase der Hypermutation hinter sich, sodass einige von
ihnen Antikörper mit höherer Affinität als die ursprünglichen produzieren
können. Nur solche mit höherer Affinität werden durch das erneut auftretende
Antigen selektiert, da die B-Zellrezeptoren der Gedächtniszellen in
direkter Konkurrenz mit den noch bestehenden
löslichen Antikörpern der Primärantwort um das Antigen stehen.
Sekundär-, Tertiärantworten etc. zeichnen sich also dadurch aus, dass sie schneller erfolgen und immer höheraffine Antikörper hervorbringen.
Impfungen sind die verbreitetste Anwendung der Immunologie.
Impfungen zielen darauf ab, das immunologische Gedächtnis zum Schutz
vor einer Ersterkrankung zu nutzen. Wie bei einer primären Immunreaktion
ist es wichtig, dass die Art der induzierten Immunantwort der Lokalisation
und den Pathogenitätsmechanismen des Erregers gerecht wird.
Die Krankheitserscheinungen von Diphtherie und Tetanus
werden ausschließlich durch ihre stark wirksamen Toxine vermittelt.
Bei diesen Krankheiten ist es daher gar nicht so wichtig, gegen den
Erreger vorzugehen. Von größter Bedeutung ist es aber, dass von vornherein
eine ausreichende Konzentration von neutralisierenden Antikörpern
gegen die Toxine vorhanden ist, sodass diese unwirksam werden.
Bei Polio ist es wichtig, das Virus
abzufangen, vor es die Zellen des Nervensystems befallen kann. Eine Bekämpfung
dort durch CD8+ T-Zellen käme zu spät. Daher sind neutralisierende
Antikörper noch im Darm oder im Serum unabdingbar. Gegen Polio wurden Mitte des
letzten Jahrhunderts kurz hintereinander zwei Impfstoffe entwickelt: der
inaktivierte Impfstoff nach Salk, der injiziert wird und die Bildung
neutralisierender IgG im Blut bewirkt, und der Lebendimpfstoff nach Sabin, der
in Form einer Schluckimpfung zu einer lokalen Immunität führt, bei denen das
Virus bereits im Lumen das Darms durch sekretorisches IgA abgefangen wird. Der
Lebendimpfstoff ist logistisch leichter anzuwenden (keine Nadeln, etc.), hatte
aber auch einen Nachteil: Der am wenigsten Abgesicherte der drei Virustypen (Typ
2; 10 von 7429 Nucleotiden verändert) löste durch Rückmutation in 1 unter
1,000.000 Neugeimpften Lähmungen aus (VAPP: vaccine-associated
paralytic polio. Dieser Virustyp wurde 2016 aus dem Impfstoff eliminiert,
da der Wildtyp nicht mehr zirkulierte und als ausgerottet betrachtet wurde). Man
erkannte erst mit der Zeit, dass Impfviren nicht nur bei den Geimpften, sondern
auch bei deren ungeimpften Kontaktpersonen "Impfinfektionen"
auslösten, also weiter gegeben wurden; ein zweischneidiges Schwert. Im
Nachhinein erwies sich die Entscheidung zum switch von der 3-Typen- zur 2-Typen-Lebendimpfung als ungünstig, da das zirkulierende
Typ 2-Impfvirus nun weniger Gegenwehr vorfand, sich effizienter ausbreiten
konnte und wieder pathogenere Varianten entwickeln konnte, sodass 2024 im Nahen
Osten wieder Typ 2-ausgelöstes Polio auftrat. In Österreich und vielen anderen
Ländern wurde nach Zurückdrängen von Polio vom Lebendimpfstoff auf den inaktivierten
Impfstoff umgestellt: In Ländern ohne lokale Polioerkrankungen, mit guter
medizinischer Infrastruktur und hoher Impfrate wäre das Risiko mutierter
attenuierter Impviren höher als jenes importierter Infektionen. In Ländern mit
weniger entwickelter Infrastruktur (Kühlkette? Nadelmangel?), geringeren
Impfraten und höherer Polio-Inzidenz verhindert der weitere Kreis an
Impflingen, den man durch die vereinfachte Logistik der Schluckimpfung
erreicht, wesentlich mehr echte Poliofälle als VAPP-Fälle verursacht werden; in
diesen Ländern ist daher die Anwendung des Lebendimpfstoffes die sinnvollere
Variante. Wenn es einmal gelungen sein wird, Polio vollständig zu eliminieren,
ist es jedoch notwendig, die Impfung auch in diesen Ländern rasch umzustellen,
um die Möglichkeit der Rückmutation eines attenuierten Virus zu einem
pathogenen Virus zu unterbinden.
Impfungen bringen objektiv Risiken
mit sich; die Diskussion darüber ist daher oft sehr emotional. Wesentlich
ist es, die jeweiligen Risiken bei einer Entscheidung für bzw. gegen
eine bestimmte Impfung zu quantifizieren und gegeneinander abzuwägen.
Betrachten wir das Beispiel Masern. Manchmal wird von Eltern die Ansicht
vertreten, Masern sei eine harmlose Kinderkrankheit, die man früher
auch leicht ohne Impfung überstanden habe; eine Impfung sei ein unnötiges
Risiko. Aus der Erfahrung des Einzelnen klingt das plausibel, doch
ist das die ganze Wahrheit? Der Masernimpfstoff ist ein Lebendimpstoff,
der zwei Ziele hat: die Induktion von zytotoxischen T-Zellen, sowie
die Induktion von neutralisierenden IgG. Ein kleines Risiko besteht:
viele Kinder bekommen Fieber,
manche bekommen Impfmasern,
eine stark abgeschwächte Form der Erkrankung mit erkennbarem Hautausschlag.
Es ist nicht völlig auszuschließen, dass durch eine Masernimpfung
extrem selten eine Masern-Encephalitis ausgelöst wird, doch
tritt ein mögliches solches Ereignis jedenfalls seltener als einmal
in einer Million Geimpften auf (bei so seltenen Ereignissen ist es
sehr schwer möglich, die Kausalität zu ermitteln). Wesentlich höher
sind die Risiken im Fall einer Masernerkrankung eines Nichtgeimpften.
Die häufigste Komplikation ist eine sehr schmerzhafte Otitis.
Mit einer Häufigkeit von 1:200 tritt eine Pneumonie
auf, für die wir im Gegensatz zu bakteriellen Lungenentzündungen keine
wirksamen Behandlungmöglichkeiten haben. Eine Masern-Encephalitis tritt mit einer Häufigkeit zwischen 1:1000 und
1:5000 auf; diese Komplikation hat eine Mortalität von etwa 15%,
und auch im Fall einer Heilung bleiben leider häufig Defekte zurück.
Zusätzlich radiert
eine Maserninfektion einen großen Teil aller memory cells aus, sodass die Kinder im Jahr danach leichter an
anderen Infektionen erkranken. Als schwerste Komplikation tritt sehr selten viele Jahre später die
tödliche subakut sklerosierende Panencephalitis
auf. Als konkrete Illustration des Risikos, das durch nicht-Impfung
entsteht, sei eine im Jahr 1999 in den Niederlanden dokumentierte
Masern-Epidemie erwähnt: Etwa
2300 erkrankte Personen (logischerweise fast ausschließlich Kinder von Impfgegnern)
wurden gemeldet. Drei Kinder starben, 53 mussten stationär aufgenommen
werden, davon 30 mit Pneumonie, 4 mit Encephalitis und 19 mit anderen
Komplikationen. 130 Personen wurden zu Hause wegen Lungenentzündung
behandelt, 152 mit Otitis media.
Solange es nur einzelne Personen sind, die sich aus Angst
vor dem Risiko einer Impfung nicht impfen lassen, profitieren diese,
ethisch nicht unproblematisch, doppelt: sie tragen selbst kein Risiko,
sind jedoch durch die Herdenimmunität der überwiegenden Mehrheit der
Geimpften geschützt. Wird der Anteil der Impfgegner allerdings zu
hoch, schlägt die Risikolage ins Gegenteil um, wie im Beispiel der
niederländischen Masernepidemie ersichtlich.
Zurück zu Impfmechanismen. Auch die für medizinisches
Personal äußerst wichtige Hepatitis-B-Impfung beruht auf der Induktion
neutralisierender Antikörper, sodass eventuell infizierende Viren
die Leberzellen gar nicht erreichen. Der Impfstoff besteht in diesem
Fall aus gentechnisch hergestelltem HBs-Antigen, das sich zu leeren
Virushüllen zusammenlagert. Die Entstehung eines pathogenen Virus
durch Mutation, wie bei Lebendimpfstoffen prinzipiell –und äußerst
selten—möglich, ist auf diese Weise völlig ausgeschlossen.
Die meisten gegen virale Erkrankungen eingesetzten Impfstoffe
enthalten allerdings attenuierte Lebendviren. Will man beispielsweise
gegen das Masernvirus auch CD8+ T-Gedächtniszellen induzieren, ist
das mit "totem Material" nicht möglich: um eine CD8+ T-Zellantwort
zu induzieren, muss ja in der Zelle synthetisiertes Virusmaterial auf
MHC-I präsentiert werden. Dazu muss das Virus vermehrungsfähig, aber
harmlos sein. Diesen Zustand kann man durch Passagen des Virus über
tierische Zellen erreichen: das Virus passt sich durch Mutation und
Selektion der anderen Spezies an und funktioniert dann in menschlichen
Zellen nicht mehr so gut. Mit der modernen Gentechnologie können solche
das Virus abschwächenden Mutationen aber auch direkt, ohne den Umweg
über Tierpassagen, eingebracht werden.
Anders verhält es sich bei Impfstoffen gegen bakteriell
ausgelöste Erkrankungen. Während man in den Anfangszeiten der Impfpraxis
notwendigerweise mit einfach herzustellenden, aber biologisch sehr
komplexen Impfstoffen wie abgetöteten Bakterien arbeitete, versucht
man heute, wenn immer möglich, mit wenigen, definierten Antigenen
zu immunisieren, um die Rate an Nebenwirkungen möglichst gering zu
halten.
Manche dieser Impfmoleküle wirken
auf den ersten Blick eigenartig. Erinnern wir uns an die T-Zell-Hilfe,
die zur Entsicherung von B-Zellen benötigt wird, um die Enststehung
von unnötigen oder gefährlichen Antikörpern zu vermeiden. Viele pathogene
Bakterien, z. B. Haemophilus influenzae und Streptococcus
pneumoniae, tragen eine Polysaccharid-Kapsel, die sie für Neutrophile
unsichtbar macht. Eine Impfung, die Antikörper gegen diese Polysaccharide
induziert, löst dieses Problem, da solche Antikörper effizient opsonisierend
wirken. Benützt man allerdings isolierte Kapselpolysaccharide als
Impfstoff, werden, besonders bei Kindern, ungenügende Antikörper-Antworten
erzielt. Warum? Die T-Zell-Hilfe fehlt! Eine T-Zelle kann nur helfen,
wenn ihr die B-Zelle einen Peptid-Teil des Antigens auf MHC-II präsentiert.
Im Fall eines reinen Polysaccharid-Antigens hat die B-Zelle nichts
zu präsentieren: Polysaccharide passen nicht in den Spalt von MHC-Molekülen.
Die Lösung besteht in einem Trick: wir koppeln ein kleines Protein
an das Polysaccharid. Dieses Protein muss nicht einmal von H. influenzae stammen; im Gegenteil, der Trick funktioniert noch
besser, wenn wir ein Protein benützen, gegen das die Kinder aus früheren
Impfungen mit Sicherheit schon TFH-Zellen besitzen, z. B. Tetanustoxoid. Der
"Konjugat-Impfstoff" gegen H.
influenzae besteht also aus Polysacchariden von H. influenzae, die an das Toxoid von Clostridium tetani gekoppelt sind. Eine B-Zelle mit einem auf das Polysaccharid
passenden Rezeptor/Antikörper erkennt das Molekül, internalisiert das gesamte
"absurde" Molekül über den endosomalen Weg und präsentiert Peptide
aus dem Toxoid auf MHC-II. Massenhaft Tetanustoxoid-Peptid-spezifische TFH-Zellen stehen bereit, da das betroffene Kind
in den erste Lebensmonaten wiederholt mit Tetanustoxoid als Bestandteil des
polyvalenten Impfstoffes gegen Diphtherie, Pertussis, Tetanus etc. immunisiert
wurde. Die Message der TFH-Zelle an die B-Zelle: "Passt! Mach' viel
von deinem Antikörper!". Der Netto-Effekt: die anti-Tetanus- TFH-Zelle entsichert die anti-Hämophilus B-Zelle.
Eigenartig? Es funktioniert!
Auch ein so optimiertes Impfmolekül löst alleine oft
noch keine befriedigende Immunantwort aus. Dendritische Zellen können
T-Zellen nur aktivieren, wenn sie kostimulatorische Moleküle
wie B7 exprimieren. Dies wiederum bedingt die Aktivierung von pattern
recognition receptors (PRRs) durch bakterielle pathogen-associated molecular patterns (PAMPs). Alte, empirisch entwickelte
Immunisierungsprotokolle benützten bestimmte Zusätze, sogenannte Adjuvantien,
die bakterielle PAMPs enthielten. Das klassische Adjuvans zur Gewinnung
von Tiersera war das "komplette Freund'sche Adjuvans", das
aus in Mineralöl aufgeschwemmtem, Hitze-inaktiviertem Mycobacterium tuberculosis bestand. Die älteren humanen Impfstoffe,
die aus groben Präparationen abgetöteter Bakterien bestanden, enthielten
dadurch die den Bakterien eigenen PAMPs als Adjuvantien. Moderne humane Impstoffe enthalten
ebenfalls Adjuvantien, die Kostimulation fördern sollen, aber weniger
Nebenwirkungen auslösen. Das verbreitetste Adjuvans in Humanimpfstoffen
sind Partikel aus Aluminiumsalzen (alum).
Diese führen zur Aktivierung von NOD-like
receptors und des Inflammasoms und damit zur Expression der benötigten
kostimularischen Moleküle. Was ist also ein Adjuvans in einer
Impfung? Ein Zusatz zum eigentlichen Impfantigen, der den Zweck hat, pattern recognition receptors zu aktivieren.
Nur so gelingt es, antigen-presenting
cells zur Expression der kostimulatorisch wirkenden B7 (CD80 und
CD86)-Proteine zu bringen, die nötig sind, um naive T-Zellen zu stimulieren.
Impfungen, die reine T-Zell-Antworten zum Ziel haben,
sind im Allgemeinen weniger wirksam als solche, die neutralisierende
Antikörper auslösen. Ein Beispiel ist die Impfung gegen Tuberkulose,
die eine frühe und verstärkte TH1-Antwort bewirken soll.
Die französischen Impfpioniere A. Calmette und C. Guérin züchteten
einen Stamm von Mycobacterium bovis über Jahre in einem Medium aus
Kartoffel, Galle und Glyzerin. Das so attenuierte Bakterium, Bacille
Calmette Guérin (BCG) konnte dann als Lebendimpstoff gegen Tuberkulose
eingesetzt werden. Es induzierte Mycobakterien-spezifische TH1 memory cells. Allerdings war der Impfschutz
nur relativ, nur in 60-80% der Geimpften nachweisbar, hielt nur wenige
Jahre an und hatte den Nachteil, dass der Mendel-Mantoux-Test positiv
wurde, sodass dieses einfache diagnostische Mittel nicht mehr eingesetzt
werden konnte. Die BCG-Impfung wurde daher in den meisten Ländern
wieder abgeschafft.
Seit langem wird die Idee verfolgt, nur die genetische Information in Form von DNA oder RNA als Impfstoff zu verwenden und den Körper das eigentliche Impfprotein selbst herstellen zu lassen. Diese Art der Impfstoffe wurde vor der SARS-CoV‑2-Pandemie nur für einige Spezialanwendungen erprobt. Die Technik war aber weit genug fortgeschritten, dass sie sehr rasch auf die neue Herausforderung umgelegt werden konnte. Im Vergleich zu den herkömmlichen Impfstoffen hatte dieser Ansatz zwei Vorteile: kürzere Entwicklungszeit und bessere Skalierbarkeit. Eine Schwierigkeit dabei ist, die genetische Information zunächst im Extrazkellulärraum vor enzymatischem Abbau zu schützen und dann durch die Zellmembran ins Zellinnere zu schleusen. Techniken, die dabei verwendet werden, sind in Lipidhüllen verpackte mRNA und nicht-replizierende virale Vektoren.
Angesichts der Gefährlichkeit der COVID-19
Pandemie wurden die Impfstoffe unter hohem Zeitdruck entwickelt. Sie lösen
stärkere Impfreaktionen aus als die bisher gewohnten Impfstoffe. Besonders
junge Leute reagieren häufig heftig, mit hohem Fieber, Gelenk- und
Muskelschmerzen und ausgeprägtem Krankheitsgefühl und sind oft ein oder mehrere
Tage bettlägerig.
Die Impfstoffe von BioNTech-Pfizer und Moderna bestehen aus Nanopartikeln aus mRNA, die für das Spike-Protein (S) von SARS-CoV-2 codiert, umgeben von einer Lipidhülle. Die Lipidhülle schützt die mRNA vor dem Abbau durch RNAsen und ermöglicht das Einschleusen der mRNA in Zellen durch Fusion mit der Zellmembran. Der Impfstoff wird intramuskulär injiziert. Er benötigt kein Adjuvans, da RNA selbst als Adjuvans wirkt. Es entsteht eine oft schmerzhafte lokale Entzündung, einzelne Muskelzellen gehen unter. Dabei wird bereits von Muskelzellen synthetisiertes Spike-Protein durch dendritische Zellen und Makrophagen aufgenommen. Für die Wirkung am wichtigsten sind wahrscheinlich selbst transfizierte dendritische Zellen im Muskelgewebe, die in die lokalen Lymphknoten einwandern, das Virusprotein synthetisieren und Peptide daraus sowohl auf MHC-I als auch auf MHC-II präsentieren. Dadurch entstehen sowohl CD8+ cytotoxische T-Zellen als auch CD4+ T-Helferzellen, die sich zu TFH-Zellen weiterentwickeln und Hilfe zur Antikörperproduktion leisten.
Diese Art des Impfstoffs kann rasch und leicht
an Virusvarianten angepasst werden, indem einfach die mRNA des varianten
Spike-Proteins verwendet wird. So wird eine bivalente Vakzine angewendet, die
die ursprüngliche Variante und eine Omikron-Variante enthält.
In sehr seltenen Fällen wird durch eine mRNA-Impfung, speziell nach der 2. Dosis, eine Myokarditis ausgelöst. Dies betrifft am ehesten jugendliche und junge Männer. Dies ist aber seltener der Fall, als eine Myokarditis im Rahmen einer SARS-CoV-2-Infektion.
Vektorimpfstoffe, der zweite Impfstofftyp, der zur breiten Anwendung kam, führen ebenfalls dazu, dass das S-Protein erst im Körper synthetisiert wird, doch wird die Nukleinsäureinformation in Form von DNA mit einem Adenovirusvektor in die Zellen gebracht. Auch diese Impfungen kommen ohne Adjuvantien aus, da Vektorvirusbestandteile selbst von pattern recognition receptors erkannt werden. Diese adenoviralen Vektoren sind nicht replikationsfähig, weil dafür notwendige Gene entfernt wurden, während das Gen für das SARS-CoV-2 S-Protein eingebaut wurde. Ein Problem, das sich aus diesem Ansatz ergibt: Wir alle haben bereits Infektionen mit Adenoviren durchgemacht, sodass unsere neutralisierenden Antikörper einen großen Teil der Impfvehikel abfangen würden, vor sich diese in die Zellen einschleusen können. Abgesehen davon führt die Erstimpfung auf jeden Fall zu einer Immunisierung nicht nur gegen SARS-CoV-2 S, sondern auch gegen die adenoviralen Kapsidproteine. Diese Sachlage ist wahrscheinlich verantwortlich dafür, dass die Vektorimpfstoffe zu einem etwas geringeren Prozentsatz schützen als die mRNA-Impfstoffe.
Auf diese Herausforderung haben die Impfstoffhersteller unterschiedliche Antworten gefunden. AstraZeneca/Oxford verwendete ein Adenovirus, das Schimpansen befällt und unserem Immunsystem damit noch unbekannt ist. Bei der zweiten Impfung wurde allerdings schon ein Teil des Impfstoffs neutralisiert. Es hat sich gezeigt, dass eine Zweitimpfung mit einem mRNA-Impfstoff zu einer besseren Impfantwort führt. Johnson & Johnson umging das Problem, indem es das selten vorkommende menschliche Adenovirus Typ 26 verwendete und überhaupt nur einmal impfte. Damit wurde in Kauf genommen, dass die Impfung nicht ganz so effizient ist wie bei zweimaliger Impfung. Der in Russland entwickelte Impfstoff "Sputnik-V" verwendete zwei unterschiedliche seltene Adenovirustypen für Erst- (Typ 26) und Zweitimpfung (Typ 5).
Nach Infektion der Zellen wird die virale DNA im Zellkern transkribiert, sodass mRNA für das S-Protein entsteht. Zwar haben Adenoviren keine Werkzeuge, sich ins Wirtsgenom zu integrieren, doch kann nicht ausgeschlossen werden, dass in seltenen Fällen durch Chromosomenbrüche und Fehlreparaturen DNA-Fragmente des Impfvehikels in menschliche DNA integriert wird. Das ist allerdings bei den häufigen natürlichen Adenovirusinfektionen nicht anders; dabei wurden bisher keine größeren Probleme bekannt. Auch die Vektorimpfstoffe werden intramuskulär injiziert, die Immunantwort entwickelt sich wie bereits bei den mRNA-Impfstoffen besprochen. Auch hier entwickelt sich eine Antikörper- und eine T-Zell-Antwort.
In sehr seltenen Fällen wurden bei Adenovirus-Vektorimpfstoffen Sinusvenenthrombosen im Rahmen eines Thrombose-mit-Thrombozytopenie-Syndroms beobachtet. Plättchenaktivierung wurde durch Autoantikörper gegen Plättchenfaktor 4 (CXCL4) verursacht (Mechanismus im Herz-Kreislauf-Skript). Dies betraf vor allem Frauen unter 50 Jahren, sodass vorzuziehen ist, diese mit mRNA-Impfstoffen zu immunisieren. Einige Länder verwenden diesen Impfstoff nur mehr für Personen über 65 Jahren. Ebenfalls sehr selten wurde Fälle von capillary leak syndrome und Guillain-Barré-Syndrom beobachtet.
Der erst später auf den Markt gekommene Impfstoff der Firma Novavax enthält gereinigtes SARS-CoV-2 Spike-Protein mit Adjuvans Durch spontane Zusammenlagerung der rekombinant hergestellte S-Proteineinheiten entstehen virus like particles, ähnlich wie beim Hepatitis B-Impfstoff, die keine genetische Information in Form von RNA oder DNA enthalten.
**
Der Impferfolg lässt sich auf Antikörperebene leicht überprüfen; auf der T-Zell-Ebene ist eine Überprüfung (am ehesten durch ELISpot) zu aufwändig für die Routine.
Wie gut schützen die Impfstoffe vor Virusvarianten, die durch Mutationen entstehen? In einer geimpften Population setzen sich solche Mutanten durch, die den Immunmechanismen entkommen können ("Fluchtmutanten"). SARS-CoV-2 hat mehrere Spike-Proteinmutanten entwickelt, die von impfinduzierten neutralisierenden Antikörpern schlechter gebunden werden. Vor Infektion mit diesen Mutanten schützen die Impfungen zu einem verringerten Prozentsatz. Allerdings ist der Schutz vor schweren Erkrankungen nach bisherigen Daten weiterhin gegeben. Dies ist möglicherweise auf den Schutz durch T-Zellen zurückzuführen. Während das Virus die Bindung neutralisierender Antikörper durch Änderung einer Spike-Protein-Aminosäure wesentlich abschwächen kann, hat die Änderung einer Aminosäure geringe Folgen auf T-Zellebene: Eine Reihe von Peptiden des Spike-Proteins werden auf MHC präsentiert und von T-Zellen erkannt, sodass die Änderung einer Aminosäure (so diese überhaupt in einem präsentierbaren Peptid liegt) wenig ausmacht. Das Virus ist in der Entwicklung von Fluchtmutanten nicht frei: das S-Protein muss ja weiterhin an den Rezeptor, ACE2, binden.
Bei allen bisher eingesetzten Impfstoffen wird SARS-CoV-2 an der Vermehrung gehindert, wenn es einmal in den Körper eingedrungen ist. Damit wird eine schwere Erkrankung vermieden. Was nicht erreicht wird, ist, die primäre Vermehrung im Epithel des oberen Respirationstrakts zu verhindern. Deswegen können so Geimpfte noch infiziert werden und das Virus auch weitergeben, wenn auch in einem geringeren Ausmaß.
"Stärken
Sie Ihr Immunsystem!"
...klingt definitiv besser als "Füllen Sie
meine Geldtasche!", doch ist meist eigentlich Letzteres gemeint. Solange
wir uns gut ernähren und unseren Organismus gut behandeln – Schlaf, Bewegung,
nicht zu viel Stress – ist unser Immunsystem so stark wie es eben sein kann.
Selbstverständlich schwächt Mangelernährung das Immunsystem. Rasche Produktion
von Antikörpern, Nachschub von neutrophilen Granulozyten und Makrophagen,
klonale Expansion von Lymphozyten benötigen Material, z.B. Aminosäuren in der
richtigen Zusammensetzung. Wir werden uns damit in "Ernährung und Verdauung" noch auseinandersetzen. Doch all die zur
Stärkung des Immunsystems angepriesenen Nahrungsergänzungsmittel sind bei
normaler gesunder Ernährung nicht notwendig.
Für das Versagen der Abwehr bei guter Ernährung gibt es genetische Gründe,
erworbene (acquired immunodeficiency
syndrome –AIDS— durch HIV) sowie solche, die sich aus der Koevolution
von mikrobiellen Erregern mit dem Menschen herleiten.
Genetisch
bedingte Immundefizienzen sind in der Mehrzahl außerordentlich seltene
Erkrankungen, die jedoch instruktiv für die Bedeutung einzelner Komponenten
des menschlichen Abwehrsystems sind. Je nach betroffenem Gen sind
folgende Systeme defekt:
·
T- und B-Zell-Funktion: severe combined immunodeficiency (SCID)
·
die globale Antikörperantwort oder
Teile davon
·
Phagozytose
·
Komplementfunktion
Dazu kommen einige Syndrome, bei denen Defekte des Immunsystems
lediglich Teil eines komplexeren Krankheitsbildes sind. Hier sollen
nur wenige Beispiele kurz angerissen werden.
Mehrere genetische Defekte führen zu SCID, z. B. solche,
die RAG-Proteine betreffen und zur Folge haben, dass weder Antikörper-Gene
noch T-Zell-Rezeptorgene rearrangiert werden können. Die häufigeren
Ursachen für SCID sind jedoch Gendefekte, die primär die T-Zell-Entwicklung
verhindern. Die Bedeutung der T-Zell-Hilfe für Antikörperantworten
zeigt sich darin, dass Patienten mit diesen Gendefekten auch keine
effiziente Antikörperantwort ausbilden.
Die autosomal rezessiven Defizienzen zweier Enzyme des
Purinstoffwechsels, ADA- und PNP, beeinträchtigen besonders die Entwicklung
von T-Lymphozyten. Adenosin-Deaminase (ADA)
deaminiert (Desoxy‑) Adenosin zu (Desoxy‑) Inosin. Purin-Nukleosid-Phosphorylase
(PNP) spaltet (Desoxy‑) Inosin und (Desoxy‑) Guanosin
in Base und Ribose-1-Phosphat. Beide Defekte führen zu einer Akkumulation
von dAMP/dATP. Hohe dATP-Konzentrationen führen zu einer Produkthemmung
der Ribonukleotid-Reduktase, die aus Ribonukleotiden Desoxyribonukleotide
macht, und hemmen so durch einen Mangel an dGTP, dCTP und dTTP die
DNA-Synthese. Der Grund, warum T-Lymphozyten durch diesen toxischen
Effekt stärker betroffen sind als andere Zellen, könnte darin liegen,
dass im Thymus, wo mehr als 95% der Thymozyten in Apoptose gehen,
durch DNA-Abbau lokal besonders hohe Konzentrationen von dAMP/dATP
entstehen. ADA-Defizienz kann durch Infusion von Polyethylenglykol-gekoppelter
ADA (PEG-ADA) behandelt werden, die natürlich nur extrazellulär wirkt;
doch werden intrazelluläre Konzentrationen rasch über einen Nukleosid-Transporter
äquilibriert. ADA-Defizienz war die erste Krankheit, die man durch
somatische Gentherapie zu heilen versuchte, indem man eine funktionierende
Version des Gens zuerst in T‑Zellen, später in hämatopoetische
Stammzellen einbrachte. Zwar gelang es, das fehlende Enzym in einem
Teil der T-Zellen zu ersetzen, doch war dieser Anteil bei den meisten
bisher dokumentierten Kindern zu gering, um die Immundefizienz zu
heilen.
Am erfolgreichsten waren Gentherapie-Versuche bisher
bei einer weiteren Form der Erkrankung, X-linked
SCID. X-linked SCID
wurde erstmals weithin bekannt durch den "bubble
boy", einen kleinen Jungen, den man versuchte, in einer keimfreien
Plastikblase am Leben zu erhalten; er starb 1984 im Alter von 12 Jahren
nach einer versuchten Knochenmarktransplantation. Bei dieser häufigsten
Form von SCID entwickeln sich keine T-Zellen, bedingt durch einen
X-chromosomalen Defekt in der gemeinsamen γ-Kette mehrerer Interleukinrezeptoren,
darunter IL-2, IL-4, IL-7, IL-9 und IL-15. Eine gesunde Kopie dieser
γ-Kette wurde beim Gentherapie-Versuch durch ein Retrovirus in
hämatopoetische Stammzellen der betroffenen Kinder eingeführt. Die
Kinder entwickelten daraufhin T-Zellen und waren imstande, auf typische
Impfungen wie Diphtherie, Tetanus und Polio mit normalen Immunantworten
zu reagieren. Der Euphorie folgte allerdings die Ernüchterung sowie
der Abbruch dieser Versuche, nachdem zwei von fünfzehn Buben eine
T-Zell-Leukämie entwickelten. Nachforschungen ergaben, dass das als
Vektor eingesetzte Retrovirus sich jeweils in der Nähe eines Protoonkogens,
LMO2, inseriert hatte. Die Überexpression dieses durch sogenannte
insertionale Mutagenese aktivierten Onkogens hatte die T-Zell-Leukämie
ausgelöst.
Auch auf Ebene der B-Zellen gibt es ein X-chromosomal
vererbtes Immundefizienzsyndrom, X-chromosomale Agammaglobulinämie
oder Bruton- Agammaglobulinämie. Bei dieser Krankheit fehlt die Tyrosinkinase
Btk (Bruton´s tyrosine kinase), die für die
Signalübertragung einer Vorstufe des B-Zellrezeptors nach rearrangement der schweren Kette in Prä-B-Zellen notwendig ist. Ohne
dieses Signal entwickeln sich in den betroffenen männlichen Kindern
keine reifen B-Zellen und damit keine Antikörper. Die Kinder werden
durch rezidivierende Infektionen mit Eiter-bildenden Bakterien wie
Pneumokokken auffällig.
Beim X-chromosomal rezessiven hyper IgM-Syndrom findet man normale T- und B-Zellen sowie einen hohen
Serumspiegel von T-Zell-unabhängigem IgM, jedoch keine anderen Immunglobulinklassen.
Das defekte Molekül ist CD40-Ligand, mit dem TFH-Zellen
den B-Zellen, sowie TH1-Zellen den Makrophagen Hilfe geben.
Ohne T-Zell-Hilfe gibt es keinen Immunglobulin class
switch. Die Kinder leiden unter häufigen Infektionen mit extrazellulären
Bakterien sowie durch Pneumocystis
jirovecii, der sonst problemlos durch aktivierte Makrophagen bekämpft
wird.
Es gibt weitere Ursachen von class switch-Problemen, z. B. das durch AID-Defekte verursachte hyper IgM-Syndrome Type 2. Isotypenwechsel
(class switch recombination)
und somatische Hypermutation werden durch dasselbe Enzym eingeleitet:
AID (activation-induced cytidine
deaminase), das Cytosin zu Uracil umwandelt. Uracil wird dann
durch UNG (Uracil-DNA-Glycosylase)
aus dem DNA-Strang entfernt, gefolgt von weiteren Schritten, die zu
Schnitten des DNA-Doppelstrangs in den sogenannten switch
regions führen (siehe Abschnitt 2.5).
Dieser Prozess ist notwendig, um die Zelle von IgM zu IgG oder
IgA umschwenken zu lassen. Defekte der AID und UNG führen damit ebenfalls
zu einem Fehlen von IgG und IgA bei normalem oder erhöhtem IgM.
Die häufigste Form der Immunglobulindefizienz ist mit
1:800 ein selektiver IgA-Mangel. Da die meisten betroffenen Kinder
nur milde Symptome zeigen (alle Kinder sind manchmal krank...), wird
die Diagnose nur selten gestellt. Stärker betroffene Kinder leiden
unter rezidivierenden Schleimhautinfektionen wie Mittelohrentzündung,
Nasennebenhöhlen-Entzündungen und Bronchitis, jeweils mit Neigung
zur Chronifizierung, sowie Pneumonie und Darminfektionen. Auch Allergien
und Autoimmunphänomene treten häufiger auf. Kritisch wird nach wiederholter
Transfusion von Blutprodukten die Neigung, Anti-IgA-Antikörper zu
bilden. Die genetische Basis des selektiven IgA-Mangels ist noch unzureichend
geklärt.
Selektiver IgA-Mangel könnte eine schwach ausgeprägte
Form eines anderen Krankheitsbildes sein, das als common variable immunodeficiency (CVID) bezeichnet wird, da die beiden
Erkrankungen manchmal in ein und derselben Familie vorkommen. CVID
ist mit ca. 1:25000 seltener und genetisch heterogen. CVID ist durch
rezidivierende Infektionen des Atmungs- und/oder Gastrointestinaltrakts
gekennzeichnet, die nicht vor dem 3. Lebensjahr, meist jedoch erst
im zweiten oder dritten Lebensjahrzehnt auffallen. Typisch sind schlechte
oder fehlende Impftiter. Ursache ist eine Hypogammaglobulinämie mit
erniedrigten IgG- und IgA-, aber häufig normalen IgM-Spiegeln. Einige
CVID-auslösende Gendefekte sind geklärt, die aber jeweils nur für
wenige Prozent aller Patienten verantwortlich zeichnen. Betroffen
sind Transmembranproteine, die (zusätzlich zum unbedingt notwendigen
CD40L-CD40-Kontakt) für die Keimzentrums-lokalisierten Funktionen
Isotypenwechsel (class switch)
und somatische Hypermutation notwendig sind, die ihrerseits wieder
Voraussetzung für die Ausbildung von funktionstüchtigen B-memory
cells sind. Zu diesen Molekülen gehören ICOS, TACI und CD19. In einzelnen Familien mit TACI-Defekten
zeigten homozygote Mitglieder CVID, während Heterozygote nur unter
selektivem IgA-Mangel litten. TACI ist ein Mitglied der TNF-Rezeptorsuperfamilie
(TNFRSF13B) und wird durch Trimerisierung aktiviert. Heterozygote
TACI-Defizienz würde also eine starken Reduktion funktioneller Trimere
zur Folge haben, homozygote ein vollständiges Fehlen.
Das Zusammenspiel von Antikörperantwort, Komplementsystem
und Phagozyten ist essentiell für die Bekämpfung Eiter-bildender Bakterien,
die durch ihre Polysaccharidhülle nicht direkt von neutrophilen Granulozyten
erkannt werden können. Die Bedeutung dieser Kooperation wird durch
den Befund unterstrichen, dass der Ausfall jeder dieser drei Komponenten
in heftigen Infektionen mit diesen Erregern resultiert.
Mehrere Aspekte des komplexen Chemotaxis- und Phagozytosevorgangs
können durch genetische Defekte gestört sein. Fehlen Oberflächenmoleküle
wie Integrine oder der Kohlehydratligand der Selektine, gelingt es
den Phagozyten nicht, an der Gefäßwand des Infektionsgebietes zu adhärieren.
Fehlen Enzyme, die zur Produktion der reaktiven Sauerstoffverbindungen
notwendig sind, können Erreger zwar phagozytiert, aber intrazellulär
nicht abgetötet werden. Beispiele dafür sind chronische Granulomatose
(Defekt der NADPH-Oxidase) oder Myeloperoxidasemangel. Beim Chediak-Higashi-Syndrom
betrifft der Defekt ein Vesikeltransportprotein, sodass Phagosomen
nicht mit Lysosomen verschmelzen.
Defekte im Komplementsystem haben je nach funktioneller
Lokalisation unterschiedliche Folgen. Defekte im alternativen- oder
Lektinweg sowie im C3-Molekül prädisponieren für Infektionen mit Eiterbildnern.
Defekte in C1, C2 oder C4 führen über einen gestörten Abtransport
von Immunkomplexen zu Typ-III-Erkrankungen (siehe Abschnitt 5.1).
Defekte in den Membran-attackierenden Komponenten C5 bis C9 prädisponieren
zu Infektionen mit Neisseria
meningitidis.
Durch die Verbreitung des Human
Immunodeficiency Virus (HIV) ist AIDS eine häufige Erkrankung geworden. Zwei
Virustypen existieren: HIV-1 ist weltweit verbreitet, das weniger infektiöse HIV-2
zur Zeit hauptsächlich in Westafrika. Beide wurden wahrscheinlich im Lauf des
20. Jahrhunderts in Afrika mehrfach von nicht-humanen Primaten auf den Menschen
übertragen.
Die besondere Problematik dieser Erkrankung liegt darin,
dass sie eine für die adaptive Abwehr zentrale Zelle, nämlich die
CD4+ T-Zelle, befällt. Auch Makrophagen und dendritische Zellen exprimieren
geringe Mengen von CD4 und werden damit ebenfalls infiziert. Das CD4-Molekül
selbst stellt den Rezeptor für das Virus dar; zusätzlich wird für
die Infektion einer von zwei Chemokinrezeptoren benötigt, CCR5 oder
CXCR4. Dies spielt insofern eine Rolle, als es für CCR5 einen Defekthaplotyp
gibt, CCR5-32 der bei homozygotem Vorkommen vor einer Übertragung
der häufigsten HIV-Varianten schützt. Dieser CCR5-Haplotyp ist ethnisch
ungleich verteilt: während ca. 1 % der kaukasischen Population homozygot
für den Defekt ist, tritt dieser in afrikanischen und asiatischen
Populationen weit seltener auf.
HIV wird durch Körperflüssigkeiten übertragen; am häufigsten
über sexuellen Verkehr, kontaminierte Nadeln sowie von einer infizierten
Mutter auf ihr Kind während der Geburt oder über die Muttermilch.
Das Viruspartikel dockt über sein Hüllprotein gp120 an CD4 und den
Chemokinrezeptor an, fusioniert seine Hülle mit der Zellmembran und
bringt damit sein RNA-Genom mit Enzymausstattung, darunter reverser
Transkriptase, in das Zytoplasma. Eine mit Hilfe dieses Enzyms hergestellte
cDNA-Kopie wird dann durch die virale Integrase in das Genom der Zelle
inseriert. Die integrierte cDNA-Kopie nennt man Provirus. In diesem
Zustand kann das Virus, z. B. in memory cells, über lange Zeiten unangreifbar
latent bleiben. Das Genom des Virus besteht aus den für Retroviren
typischen long terminal repeats (LTRs), die gag-, pol- und env-Gene flankieren, zu denen noch sechs
kleinere Gene hinzukommen. Eine Aktivierung des Virus erfolgt parallel
mit der Aktivierung der CD4+ T-Zelle durch den für diesen Prozess zuständigen
Transkriptionsfaktor NFκB. Ausgehend von den entstehenden Transkripten,
die teilweise durch splicing bearbeitet werden, entstehen die
einzelnen Bestandteile des Virus. Manche der Proteine werden als Polyprotein-Vorstufen
synthetisiert und anschließend durch die virale Protease zu den endgültigen
Proteinen gespalten. Sind alle Komponenten vorhanden, werden sie verpackt
und neue Viren tropfen von der Zelloberfläche ab.
Drei
Mechanismen tragen zur Zerstörung der befallenen CD4+ T-Zellen bei:
·
zytotoxische CD8+ T-Zellen im Rahmen
einer normalen antiviralen Immunantwort
·
direkt zytopathische Effekte des replizierenden
Virus
·
eine verstärkte Apoptoseneigung der
befallenen aktivierten Zelle
Im Lauf der Immunreaktion werden auch Antikörper gebildet,
die viele der zahlreichen neugebildeten Viren eliminieren helfen.
Unbehandelt verläuft die Erkrankung in drei Phasen:
1. Akute HIV-Infektion in den Wochen nach der Infektion, charakterisiert durch Fieber, generalisiertes Exanthem, Lymphadenopathie, Pharyngitis, Aphthen (keine Rhinitis). Differentialdiagnostisch kommen für diese unspezifischen Symptome natürlich viele Ursachen in Frage, z. B. eine Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus (infektiöse Mononukleose oder Pfeiffersches Drüsenfieber). Eine Diagnose kann in dieser Phase nur mit PCR (Polymerasekettenreaktion) gestellt werden. ELISAs der "4. Generation" kombinieren p24-Antigen- und Antikörpernachweis in derselben Testreaktion; sie werden frühestens 14 Tage nach Infektion positiv. Bei Schwangerschaft, Transfusionen, Autoimmunerkrankungen etc. können falsch positive Ergebnisse auftreten, deshalb ist für eine Diagnose immer ein Bestätigungstest – in der Regel ein Western Blot – notwendig. Antikörper gegen das Virus treten erst im Lauf der ersten Monate auf: nach 6 Monaten sind 99% der Infizierten Antikörper-positiv. Eine Diagnose der akuten Infektion ist essentiell, um das Verbreiten der Erkrankung in der folgenden asymptomatischen Phase zu verhindern.
2. Asymptomatische Infektion. Die Dauer dieser Phase
hängt von mehreren Faktoren, z. B. dem Alter zur Zeit der Infektion
ab, und kann bei jungen Menschen, die in stabilen Verhältissen leben,
10 und mehr Jahre dauern. Die Diagnose wird in dieser Zeit mit dem
Nachweis von Antikörpern gegen das Virus in einem Western blot, meist
nach einem ELISA-Suchtest, gestellt. Gegen Ende dieser Phase mehren
sich Infektionen.
3. AIDS-Stadium. Der Ausbruch des Vollbildes der Immunschwäche
hängt direkt von der Zahl der "übriggebliebenen" CD4+ T-Zellen
ab. Während ein mm3 Blut normalerweise 500-1000 CD4+ T-Zellen
enthält, sinkt dieser Wert in dieser Phase unter die kritische Schwelle
von 200. Damit treten zunehmend schwere opportunistische Infektionen
auf, z. B. mit Candida albicans
(Soor-Ösophagitis), Pneumocystis
jirovecii (früher: carinii; Pneumonie), Cytomegalievirus, Herpes
Zoster, etc. Falls eine frühere Tuberkulose-Infektion nicht ganz eliminiert
werden konnte, bricht der TH1-abhängige Granulom-Abwehrwall
nun zusammen und führt zu einem akuten Aufflammen der Tuberkulose.
Ebenfalls auftreten können das HIV-Auszehrungssyndrom und das sonst
äußerst seltene Kaposi-Sarkom. Das Kaposi-Sarkom ist ein maligner
Endothelzelltumor, der eigentlich durch das humane Herpesvirus Typ
8 (HHV8) ausgelöst wird, das sich nur bei ausgeprägter Abwehrschwäche durchsetzen
kann. Der Patient erliegt schließlich einer dieser schweren Infektionen.
Pharmakologische Querverstrebung:
Trotz intensiver Bemühungen gibt es bisher
weder eine Impfung noch eine breiter zugängliche Möglichkeit, die HIV-Infektion
endgültig zu heilen, doch wurde eine effiziente Therapie, HAART (highly active antiretroviral therapy)
entwickelt. Der Angriffspunkt liegt in der Hemmung viruseigener Enzymaktivitäten: der
reversen Transkriptase (RTI), der
Integrase (INSTI, integrase nuclear
strand transfer inhibitors) sowie der
Protease (PI), die für die Endfertigung essentieller viraler Proteine
notwendig ist. Zusätzlich gibt es Entry-Inhibitoren,
die das Andocken des Virus an der Zelle behindern. Unter den RT-Hemmern
unterscheidet man sogenannte nukleosidische
RT-Inhibitoren (NRTI), die dazu führen, dass "falsche" Nukleotide
eingebaut werden, wodurch die reverse Transkriptase blockiert wird, sowie nicht-nukleosidische RT-Inhibitoren (NNRTI).
Unter optimalen Bedingungen ist HAART in der
Lage, das Virus unter die Nachweisgrenze zurückzudrängen, jedoch nicht, es
gänzlich zu eliminieren. Wenn die Viruskopienzahl unterhalb der Nachweisgrenze
liegt, ist der Patient nicht mehr infektiös – das gilt auch für die Geburt des
Kindes einer infizierten Mutter. Die Therapie muss damit lebenslang angewendet
werden. Für ihren Erfolg ist die Einhaltung des Therapieprotokolls von
essentieller Bedeutung. Bei Einhaltung des Protokolls wird die Virusvermehrung
effizient unterdrückt. Erfolgt die Einnahme der Medikamente unzuverlässig, kann
sich das Virus zwischendurch immer wieder trotzdem vermehren. Da die reverse
Transkriptase, verglichen mit DNA-abhängigen DNA-Polymerasen, relativ viele
Einbaufehler macht (ihr fehlt die sogenannte proofreading-Korrekturfunktion), treten unter dem Selektionsdruck
der Therapie relativ rasch Resistenzen auf. Punktmutationen führen dazu, dass
die veränderten Enzyme durch die Medikamente nicht mehr gehemmt werden; die
Therapie wird wirkungslos. Quantifizierung von Viruskopien – mittels PCR – und CD4+ T-Zellen sind sensitive Parameter für den Therapieerfolg. Sequenzanalysen der
entsprechenden Virusgene sind ein Mittel, die Therapie rational anzupassen.
Eine neuere Entwicklung stellen Kapsidbildungshemmer (capsid inhibitors) dar. Lenacapavir ist ein oral
resorbierbares, kleines Molekül mit langer Halbwertszeit, das sich an das
Kapsidprotein p24 anlagert und dessen Hexamerbildung verhindert. Das Medikament
hat sich nicht nur für die Behandlung von mit multiresistenten HIV-Stämmen
Infizierten bewährt. In einer zweimal jährlich injizierten Form erwies es sich
auch als außerordentlich effektiv, im Sinne einer Prä-Expositionsprophylaxe
HIV-Infektionen bei jungen Frauen in Südafrika (PURPOSE trial) zu verhindern.
Die anti-HIV Therapie ist außerordentlich
teuer, da die mit großem Aufwand entwickelten Medikamente neu sind und damit
noch unter Patentschutz stehen. Der größte Bedarf für diese Medikamente besteht
jedoch in bitter armen Ländern, z. B. im Afrika südlich der Sahara. Trotz
einiger Programme, diese Länder mit verbilligten Medikamenten zu versorgen, ist
diese Diskrepanz ungelöst.
Pathogene und potentielle Wirte liefern einander seit
Millionen von Jahren einen zähen Grabenkampf. In dieser Auseinandersetzung,
die man als "Ko-Evolution" bezeichnet, haben viele mikrobielle
Pathogene Strategien entwickelt, sich der Abwehr des Wirts zu entziehen.
Zu den erfolgreichen Strategien gehören "Verkleiden", "Verstecken"
und "Fehlleiten der Abwehr".
Viele Pathogene entziehen sich der Abwehr, indem sie
häufig ihre antigene "Verkleidung"
wechseln. Dazu einige Beispiele.
Pneumokokken kommen in mehr als 80 verschiedenen Serotypen
vor. Das Bakterium versteckt sich hinter einer Polysaccharidkapsel,
deren Zuckerabfolgen und -Verzweigungen für die Antigenität des jeweiligen
Typs bestimmend sind. Die gegen diese Polysaccharid-Antigene gebildeten
Antikörper nützen jedoch nichts gegen den nächsten Pneumokokken-Typ,
der den Körper infiziert.
Das
Influenzavirus kommt dem Bild der wechselnden "Verkleidung"
noch näher. Das Virus trägt zwei Arten von Transmembranproteinen,
die als spikes weit über die Oberfläche des Virus
hervorragen. Über das eine, Hämagglutinin (H), bindet es an menschliche
Zellen; das zweite, Neuraminidase (N), benötigt es zum Ablösen neuer
Viren von der Zelle und wahrscheinlich auch zum Einschleusen in die
Zelle. Von den drei Influenzavirustypen A, B, und C verursacht Typ
A die meisten Erkrankungen. Es existiert wieder in verschiedenen Hüllproteinvarianten.
Es gibt mindestens 18 H- und 9 N-Varianten, nach denen die Influenza-A-Isolate,
in Kombination mit Ort und Zeit der Isolierung, benannt werden. Influenza-A-Subtypen,
die große Infektionswellen hervorgerufen haben, sind z B.:
1918: A/H1N1
1957: A/Japan/57/H2N2
1968: A/Hong Kong/68/H3N2
1977: A/USSR/77/H1N1
2009: A/Mexico/2009/H1N1
Antikörper gegen diese Oberflächenproteine wirken neutralisierend.
Allerdings treten durch Punktmutationen laufend leichte Veränderungen
in diesen Hüllproteinen auf. Sobald diese Veränderungen dazu führen,
dass die bestehenden Antikörper eine Infektion nicht mehr ganz verhindern
können, breitet sich diese neue Virusvariante in der vorher geschützten
Population aus. Dieser sogenannte "Antigendrift" führt also
zu einer neuen Erkrankungswelle. Der HN-Typ wird dabei beibehalten:
es wird z. B. aus dem Isolat A/Sydney/1997/H3N2 eine Variante A/Moscow/1999/H3N2.
In der humanen Population insgesamt sind daher immer
gleichzeitig mehrere Subtypen ("Verkleidungsformen") von
Influenza A unterwegs, die sich zudem dauernd verändern. Die jeweils
gerade erfolgreichste Verkleidungsform setzt sich in Form einer Epidemie
durch. Aus diesen Gründen muß eine Impfung gegen Influenza jedes Jahr
erneuert werden. Sie besteht aus den drei Virusvarianten, denen aus
dem weltweiten Influenza-Überwachungssystem der WHO das größte Epidemiepotential
zugeschrieben wird.
Der rasche Verkleidungswechsel bringt noch ein eigenartiges
Phänomen mit sich: bei der ersten Influenza-Infektion eines Kindes
bildet dieses Antikörper gegen alle Antigene des Virus. Bei den nächsten
Infektionen mit anderen Virusvarianten bildet das Individuum effiziente
Antikörper-Antworten nur mehr gegen jene Antigene, die es im ersten
Virus bereits gesehen hat. Aus diesem Grund sind diese Immunantworten
nur partiell. Die wahrscheinliche Ursache für dieses Verhalten liegt
in der raschen Aktivierung von memory
cells gegen bereits gesehene Antigene, sodass das Immunsystem
gar nicht die nötige Zeit bekommt, eine effiziente Antwort gegen die
neuen Antigene auszubilden.
Es gibt jedoch in längeren Zeitabständen noch eine wesentlich
ausgeprägtere Veränderung des Influenza A-Virus, den sogenannten "Antigenshift".
Dieser wird durch zwei Tatsachen begünstigt: Das Genom der Influenzaviren
besteht nicht aus einer zusammenhängenden Nukleinsäurekette, sondern
aus acht physisch getrennten Segmenten. Weiters kommen Influenza-A-Viren
auch in anderen Spezies, wie Hühnern, Enten oder Schweinen
vor, die besonders in dichtbesiedelten Gebieten Asiens mit dem Menschen
auf engstem Raum leben. Den Großteil der H- und N-Varianten kennen
wir nicht aus menschlichen Isolaten, sondern aus Enten und Hühnern.
Trifft ein auf den Menschen adaptierter Influenza-A-Subtyp in einer
Mischinfektion auf einen Tier-adaptierten Subtyp, kann es selten zu
einem Austausch von Gensegmenten kommen. Auf diese Weise kann ein
vollkommen "neuer" humanpathogener Influenzavirenstamm entstehen,
der in der Folge zu einer der gefürchteten Pandemien führt, da niemand
wirksame Antikörper dagegen hat. Eine solche Pandemie kostete in den
Jahren 1918-1920 ca. 30 Millionen Menschen das Leben (bei einer Weltbevölkerung
von etwa 1,5 bis 2 Milliarden).
Sorgen bereitet zurzeit ein Vogel-adaptierter
Influenza-A-Subtyp, H5N1, der erstmals 1997 in Hong Kong und seither immer
wieder einzelne Menschen infizierte (die "Vogelgrippe"). Eine
H5N1-Epidemie unter Hühnern und Wasservögeln breitete sich langsam immer weiter
aus und erreichte 2005 Westeuropa, schließlich auch den amerikanischen
Kontinent. Dadurch kamen immer mehr Menschen mit diesem Virus in Kontakt. Etwa
die Hälfte der bisher durch direkten Kontakt mit infizierten Vögeln erkrankten
Menschen starben. Allerdings kam eine weitere Übertragung von Mensch zu Mensch
bisher nur in ein oder zwei Fällen vor, da das Vogelgrippen-Virus noch
unzulänglich an den Menschen adaptiert war. Im Jahr 2024 allerdings wurde
beobachtet, dass H5N1 den Sprung zu Mammalia in Robben und Rindern geschafft
hatte, was die Wahrscheinlichkeit für das Überspringen auf den Menschen weiter
erhöht. In Mexiko und im Süden der USA sind zahlreiche Rinderherden infiziert.
Immer wieder erkranken Menschen, doch eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung wurde
bisher nicht berichtet.
Viren der Herpesgruppe wenden die Strategie des "Versteckens" an. Herpes simplex-Virus
befällt beispielsweise zunächst die Epithelzellen der Mundschleimhaut,
anschließend jedoch die sensiblen Fasern des die Schleimhaut innervierenden
N. trigeminus. Während zytotoxische T-Zellen die befallenen Schleimhautzellen
in einer schmerzhaften Reaktion rasch beseitigen, zieht sich das Virus
in die Zellkörper der sensiblen Neurone im Trigeminalganglion zurück
und stellt seine Vermehrung ein. Man bezeichnet diese Phase als Latenz.
Bestimmte Änderungen der äußeren Bedingungen wie starke Sonnenexposition,
andere Infektionen oder hormonelle Veränderungen reaktivieren auf
grundsätzlich nicht verstandene Weise das Virus, das von den Nervenzellen
aus wieder das Epithel infiziert: "Fieberblasen" entstehen.
Das Varicella-Virus, ein anderes Virus der Herpesgruppe, kann nach
Jahren einer Latenz in Spinalganglien auf analoge Weise Herpes Zoster
auslösen. Neuronen eignen sich in besonderer Weise für Viruslatenz,
da sie sehr wenig MHC-I exprimieren. Es ist vorstellbar, dass dies
einen evolutionären Kompromiss darstellt, da eine Attacke zytotoxischer
T-Zellen auf Nervenzellen für den Gesamtorganismus noch negativere
Folgen hätte.
Viren der Herpesgruppe wenden noch weitere Tricks an,
um sich besser zu verstecken: sie exprimieren
Proteine, die die Wirtszelle daran hinderen, ihre Peptide effizient
auf MHC zu präsentieren. So blockiert das Herpes
simplex -Protein ICP47 den TAP-Transporter, der Peptide in das
endoplasmatische Reticulum transferiert. Damit gelangen nicht nur
die Viruspeptide nicht mehr zum MHC-Molekül; MHC‑I-Moleküle
ohne Peptide im Bindungsspalt bleiben instabil, sodass die Zelle nur
mehr wenig MHC-I an die Oberfläche bringt. Eine ähnliche Funktion
hat das US6-Molekül des Cytomegalievirus (HHV5). Ein weiteres Protein
des Cytomegalievirus, US11, bindet im endoplasmatischen Retikulum
naszente MHC-I-Ketten und schleust sie mit Hilfe des zellulären Proteins
Derlin gleich wieder ins Zytoplasma zurück, wo sie instabil sind und
abgebaut werden. Solche Proteine, die Viren helfen, dem Immunsystem
auszuweichen, nennen wir allgemein Immunevasine.
Auch manche Bakterien sind gut im Verstecken. Intrazellulär
lebende Listerien z. B. lassen sich durch einen "Raketenantrieb"
von polymerisierendem Actin in eine andere Zelle "hineinschießen",
ohne sich jemals extrazellulär der Gefahr von Antikörpern auszusetzen.
Eine dritte Strategie, der Immunabwehr zu entkommen,
stellt schließlich deren Fehlsteuerung
dar. Besonders erfolgreich auf diesem Gebiet sind Mycobakterien. Mycobacterium tuberculosis beispielsweise
hat einen Mechanismus entwickelt, die Fusion von Phagosomen und Lysosomen
zu verhindern, sodass es nach der Phagozytose nicht der toxischen
Wirkung des lysosomalen Inhalts ausgesetzt ist. Mycobacterium leprae nützt die häufig binäre Entscheidung des Organismus
zwischen einer TH1- oder TH2-Antwort, um sich
zu vermehren. Entscheidet sich der Organismus (nach noch nicht ganz
verstandenen Kriterien) für eine TH1-Antwort, hat das Bakterium
"Pech" gehabt: es entsteht die sogenannte tuberkuloide Form
der Lepra, bei der es effizient in Granulomen isoliert wird. Reagiert
der Organismus jedoch mit einer TH2-Antwort, hat das Bakterium
"gewonnen": zwar produziert der Organismus massenhaft Antikörper;
diese können dem sich progredient intrazellulär vermehrenden Bakterium
jedoch nichts anhaben. Auf diese Art entsteht die infektiösere lepromatöse
Form der Lepra.
In manchen Situationen, z. B. um die Abstoßung eines
Transplantats zu verhindern, ist es nötig, Immunantworten künstlich
zu hemmen. Dies ist natürlich eine Gratwanderung, da die Patienten
damit einer großen Infektionsgefahr ausgesetzt werden. Fortschritte
in der Immunologie haben in den letzten Jahren zur Entwicklung neuer
Proteinmedikamente beigetragen, die selektiv nur bestimmte Teilfunktionen
des Immunsystems hemmen. Folgende Medikamentengruppen werden eingesetzt:
Glucocorticoide
Glucocorticoide sind lebensnotwendige Hormone des menschlichen
Körpers, die in der Nebenniere hauptsächlich in der Form von Cortisol
synthetisiert werden. In physiologischen Dosen wirken sie nicht immunsuppressiv.
Häufige starke Stresssituationen bewirken jedoch eine verstärkte Produktion,
die bereits für erhöhte Infektanfälligkeit verantwortlich gemacht
wird. Pharmakologische Dosen von Glucocorticoiden wirken stark immunsuppressiv.
Dies beruht hauptsächlich darauf, dass sie die Expression zahlreicher
Zytokine bremsen. Glucocortcoide haben zudem komplexe, in wenigen
Worten nicht beschreibbare Effekte auf die Apoptose von Lymphozyten.
Sie werden bei manchen lymphatischen Leukämien und Lymphomen eingesetzt,
das sie Apoptose dieser Zellen auslösen können. In
welchen normalen Lymphozyten sie möglicherweise ebenfalls Apoptose
auslösen, ist nicht hinreichend geklärt. Glucocorticoide verstellen
auch die Apoptoseschwelle in den Prozessen der positiven und negativen
Selektion im Thymus. Längerdauernde Anwendung führt zu einer breiten
Palette an Nebenwirkungen: Hyperglykämie, Hypertonie, gastrointestinale
Ulcera und Blutungen, Fettumverteilung mit Mondgesicht und Stammfettsucht.
Ciclosporin
Tacrolimus (FK506)
Diese beiden Medikamente hemmen vor allem die klonale
Expansion der T-Zellen, die von der autokrinen IL-2-Schleife abhängig
ist. Sie entkoppeln die Signaltransduktion, die vom aktivierten T-Zell-Rezeptor
zum Anschalten des IL‑2-Gens führt. Der Mechanismus ist im Detail
kompliziert. Beide Medikamente binden an verschiedene Immunophiline
und hemmen damit die Phosphatase Calcineurin. Diese wäre aber notwendig,
um einen Teil eines Transkriptionsfaktors, nuclear
factor of activated T cells (NFAT), zu dephosphorylieren und vom
Zytoplasma in den Kern zu transferieren. Ohne komplettierten NFAT
kann das IL‑2-Gen nicht aktiviert werden. Hauptnebenwirkung
ist Nephrotoxizität.
Sirolimus/Rapamycin
Sirolimus hemmt die Zytokin-aktivierte Kinase
mTOR (mammalian target of rapamycin).
Wenn T-Zellen durch IL‑2 und andere Wachstumssignale stimuliert werden,
führt das zur Aktivierung von mTOR. mTOR ist Teil eines regulatorischen
Komplexes, der die Proteinsynthese der Zelle in Abhängigkeit von der
Verfügbarkeit von Energie und Aminosäuren steuert. Sirolimus hemmt also die
Proteinsynthese, ohne die rasche Zellproliferation nicht möglich ist. Da diese
Wirkung nicht auf Lymphozyten beschränkt ist, ergeben sich als Nebenwirkungen
Anämie, Leukopenie, Thrombopenie, gastrointestinale und Wundheilungsstörungen.
Mycophenolat
Methotrexat
Azathioprin
Bei diesen Molekülen handelt es sich um Antimetaboliten,
die im Endeffekt die DNA-Synthese und damit die Zellteilung behindern.
Obwohl niedriger dosiert, handelt es sich hier um Chemotherapeutika
mit den charakteristischen Nebenwirkungen auf rasch proliferierende
Gewebe (Knochenmarkdepression, gastrointestinale Störungen).
Alemtuzumab
ist ein humanisierter monoklonaler Antikörper gegen CD52,
ein glycosylphosphatidylinositol-(GPI)-verankertes Glycoprotein, das
auf der Zellmembran aller reifen Lymphozyten exprimiert wird, aber
nicht auf Stammzellen. Nach Bindung werden die Lymphozyten über Complement
oder ADCC getötet. Der Antikörper wird vor allem in der Tumortherapie
gegen Lymphome eingesetzt, seltener in der Immunsuppression.
Rituximab
Ocrelizumab
Diese beiden Antikörper binden jeweils CD20, das auf allen B-Zellen exprimiert wird. Rituximab wird hauptsächlich zur Behandlung von B-Zelllymphomen verwendet, selten zur Immunsuppression, während Ocrelizumab bei Multipler Sklerose eingesetzt wird.
Natalizumab
ist ein humanisierter monoklonaler Antikörper gegen Integrin
α4:β1. Dieser Antikörper
wirkt nicht allgemein immunsuppressiv, sondern wurde für eine Spezialsituation
entwickelt: er soll bei PatientInnen mit Multipler Sklerose das Einwandern
von Lymphozyten in das Gehirn verhindern. T-Lymphozyten binden mit
ihrem Integrin α4:β1 an VCAM-1 (vascular
cellular adhesion molecule) der Endothelzellen im ZNS. Dieser
Kontakt wird durch den Antikörper verhindert, sodass bei behandelten
PatientInnen wesentlich weniger demyelinisierte Läsionen entstehen.
Allerdings haben einzelne Behandelte unter dieser Therapie eine schwere
zentralnervöse Erkrankung erlitten, progressive multifokale Leukoencephalopathie,
die durch das sonst harmlose JC-Virus, gegen das 86% aller Menschen
Antikörper haben, ausgelöst wird. Offensichtlich wird dieses verbreitetete
Virus sonst leicht durch das Immunsystem in Schach gehalten, es kann
sich aber unter Natalizumab-Therapie dieser Kontrolle im Einzelfall
entziehen.
Etanercept
Infliximab
Adalimumab
Auch
diese Proteinmedikamente wirken nicht im vollen Sinn immunsuppressiv;
sie wirken spezifisch TNFα entgegen, indem sie dieses binden
und aus entzündetem Gewebe entfernen (Details über TNFα finden
sich in Abschnitt 1.11). Anti-TNFα-Therapie wird gegen Rheumatoide
Arthritis, Psoriasis-Arthritis, Morbus Crohn und schwere Ausprägungen
von Psoriasis eingesetzt. Die Therapie muss im Fall von Infektionen
unterbrochen werden und trägt möglicherweise zur fallweise beobachteten
Reaktivierung von Tuberkulose aus Granulomen bei.
Abatacept
ist ein Proteinmedikament, das kostimulierende B7-Moleküle bindet und damit neutralisiert. Damit wird die Aktivierung von T-Zellen durch Antigen-präsentierende Zellen gebremst. Das Medikament wird gegen Rheumatoide Arthritis eingesetzt. Weitere Indikationen zeichnen sich ab: so konnte das Fortschreiten von Diabetes mellitus Typ 1 verlangsamt werden.
Das Immunsystem hält außerordentlich wirksame Mechanismen
bereit, mikrobielle Invasoren zu zerstören. Das wesentliche biologische
Problem dabei ist, zu verhindern, dass sich dieses Zerstörungspotential
gegen das eigene Gewebe richtet. Sicherheitsvorkehrungen, wie die
frühzeitige Deletion autoreaktiver Klone, die Notwendigkeit mehrerer
gleichzeitiger, koordinierter Signale zur Aktivierung des nächsten
Schritts ("Entsicherung"), der Eintritt des Zustands von
peripherer Anergie, wenn eine Antigenerkennung ohne die
Entsicherungs-signale erfolgt, verhindern unnötige Gewebsschädigung
in den allermeisten Fällen.
Trotz dieser Sicherungssysteme kommt es manchmal vor,
dass das Immunsystem den eigenen Organismus schädigt. Von dieser Fehlfunktion
des Immunsystems abzugrenzen ist die Transplantatabstoßung, die, obwohl
krankmachend, eine "normale" Reaktion des Immunsystems darstellt.
Ein sehr häufig auftretendes Problem ist das der Allergie.
Der Begriff "Allergie" wurde ursprünglich (1906) durch den
Wiener Ordinarius für Kinderheilkunde Clemens von Pirquet geprägt,
um eine veränderte Reaktionsbereitschaft des Körpers auf eine exogene
Substanz auszudrücken. Er wählte diesen Ausdruck als Gegensatz zur
"Normergie", der normalen Reaktionsbereitschaft des Immunsystems.
Heute versteht man unter Allergie Krankheitserscheinungen, die durch
eine (zu starke) Immunreaktion gegen harmlose exogene Antigene ausgelöst
werden. Das Problem dabei ist meist, dass dieses Antigen durch die
Immunreaktion nicht zum Verschwinden gebracht wird, sondern von außen
immer wieder nachgeliefert wird.
Leider verstehen wir die Faktoren, die dazu führen, dass
manche Menschen an Allergien oder Autoimmunphänomenen erkranken, nur
sehr unzureichend. Meist jedoch ist ein Zusammentreffen von mehreren
genetischen und Umwelt- Faktoren notwendig, um diese Erkrankungen
auszulösen.
Die
Bedeutung genetischer Komponenten beruht darauf, dass viele Bestandteile
des Immunsystems nicht bei allen Menschen gleich sind, sondern in
verschiedenen allelischen Varianten vorkommen. Manche dieser Varianten
senken die Schwelle zur Auslösung einer bestimmten Immunreaktionsform.
"Atopie" ist ein alter klinischer Begriff für eine genetisch
bedingte Neigung, Typ I-Allergien (besonders Inhalationsallergien)
und atopische Dermatitis (Neurodermitis) zu entwickeln. Während man
die chromosomalen Regionen, manchmal sogar die einzelnen verantwortlichen
Gene durch die Häufung bestimmter Varianten bei Allergie-Patienten
kennt, versteht man den genauen molekularen Mechanismus, der für diese
Schwellensenkung verantwortlich ist, meist noch nicht. Viele verschiedenen
Genloci können dazu beitragen, zum Beispiel:
·
auf 11q: bestimmte Polymorphismen der
β–Einheit des
Fc-Rezeptors für IgE.
·
auf 5q, wobei noch nicht klar ist welche
Gene dafür verantwortlich sind. Polymorphe Kandidatengene dieser Region
kodieren einerseits für Zytokine (IL-3, IL-4, IL-5, IL-9, IL-13, GM-CSF),
andererseits für den adrenergen β–Rezeptor.
·
auf 6p: der HLA-Locus.
Umweltfaktoren können einen graduell sehr verschieden
starken Beitrag zur Auslösung einer Allergie leisten. Am einen Ende
des Intensitätsspektrums steht eine in Nordamerika verbreitete Pflanze,
die ein Hapten enthält, das bei praktisch jeder Person, die mit der
Pflanze in Berührung kommt, unabhängig von ihrer genetischen Konstitution
heftige Hautreaktionen auslöst. Die Pflanze hat dadurch den Namen
poison ivy bekommen. In anderen Fällen steht der beobachtete Umweltfaktor
weit im Hintergrund. Als Beispiel kann die Beobachtung dienen, dass
Populationen, die seltener bestimmten Infektionskrankheiten, wie Hepatits
A, Tuberkulose oder Masern, ausgesetzt sind, häufiger an Allergien
leiden. Die sogenannte Hygienehypothese postuliert hier einen ursächlichen
Zusammenhang.
Gell und Coombs haben versucht, die sehr verschiedenartigen
Krankheitsbilder, die durch Schädigungswirkung des eigenen Immunsystems
auftreten, nach ihrem Entstehungsmechanismus in vier Typen einzuteilen.
Als Spezialfall wird manchmal noch ein fünfter Typ unterschieden.
Diese Schädigungstypen werden auch als "Überempfindlichkeitsreaktionen"
bezeichnet.
Diese Einteilung beruht auf dem Schädigungsmechanismus, nicht auf der Ursache der
Immunreaktion. Ursache dieser Krankheitsbilder können also Allergien
(bei exogenen Antigenen), Autoimmunität (bei endogenen Antigenen)
oder unerwünschte Kollateralschäden von im Prinzip sinnvollen Abwehrreaktionen
sein. Diese Ursachen sind nicht gleichmäßig über die Überempfindlichkeitsreaktionen
verteilt. Typ-I Reaktionen sind meist Allergien; Typ-II und III-Reaktionen
meist autoimmuner Natur. Zu Typ IV-Reaktionen tragen alle Ursachen
bei.
Das Prinzip dieses als "Soforttyp" oder "anaphylaktischer Typ" bezeichneten Schädigungsmusters wurde bereits im Abschnitt "Immunglobulinklassen" unter "IgE" besprochen. IgE binden an den Fcε-Rezeptor auf Mastzellen und werden dort durch ein Allergen quervernetzt, was zur Ausschüttung von Histamin und chemotaktischen Molekülen führt. Dadurch entsteht eine anfangs Histamin-, später Zell-betonte Entzündungsreaktion. TH2-Zellen sezernieren IL‑4, IL‑5 und IL‑13, wobei IL‑5 besonders Eosinophile rekrutiert und aktiviert. Auf die Dauer führt das Eosinophilen-betonte Infiltrat zu Umbauvorgängen und irreversiblen Schäden, z. B. in den kleinen Luftwegen, sodass ein rechtzeitiges therapeutisches Eingreifen mit Allergenkarenz, Glucocortioiden oder Biologika zentral ist.
Mastzellen sitzen vorwiegend unter Epithelien,
die als Eintrittspforten für Parasiten in Frage kommen, also in der Haut und in
den Schleimhäuten von Atemwegen und Magen-Darm-Trakt. In diesem Fall richten
sich die eigentlich zur Bekämpfung von Parasiten entwickelten Mechanismen gegen
harmlose exogene Antigene, die meist entweder inhaliert oder mit der Nahrung
aufgenommen werden. Werden die spezifischen Antigene, meist Proteine,
identifiziert, bekommen sie eine Benennung nach dem sie enthaltenden
Organismus. Beispiele: Birke (Betula
verrucosa), Hauptantigen: Bet v 1. Haselnuss (Corylus avellana): Cor a 1 und
für Nahrungsmittelallergien zusätzlich relevante Antigene Cor a 8, Cor a 9
und Cor a 14. Bet v 1 und Cor a 1 sind sehr
ähnlich – Birke und Haselstrauch sind nahe verwandt –, sodass es häufig zu
Kreuzallergien gegen die Pollen beider Gewächse kommt.
Einige Beispiele für häufige Typ I-Auslöser:
Inhalationsantigene:
·
Pollen von
-Gräsern: Lieschgras, Knäuelgras, aber auch von Kulturpflanzen wie
Roggen
-Kräutern: Beifuß, Spitzwegerich
-Bäumen und Sträuchern: Hasel (Cor a 1), Erle, Birke
(Bet v 1)
·
Pilzsporen von Schimmel: Aspergillus,
Alternaria, Cladosporum
·
Tierantigene: Katzenepithelien, Hundeepithelien,
Wellensittichkot- oder Serumprotein, Vogelfedern
·
Hausstaubmilbenantigen
Das Antigen Der p 1 aus dem Kot der
Hausstaubmilbe (Dermatophagoides pteronyssinus)
ist einer der häufigsten Auslöser von "Heuschnupfen" oder
allergischem Asthma. Die Hausstaubmilbe ernährt sich von Hautschuppen des
Menschen und vermehrt sich am besten in feuchter, warmer Umgebung. In modernen
Wohnhäusern kommt sie durch Wärmedämmung und geringen Luftaustausch daher in
viel höherer Konzentration vor als in früheren Zeiten; die höchsten Zahlen von
Milben pro Volumseinheit finden sich in den Matratzen. Der entscheidende Faktor
für die Antigenität des Proteins Der p 1ist seine enzymatische
Aktivität: eigentlich adaptiert als Protease-Verdauungsenzym für Hautschuppen, spaltet
es – eingeatmet – einen Bestandteil der tight
junctions zwischen den Atemwegsepithelzellen und kann damit die
Epithelbarriere besonders effizient überwinden.
Nahrungsmittelallergene (*bezeichnet Pollenallergie-assoziierte Nahrungsmittelallergene):
·
Nüsse: Erdnuss (eigentlich eine Hülsenfrucht),
Mandel*, Haselnuss*
·
Früchte: Kiwi*, Apfel*
·
Gemüse: Fenchel, Sellerie*
·
Milch: α-Lactalbumin, β-Lactoglobulin,
Kasein
·
Getreide: Weizenmehl
·
Eier: Hühnereiweiß (Ovalbumin)
·
Fisch: Barsche, Lachs
·
Meeresfrüchte
Wie ist die Pollenallergie-Assoziation zu erklären? In den erwähnten Fällen enthalten Nahrungsmittel und Pollen dieselben oder sehr ähnliche Proteine, sodass das Immunsystem auf beides reagiert. Unmittelbar einsichtig ist dies z. B. bei der Haselnuss, bei der das Cor a 1-Protein sowohl in den Haselpollen als auch in der gegessenen Nuss enthalten ist.
Auch oral aufgenommene Medikamente wie Penicillin können Typ I-Reaktionen auslösen.
Nahrungsmittelallergien können sich nicht nur
im Magen-Darm-Trakt mit Durchfall und Erbrechen manifestieren, sondern auch in
anderen Organen Symptome auslösen: in den Atemwegen mit Husten, Asthmaanfall,
in der Haut mit Urticaria oder systemisch mit allgemeiner Gefäßerweiterung, die
zu Blutdruckabfall, Synkope, im Extremfall zum anaphylaktischen Schock führen
kann. Wie ist das möglich? Erinnern wir uns daran, dass winzige Mengen von
Makromolekülen die Darmwand via M‑Zellen passieren und dann mit dem Blut
verteilt werden können. Ist die Affinität von auf Mastzellen sitzendem IgE hoch
genug, kann das verteilte Antigen IgE auch auf Mastzellen in der Lunge, der
Haut oder sonstwo im Körper quervernetzen.
Bei Nahrungsmittelallergien ist es wichtig, immunologisch
bedingte Erkrankungen von anderen Schädigungsmechanismen zu unterscheiden,
die vielfach häufiger sind. Wenn ein Patient berichtet, "gegen
Milch allergisch" zu sein, ist das häufig nicht auf IgE gegen
Milcheiweiße, sondern auf Laktoseintoleranz zurückzuführen. Der mit dem
Lebensalter zunehmende Mangel des Enzyms Laktase, das den Milchzucker
in seine Einfachzucker spaltet, betrifft in Mitteleuropa ca. 15% der
Erwachsenen und führt zu Durchfällen, die osmotisch sowie durch bakterielle
Fehlbesiedlung bedingt sind. Andere Beispiele für Pseudoallergien
sind Fructoseintoleranz bei Obst oder Scombroid-Fischvergiftung durch
Histaminbildung aus Histidin auf unzureichend gekühlten Fischoberflächen.
Typ I-Allergien werden zwar häufig durch inhalative oder
orale Aufnahme ausgelöst, doch sind auch andere Wege möglich: Latexpartikel
können z. B. direkt auf der Haut Quaddelbildung und Juckreiz auslösen.
Besonders effizient kann die Epithelbarriere natürlich durch Injektion
überwunden werden: das gilt nicht nur für die Auslösung von Medikamentenallergien
wie jene gegen Penicillin, sondern auch für die gegen Bienen- oder
andere Insektengifte.
Die wichtigste Komponente der Therapie einer Typ-I-Allergie,
speziell bei allergischem Asthma, ist die Allergenkarenz: der Kontakt
des Patienten mit dem auslösenden Allergen muß so weit wie möglich
vermieden werden. Falls dies nicht geschieht, führt folgender Pathomechanismus
allmählich zu einer Ausweitung der Allergenpalette: Mastzellen, die
durch Quervernetzung ihrer IgE aktiviert werden, schütten nicht nur
ihre Granula aus, sondern verfügen auch über Mechanismen, die in der
Nähe befindliche B-Zellen zum class switch zu IgE bewegen können. Das
geschieht z. B. über Expression von CD40-Ligand auf der Mastzelloberfläche
und durch Freisetzung von IL-4. Das bedeutet, dass der Patient gegen
Antigene, gegen die er früher IgM oder IgG gebildet hat, nun auch
IgE produziert. Damit wird er allmählich gegen immer mehr Antigene
allergisch.
Bei diesem Typ entsteht Gewebsschädigung durch Antikörper,
die direkt gegen körpereigene Zielstrukturen gerichtet sind. Meist,
aber nicht immer, gehen dabei Zellen zugrunde. Das ist über zwei Mechanismen
möglich: Komplementlyse bei Komplement-bindenden Antikörpern oder
ADCC (antibody-dependent cellular cytotoxicity).
Einige Beispiele von Erkrankungen mit auslösenden Antigenen:
·
Pemphigus vulgaris: Desmoglein (3 und 1) in Desmosomen zwischen Keratinozyten: die Blasen
in der Haut entstehen intraepithelial.
·
Bullöses Pemphigoid: Strukturkomponenten der Hemidesmosomen (BP180 = Kollagen XVII
und BP230, benannt nach der Erkrankung), mit der die Keratinozyten der Haut an
der Basalmembran verankert sind: die Blasen entstehen subepithelial.
·
Myasthenia gravis: Acetylcholinrezeptor
der motorischen Endplatten.
·
Goodpasture-Syndrom: α3-Kette von Typ IV-Kollagen in der Basalmembran von Lungenalveolen
und Glomerula.
·
Immun-hämolytische Anämie: Einerseits kommen Autoantikörper gegen Bestandteile der
Erythrozytenmembran vor, z.B. IgG gegen Rhesuskomponenten ("Wärmeantikörper"),
oder IgM gegen I/i-Antigene ("Kälteagglutinine"). Letztere treten
häufig 2-3 Wochen nach einer Mycoplasmen-Pneumonie auf und binden erst bei
niedrigeren Temperaturen, wie sie z.B. in Fingern und Zehen herrschen.
Andererseits können sich Medikamente wie Penicilline oder Cephalosporine an
Erythrozytenmembranproteine binden und als Hapten Antikörperbildung induzieren.
Erythrozytenzerstörung erfolgt jeweils durch Komplement und/oder Monozyten.
·
Immun-thrombozytopenische Purpura:
Glycoprotein IIb-IIIa auf Thrombozyten.
Ein Sonderfall ist die Erythroblastosis fetalis bei Rhesusinkompatibilität, bei der die Antikörper
der in einer früheren Schwangerschaft sensibilisierten Rhesus-negativen
Mutter über die Plazenta in den Kreislauf des Rhesus-positiven Fetus
gelangen. Auch AB0-Transfusionszwischenfälle laufen nach einem Typ-II-Schädigungsmuster
ab, wenn sich auch in diesen beiden Fällen das Immunsystem natürlich
nicht gegen Zellen desselben Individuums richtet.
Immunkomplexe sind ein normales Phänomen bei Abwehrreaktionen.
Mechanismen wie der Abtransport über CR1 auf Erythrozyten oder die
Phagozytose durch Gewebsmakrophagen dienen ihrer Entsorgung. Erst,
wenn die Entsorgungssysteme überlastet werden, treten Krankheitserscheinungen
auf. Bestimmend für die Lokalisation von Gewebsschäden ist die Größe
der Immunkomplexe. Die "Heidelberger-Kurve" beschreibt die
Größe der entstehenden Immunkomplexe in Abhängigkeit von der molaren
Relation zwischen Antigen und Antikörper. Sind etwa gleich viele Moleküle
von Antigen und Antikörper vorhanden, entstehen große, dreidimensional
vernetzte Strukturen, die Präzipitate bilden und vor Ort liegenbleiben.
Sind Antigen oder Antikörper in starkem Überschuß vorhanden, entstehen
kleine, lösliche Immunkomplexe, die mit dem Blut im Organismus verteilt
werden und erst an Filtrationsstellen liegenbleiben. So unterscheidet
man zwei Untertypen:
Bei der Arthus-Reaktion
bilden sich relativ große Komplexe, die lokal liegenbleiben und über
Komplementaktivierung und Phagozytenrekrutierung eine lokale Entzündungsreaktion
auslösen. Wichtige Erkrankungen dieses Typs sind die verschiedenen
Formen der exogen-allergischen Alveolitis. Wenn Inhalationsallergene
in hohen Konzentrationen auftreten, reagiert das Immunsystem oft nicht
mit der Produktion von IgE, sondern IgG. Das führt zur Ablagerung
von Immunkomplexen in der Alveolarwand, gefolgt von einer Entzündung.
Beispiele und beteiligte Antigene sind:
·
Farmerlunge: Actinomyceten im Heu
·
Vogelzüchterlunge: Protein im Kot der
Tiere
·
Käsewäscherlunge: Schimmelpilze auf
der Käserinde
·
Weinhauerlunge: Schimmelpilze auf Spätlesetrauben
Auch die Rheumatoide Arthritis hat eine Arthus-Komponente,
da sich im Gelenk Antigen-Antikörperkomplexe aus Rheumafaktor (= Antikörper
gegen den Fc-Teil von IgG; meistens vom IgM-, aber auch vom IgG-Typ)
und IgG bilden.
Vom Typ der Serumkrankheit
spricht man, wenn kleine Immunkomplexe mit dem Blut verschleppt werden
und sich an allen Filtrationsstellen ablagern: Glomerula, seröse Häute,
Gelenke, Arteriolen. Durch Komplementbindung und Rekrutierung von
Phagozyten kommt es im umliegenden Gewebe zu Entzündung und Zerstörungen.
Beispiele:
·
Systemischer Lupus Erythematodes: viele
Autoantigene (aus dem Zellkern)
·
Poststreptokokken-Glomerulonephrits:
Streptokokkenantigene
·
Malaria-Nephritis: Plasmodien-Immunkomplexe
Eine Penicillinallergie kann auch als Typ-III-Reaktion
ablaufen.
Dieser Typ wird als Spätreaktion oder als Reaktion vom
verzögerten Typ bezeichnet. Dies rührt daher, dass die meisten "klassischen"
Allergien entweder dem Typ I oder dem Typ IV zuzurechnen sind. Bei
Typ I folgen die Krankheitserscheinungen der Allergenexposition sofort
(daher "Sofortreaktion"), bei Typ IV dauert das Intervall
etwa 48 Stunden. Das ist die erforderliche Zeit, bis T-Zellen und
Makrophagen sich am Ort der Auseinandersetzung akkumuliert haben.
Die zelluläre Immunreaktion kann entweder den Charakter der Makrophagenaktivierung
mit TH1-Zellen, oder den einer zytotoxischen (CD8+) T-Zellantwort
haben. Manchmal wird auch eine chronifizierte Spätphase einer Typ-I-Reaktion,
das Eosinophilen-betonte zelluläre Infiltrat, als Sonderform einer
Typ-IV-Reaktion bezeichnet.
Ein positiver Mendel-Mantoux-Test zeigt eine klassische
Spätreaktion. Dabei wird antigenes Material aus Tuberkelbakterien
intrakutan injiziert. Ein zwei Tage später auftretendes, rotes, hartes,
trockenes Knötchen zeigt, dass sich das Immunsystem des Getesteten
bereits mit Tuberkelbakterien auseinandergesetzt hat; entweder durch
eine Infektion oder durch eine BCG-Impfung. Das harte Knötchen stellt
das zelluläre Infiltrat von TH1-Zellen und Makrophagen
dar.
Die Kontaktdermatitis ist das typische Beispiel einer
Typ IV-Erkrankung. Sie beruht meist darauf, dass körpereigene Proteine
durch an sie bindende Metalle oder Haptene verändert werden. Langerhanszellen
nehmen die veränderten Proteine auf, wechseln in den Lymphknoten und
präsentieren sie dort auf MHC-II-Molekülen. Dadurch entstehen spezifische
TH1-Effektorzellen, die wieder in die Haut zurückwandern
und dort eine Makrophagenaktivierung einleiten. Typische Auslöser
sind:
·
Metalle: Nickel- aus
Uhren, Modeschmuck, Jeansknöpfen, Scheren
Chromat- im
Zement- bei Bauarbeitern, auch in Lederwaren
Kobalt- Farben, Zement
·
Inhaltsstoffe von Kosmetika
·
berufsspezifische Stoffe (z. B. Haarfärbemittel
bei Friseuren)
· Pflanzenhaptene: aus poison ivy, sowie aus vielen verschiedenen, auch Heilpflanzen: Salben mit Kamillen-, Ringelblumen, Arnikazusätzen lösen oft starke Kontaktallergien aus.
Klinisch erscheint eine Kontaktallergie ca. 48 h nach
Antigenkontakt als rote, indurierte konfluierende Papeln, trocken
und schuppend.
Typ IV-Reaktionen vom zytotoxischen Typ findet man naturgemäß
im Zusammenhang mit Viruserkrankungen: Exantheme bei Röteln, Masern
etc., ebenso wie die Leberfunktionseinschränkung bei Hepatitis B.
Diabetes mellitus Typ 1 geht ebenfalls
auf eine zelluläre Autoimmunreaktion zurück, die zur langsamen Ausrottung
der Insulin-produzierenden Zellen in den Inseln des des Pankreas führt.
1.
Nahrungsproteininduzierte allergische
Proktokolitis (food protein-induced
allergic proctocolitis (FPIAP) mit blutigen oder schleimigen Stühlen.
2.
Food
protein-induced enterocolitis syndrome (FPIES): Akut kommt es oft 2-4 Stunden nach der
Nahrungsaufnahme zu rezidivierendem Erbrechen. Chronisch kommen schwere
Durchfälle und Gedeihstörungen dazu.
Bei allen Altersstufen kann Zöliakie (Gluten-Enteropathie) auftreten, die wir bei "Ernährung und Verdauung" genauer in Augenschein nehmen werden.
Da Antikörper praktisch gegen jedes Antigen gebildet
werden können, ist es nicht erstaunlich, dass die Antigenbindungsregion
auch eine Form annehmen kann, die einem Peptidhormon ähnelt. Das ist
beim Mb. Basedow --englisch Graves´
disease-- der Fall, bei der ein spezifischer Antikörper den TSH-Rezeptor
auf Schilddrüsenzellen so bindet, dass er diesen auch aktiviert. Es
resultiert eine Schilddrüsenüberfunktion.
Die Auslösung von Autoimmunerkrankungen verstehen wir nur äußerst unzureichend, doch ist dazu in der Regel, wie bei der Allergie, das Zusammentreffen mehrerer genetischer und Umweltfaktoren nötig.
Unter den genetisch prädisponierenden Faktoren finden sich in erster Linie bestimmte HLA-Allele, weiters allelische Varianten von Immunglobulingenen, T-Zell-Rezeptorgenen, Komplementgenen, Genen für Komponenten des Antigen-processing und der Apoptose-Maschinerie. Ein weiterer Faktor ist das weibliche Geschlecht: Autoimmunerkrankungen treten bei Frauen häufiger auf als bei Männern.
Betrachten wir ein konkretes Beispiel. Diabetes mellitus Typ 1 (DM1) entsteht durch eine T-Zell-Autoimmunreaktion, die zur Zerstörung der β-Zellen in den Pankreasinseln führt. Seit langem ist bekannt, dass HLA-DR3 und –DR4 das Risiko für die Entwicklung eines DM1 erhöhen, während DR2 es erniedrigt. Diese Assoziationen sind jedoch wahrscheinlich nur ein Ausdruck des Kopplungsungleichgewichts, in dem diese Loci mit der entscheidenden Position 57 der β-Kette von HLA-DQ stehen. Ein Aspartat an dieser Position schützt vor DM1 durch eine Ionenbindung mit einem Arginin der α-Kette, die als Querverstrebung zwischen α und β-Kette die Form des Peptidbindungsspalts beeinflusst. Dadurch kann entweder das kritische, die Autoimmunreaktion auslösende Peptid in diesem Bindungsspalt nicht präsentiert werden, oder aber ein für die Tolerisierung notwendiges Peptid kann besonders gut präsentiert werden— welches dieser beiden Denkmodelle zutrifft, ist noch unklar. In anderen Allelen an dieser Position vorkommende Aminosäuren wie Alanin, Valin oder Serin sind zu dieser Querverstrebung jeweils nicht fähig; die entsprechenden Allele bringen eine Suszeptibilität gegenüber DM1 mit sich. Diese HLA-Peptidspalt-abhängige Form der genetischen Suszeptibilität trifft wahrscheinlich auf viele Autoimmunerkrankungen zu. Eine sehr ähnliche Konfiguration kennen wir bezüglich der Positionen 67-74 der HLA-DR β-Kette und Rheumatoider Arthritis: die Sequenz Leu-Leu-Glu-Gln-Lys/Arg-Arg-Ala-Ala an dieser Stelle macht das Individuum empfänglicher für diese Erkrankung.
Bei der Erforschung der Entstehung von Autoimmunerkrankungen sind wir stark auf Tiermodelle angewiesen, die auf genetischer Basis spontan bestimmte Autoimmunerkrankungen entwickeln und leichter untersucht werden können als menschliche Patienten. Ein Modell für DM1 stellt die non-obese diabetic (NOD) mouse dar. Bei der NOD-Maus sind die Insel-invadierenden T-Lymphozyten hauptsächlich TH1-Zellen, und die für die Entwicklung der Erkrankung entscheidenden Peptide stammen aus der B-Kette des Insulins mit den Aminosäurepositionen 9-23. NOD-Mäuse, die durch entsprechenden knockout ohne normales Insulingen aufwachsen (aber zugleich –sorry, kompliziert!-- durch ein verändertes, trotzdem funktionelles, aber nicht-autoimmunogen wirkendes Insulin-Transgen vor der Entwicklung eines Diabetes bewahrt werden) entwickeln keine Insel-Infiltration und keinen autoimmun bedingten Diabetes mellitus. Wenn Teile des Insulins selbst entscheidend für die Auslösung der Autoimmunreaktion sind, wird auch verständlich, dass nur die β-Zellen, nicht aber die anderen Inselzellen durch die Erkrankung zerstört werden. Ob die Präsentation von Insulinpeptiden auch beim Menschen entscheidend ist, muss erst geklärt werden. Zwei weitere Eigenschaften des NOD-Mausmodells sind bemerkenswert. Weibliche Mäuse erkranken früher als männliche Mäuse, und trotz genetischer Homogenität erkranken nicht alle Mäuse, was auf nicht-genetische Zusatzbedingungen für die Auslösung der Erkrankung schließen lässt.
Autoimmunerkrankungen werden häufig in organspezifische und systemische unterteilt. Zu den organspezifischen Autoimmunerkrankungen gehören:
• Diabetes mellitus Typ I
• M. Basedow
• Hashimoto-Thyreoiditis
• Multiple Sklerose
Beispiele für systemische Autoimmunerkrankungen sind:
• Rheumatoide Arthritis
• Systemischer Lupus Erythematodes (SLE)
•
Systemische Sklerose (Sklerodermie)
• Sjögren-Syndrom
• Polymyositis und Dermatomyositis
Es
ist fraglich, ob diese Einteilung mehr bedeutet, als einfach die Verbreitung
der jeweiligen Autoantigene widerzuspiegeln.
Wie am Beginn dieses Skriptums erwähnt, besteht das Grundproblem der Abwehr darin, zu erkennen, was abgewehrt werden muss. Moleküle eines Eindringlings sehen per se nicht anders aus als die eigenen Moleküle. Ideal wäre es, alles abzuwehren, was für den eigenen Organismus gefährlich ist, und alles andere zu ignorieren. Leider gibt es kein Molekül, das das abstrakte Konzept "Gefahr" erkennen kann, und die Evolution musste Ersatzlösungen entwickeln, die diesem Ideal möglichst nahe kommen.
Strategie 1: Zu tolerierende Antigene definieren
Problem: Diese Antigene können nur unscharf definiert werden
Die wichtigste Komponente dieser Lösung ist eine Unterscheidung "fremd-selbst". Diese ist in einem großen Ausmaß möglich, denn Selbst ist physisch vorhanden, Selbst kann vom Immunsystem betrachtet werden und mit Hilfe von Wahrscheinlichkeiten kann das Immunsystem einen Großteil dessen "lernen", was Selbst darstellt.
Wahrscheinlichkeit in den zentralen Organen: Wenn der neu rearrangierte Antigenrezeptor eines jungen, unreifen Lymphozyts noch im Knochenmark oder Thymus reichlich Kontakt mit der Außenwelt meldet, erkennt dieser Antigenrezeptor wahrscheinlich Selbst, da Selbst sofort und reichlich vorhanden ist. Ein solcher Lymphozyt wird durch sein eingebautes Steuerungssystem in Apoptose oder Anergie geführt, da er autoreaktiv wäre.
Das Aussortieren selbstreaktiver Zellen muss auf der T-Zell-Seite wahrscheinlich stringenter erfolgen als auf der B-Zell-Seite, da B-Zellen in der Regel ja noch T-Zell-Hilfe benötigen. Damit Selbst-reaktive Thymozyten eliminiert werden können, ist es theoretisch notwendig, möglichst viele Selbst-Antigene, die sonst nur in einem peripheren Organ exprimiert werden, auch im Thymus zu Demonstrationszwecken zu exprimieren. Dies geschieht tatsächlich; und ein Ausfall eines solchen Mechanismus führt zu Autoimmunerkrankungen. Der Transkriptionsfaktor AIRE (Auto-Immune REgulator) bewirkt im Thymus die ektopische Expression von Proteinen, die sonst nur spezifisch in spezialisierten Geweben vorkommen, wie Parathormon, Retina- oder ovarielle Proteine. Menschen, bei denen dieser Transkriptionsfaktor defekt ist, entwickeln ein Autoimmunsyndrom, das zur Zerstörung vieler Gewebe, z. B. der Epithelkörperchen, führt (autoimmune polyglandular syndrome type 1 oder APECED: Autoimmune Poly-Endocrinopathy -Candidiasis-Ectodermal Dystrophy).
Unter den Lymphozyten, die in die Peripherie entlassen wurden, sind manche notwendigerweise grenzwertig autoreaktiv. Das gilt besonders für T-Zellen, die ja gerade aufgrund einer Reaktionsfähigkeit mit dem eigenen MHC positiv selektioniert wurden.
Wahrscheinlichkeit in der Peripherie: Treffen reife naive T-Lymphozyten in der Peripherie auf ein Peptid, das ohne kostimulatorische Signale präsentiert wird, handelt es sich wahrscheinlich um Selbst. Die entsprechenden Lymphozyten werden tolerisiert, d. h., in einen Zustand peripherer Anergie geführt oder, seltener, in Apoptose. Manche dieser T-Zellen werden auch zu aktiven regulatorischen T-Zellen gemacht, einem Selbst-Peptid-spezifischen Wachdienst, der potentielle Selbst-Revolutionäre unter Kontrolle hält.
Umgekehrt macht es eine gleichzeitige Aktivierung der nicht-adaptiven Abwehr für T-Zellen wahrscheinlich, dass es sich bei einem ihnen präsentierten Peptid um "fremd/gefährlich" handelt. Dies wird der T-Zelle durch B7-Moleküle auf über pattern recognition receptors aktivierten dendritischen Zellen und Makrophagen gezeigt.
In dendritischen Zellen gibt es anscheinend sogar einen speziellen Mechanismus, der dafür sorgt, dass PAMP-assoziiertes Material in einen eigenen endosomalen Verarbeitungsweg geschleust wird, der sich vom endosomalen Verarbeitungsweg harmlosen Materials unterscheidet. Nur das PAMP-assoziierte Material wird von TLR zu einem Fließband in Richtung MHC-II-tragende Vesikel gesteuert. Material ohne PAMPs, das vermutlich Material von Selbst darstellt, wird dagegen nur abgebaut, ohne irgendwo präsentiert zu werden.
Bei Impfungen nützen wir diese Kostimulator-abhängige Dichotomie zwischen Immunisierung und Tolerisierung zu unserem Vorteil, indem wir durch Adjuvantien die Expression von B7-Molekülen und inflammatorischen Zytokinen in Makrophagen und dendritischen Zellen induzieren. Ohne die Aktivierung von Antigen-präsentierenden Zellen entstünde keine kräftige Immunantwort.
Die Zuhilfenahme dieser beiden Wahrscheinlichkeiten, welche die Evolution in unser Lymphozytensteuerungssystem eingebaut hat, ist nur ein Teil des "Regelwerks" zur Aufrechterhaltung von Selbsttoleranz. Zwei weitere Mechanismen haben wir zumindest berührt:
· Regulatorische T-Zellen spielen eine große, aber noch zu wenig verstandene Rolle in der Aufrechterhaltung der Selbsttoleranz.
· Auch wenn sich bereits Effektor-T-Zellen gegen körpereigene Strukturen gebildet haben, verfügen normale Körperzellen über Mechanismen, um solche potentiell autoaggressiven T-Zellen noch zu beruhigen. Wie wir gesehen haben, ist das z. B. durch Expression von PD‑1L möglich.
Strategie 2: ausblenden statt tolerieren
Nicht alles "Selbst" wird dem Immunsystem gezeigt. In sogenannten immunologisch privilegierten Zonen wird ein anderer Weg beschritten: einerseits werden die dort exprimierten Antigene dem Immunsystem nicht zur Kenntnis gebracht, andererseits wird es in diese Gebiete kaum hineingelassen. Zu diesen Zonen gehören Auge, ZNS, Testis und in gewisser Weise der Fetus. Ein Grund für die Existenz solcher Zonen könnte sein, dass eine Immunreaktion in diesen Geweben mehr Schaden als Nutzen zur Folge hätte.
Die "Privilegierung" des Auges erlaubt es, Hornhauttransplantationen durchzuführen, ohne auf HLA-idente Spender angewiesen zu sein. Andererseits können schwerwiegende Folgen eintreten, wenn die Barriere der privilegierten Zone einmal durchbrochen wurde. Eine Verletzung eines Auges bringt Antigene mit dem Immunsystem in Kontakt, die vorher "unsichtbar" waren. Die dadurch angeworfene Immunreaktion kann nicht nur das verletzte Auge weiter schädigen, sondern in einer als "sympathische Ophthalmie" bezeichneten Reaktion auf das gesunde Auge übergreifen.
Ähnlich
funktioniert ein Maus-Modell für Multiple Sklerose, die Experimentelle
Autoimmune Encephalomyelitis (EAE). Das Durchbrechen der Barriere
wird hier mit einer Immunisierung simuliert.
Eine Maus wird mit dem ZNS-Myelinscheidenprotein myelin basic protein (MBP) immunisiert. Einige
Zeit danach erfolgt eine Invasion des Hirngewebes durch MBP-spezifische CD4+ T-Zellen, die
Lähmungserscheinungen der Maus zur Folge hat. Die ursächliche Rolle der
T-Zellen läßt sich dadurch
demonstrieren, dass ein Transfer dieser Effektorzellen in eine gesunde,
MHC-idente Maus wieder zur Paralyse führt.
Modell für die Entstehung einer Autoimmunerkrankung
Ein Modell für die Entwicklung von Autoimmunerkrankungen sieht als Ausgangspunkt eine Unvollkommenheit in der Entwicklung der Selbst-Toleranz oder Ausblendung. Dieser Fehler kann durch genetische Faktoren erleichtert werden: durch die Form des Peptid-Bindungsspalts eines bestimmten MHC-Moleküls kann beim einen Individuum ein bestimmtes Peptid gebunden werden, während das bei einem anderen Individuum eben nicht der Fall ist. Unvollkommenheiten oder Fehler entstehen notwendigerweise dadurch, dass durch Umwelteinflüsse die Wahrscheinlichkeiten, die der Toleranzentwicklung zu Grunde liegen, nicht in jeder Situation zutreffen. So kann eine durch eine Infektion ausgelöste Aktivierung kostimulatorischer Signale in einem Entzündungsgebiet dazu führen, dass nicht nur Antigene des infektiösen Agens, sondern auch Selbst-Antigene des entzündeten Areals plötzlich als gefährlich interpretiert werden: eine Art Adjuvanswirkung der Infektion zur Immunisierung gegen "Selbst". Von vielen Patienten mit Autoimmunerkrankungen wird eine Infektion als Ausgangspunkt ihrer Erkrankung beschrieben.
Da wir auch bei Impfungen darauf angewiesen sind, kostimulatorisch wirkende Moleküle einzusetzen — sonst funktioniert die Impfung nicht — , ist es leider grundsätzlich möglich, dass auf diese Weise auch eine Autoimmunreaktion angestoßen wird. In der Impstoff-Entwicklung wird besonders darauf geachtet, dass eine solche unerwünschte Wirkung extrem selten bleibt.
Ein Beispiel, wie die gewöhnlich tolerisierende Wirkung eines Selbst-Moleküls, z. B. in Herz oder Synovia, durch einen Umwelteinfluss durchbrochen werden kann, ist das Akute Rheumatische Fieber. Eine Infektion mit β-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe A , z. B. eine Streptokokken-Angina, aktiviert dendritische Zellen und Makrophagen, die ihrerseits T-Zellen aktivieren. B-Zellen mit grenzwertig autoreaktiven B-Zellrezeptoren, die sonst in der Peripherie ohne T-Zell-Hilfe inaktiv bleiben, bekommen nun T-Zell-Hilfe, speziell bei Patienten mit gewissen HLA-Allelelen, z. B. HLA-DR7 (alte Nomenklatur). Von den Antikörpern, die nun durch die Infektion produziert werden, binden manche das M-Protein der Streptokokkenzellwand, andere das N-acetylglucosamin-Epitop des Gruppe-A Kohlehydrat-Antigens. Jedoch sind diese Antikörper gleichzeitig autoreaktiv: sie binden Antigene auf Herzklappenendothel und Synoviozyten, cardiales Myosin und andere α-helicale Proteine wie Laminin. Mit anderen Worten, diese Antikörper sind kreuzreaktiv; die von ihnen gebundenen Antigene zeigen molecular mimicry (ähnliche 3-D-Strukturen). In einer Typ II-Überempfindlichkeitsreaktion werden Endothelzellen auf Herzklappen, Herzmyozyten und Synoviozyten angegriffen; das führt zu kardialen Symptomen und Gelenksentzündungen.
Eine Epstein-Barr-Virus-Infektion ist Voraussetzung dafür, Multiple Sklerose zu entwickeln. Zahlreiche Beispiele für molekulares Mimikry zwischen EBV-Proteinen und Proteinen der weißen Substanz des ZNS, darunter MBP, sind beschrieben. Die Infektion kann auf diese Weise die vorher ausgeblendeten Autoantigene sichtbar machen, indem sie diese "vortäuscht". Der Effekt ist analog zu jenem der Augenverletzung, die zur sympathischen Ophthalmie führt. Zwar sind 95% von uns EBV-infiziert, aber zum Glück entwickeln nur sehr wenige MS. Eine EBV-Infektion ist also notwendig, aber nicht hinreichend. Eine MS entwickelt sich nur, wenn weitere Bedingungen erfüllt sind. So muss das Individuum z. B. über MHC-Proteine verfügen, welche die Mimikry-Peptide auch präsentieren können. Leider gibt es noch keine Impfung, die eine EBV-Infektion verhindern könnte. Gäbe es sie, könnte man MS wohl sehr stark zurückdrängen.
Während eine Immunantwort gegen eine Infektion durch die Elimination des infektiösen Agens begrenzt ist, sind Autoantigene natürlich nicht eliminierbar. Autoimmunphänomene zeigen daher oft das Bild einer chronischen Entzündung, bei der Gewebszerstörung zur verstärkten Freisetzung des auslösenden Antigens und damit zur Perpetuierung der Erkrankung führt. Ungeordnete Zellzerstörung führt auch zu damage-associated molecular patterns (DAMPs). Die damit in dendritischen Zellen und Makrophagen induzierten kostimulatorischen B7-Proteine und proinflammatorischen Zytokine erhöhen die Chance einer Ausweitung der Autoimmunreaktionen gegen weiterer Epitope (epitope spreading).
Die Transplantation von Organen oder Gewebe von einem
Individuum auf das andere ist von der Natur nicht vorgesehen. In diesem
Fall erweist sich der Polymorphismus des MHC, der in der Evolution
offensichtlich von Vorteil war, als äußerst hinderlich. Außer bei
einer Transplantation zwischen Geschwistern ist es praktisch unmöglich,
ein Spenderorgan mit identischem MHC zu finden. Stehen Organe zur
Verfügung, sucht man in den Wartelisten die Empfänger mit der besten
MHC-Übereinstimmung; doch diese ist eben nur partiell.
Unser Repertoir von T-Zellen ist im Thymus durch Selektion
auf unseren individuellen MHC abgestimmt worden. Nur T-Zellen, die
unseren eigenen MHC prinzipiell erkennen können, sind uns von Nutzen.
Was aber geschieht, wenn plötzlich ein Organ mit fremdem MHC in unserem
Organismus auftaucht? Intuitiv würde man vielleicht annehmen, dass
dieser fremde MHC von unseren T-Zellen nicht erkannt werden kann.
Das trifft auch für den Großteil, etwa 90%, unserer T-Zellen zu, doch
eben nicht für die restlichen 10%. In der Evolution hat dauernder
Selektionsdruck bewirkt, dass die humanen T-Zell-Rezeptor-Gensegmente
prinzipiell geeignete Bausteine darstellen, um humanen MHC zu erkennen.
Natürlich erkennt ein fertiger T-Zell-Rezeptor nicht alle allelischen
MHC-Varianten, aber auch nicht nur eine einzige, sondern eine Zahl,
die zwischen diesen beiden Extremen liegt. Etwa 10% unserer T-Zellen
verhalten sich daher gegenüber einem beliebigen fremden MHC jeweils
alloreaktiv, d. h., sie erkennen diesen fremden MHC so, dass die betroffenen
T-Zellen zur klonalen Expansion und zur Effektorzellbildung aktiviert
werden. Diese Aktivierung kann abhängig vom präsentierten Peptid sein;
meist reicht aber das fremde MHC-Molekül für sich bereits hin, um
den T-Zell-Rezeptor zu stimulieren: in diesem Fall ist es egal, welches
Peptid sich darin befindet.
Jedes transplantierte Organ enthält professionelle Antigen-präsentierende
Zellen, dendritische Zellen, die das Transplantat verlassen und in
die lokalen Lymphknoten auswandern. Dort stimulieren sie durch ihren
"falschen MHC" einen Teil der durch den Lymphknoten durchwandernden
T-Lymphozyten des Empfängers. Die Folgen dieser T-Zell-Stimulierung
entsprechen den normalen, bereits besprochenen Immunreaktionsformen,
die durch die drei hauptsächlichen T-Zell-Typen bestimmt werden:
·
CD8+ T-Zellen werden nach klonaler Expansion
zu zytotoxischen Effektorzellen, die ins Transplantat einwandern und
beginnen, die Parenchymzellen systematisch abzutöten. Dieser Mechanismus
steht bei der sogenannten akuten Abstoßungsreaktion innerhalb der
ersten Wochen im Vordergrund.
·
Die chronische Abstoßungreaktion ist
gefäßzentriert; man schreibt sie eher den CD4+ T-Zellen zu. CD4+ T-Effektorzellen
vom TH1-Typ wandern in die Gefäßwände ein und stimulieren
dort Makrophagen und Endothel. Weitere Monozyten wandern ein und differenzieren
zu Makrophagen, die TNF-α und IL-1β sezernieren. Es entsteht
eine chronische Entzündung der Gefäßwand, die durch Fibrosierung und
Vernarbung allmählich zu einer Verengung führt.
·
Dazu tragen auch CD4+ T-Zellen bei,
die zu TFH-Zellen stimuliert werden. Sie leisten die benötigte
T-Zell-Hilfe für die Produktion von Antikörpern gegen Transplantatantigene.
Diese Antikörper richten sich beispielsweise wieder gegen die fremden
MHC-Moleküle, da die entsprechenden B-Zellen ja nicht durch klonale
Deletion im Knochenmark des Empfängers entfernt werden konnten. Da
diese Antikörper mit dem Blut ins Transplantat gelangen, binden sie
in erster Linie ans Endothel des Transplantats. Die Summe dieser Mechanismen
erscheint als beschleunigte Arteriosklerose der Transplantatgefäße.
Durch die Zerstörung der Blutgefäße wird das Transplantat langsam
"erdrosselt".
Heute kaum mehr vorkommen sollte die sogenannte perakute
Transplantatabstoßung, die auf Antikörper zurückzuführen ist, die
zum Zeitpunkt der Transplantation bereits vorhanden sind. Das können
zum Beispiel Antikörper gegen Antigene des AB0-Systems sein, da diese
nicht nur auf roten Blutkörperchen, sondern auch auf Endothelzellen
und anderen Zellen exprimiert werden. Es können auch Antikörper gegen
MHC-Moleküle (hauptsächlich Klasse I, also HLA-A, -B, C) vorhanden
sein, wenn der Empfänger diese MHC-Typen, z. B. durch frühere Bluttransfusionen,
bereits "gesehen" hat. Falls solche präformierten Antikörper vorhanden
sind, reagieren sie sofort massiv mit dem Endothel der Transplantatgefäße
und aktivieren Komplementsystem und Blutgerinnung. Die Gefäße werden
verstopft, rascher am venösen Schenkel, und das transplantierte Organ
stirbt innerhalb von Minuten durch hämorrhagische Infarzierung. Durch
AB0-Abgleichung und Kreuzprobe zwischen Empfängerserum und Spenderleukozyten
sind perakute Abstoßungsreaktionen meist vermeidbar.
Doch die Immunologie der Transplantation ist noch komplexer.
Neben dem MHC (major histocompatibility
complex) tragen auch in anderen Loci des Genoms kodierte Polymorphismen
zur Transplantatabstoßung bei: man nennt diese minor histocompatibility genes. Nur eine
Minderheit von ihnen ist im Detail bekannt. In großen Familien kommt
es regelmäßig vor, dass HLA-idente Geschwister vorhanden sind, da
Geschwister eine 1:4-Chance haben, dieselben MHC-Allele von Mutter
und Vater zu erben. Auch bei einer Organspende zwischen solchen Geschwistern
treten Abstoßungsreaktionen auf. Die Polymorphismen der minor
histocompatibility-Gene (auf vielen anderen Genloci als dem MHC
haben die beiden Geschwister ja unterschiedliches Genmaterial geerbt)
führen dazu, dass die Transplantatzellen Proteine mit geringfügigen
Unterschieden zu denen des Empfängers synthetisieren. Dadurch werden
auch veränderte Peptide in den sonst identischen MHC-Molekülen präsentiert.
Gegen diese Peptide reaktive T-Zellen sind im Thymus des Empfängers
natürlich nicht durch negative Selektion eliminiert worden. Die Immunreaktion
gleicht damit der einer Virusabwehr, mit dem Unterschied, dass im
Rahmen der Virusabwehr nur infizierte Zellen abgetötet werden, während
im Transplantat natürlich alle Zellen die veränderten Peptide präsentieren,
wenn auch wahrscheinlich meist in weit geringeren Konzentrationen.
Bei den häufigen Organtransplantationen mit nur teilweise
übereinstimmendem MHC überlagern sich Immunantworten gegen MHC mit
solchen, die gegen minor histocompatibility
gene-kodierten Unterschieden gerichtet sind.
Aus diesen Gründen ist es unerläßlich, das Immunsystem
von Transplantatempfängern dauerhaft zu supprimieren. Das geschieht
in erster Linie mit T-Zell-hemmenden Pharmaka wie Ciclosporin A oder
Tacrolimus, häufig in Kombination mit Proliferationshemmern wie Azathioprin
oder Glukokortikoiden wie Prednison. Das bedingt selbstverständlich
eine hohe Gefährdung durch Infektionen, am ausgeprägtesten in der
ersten Phase nach der Transplantation, in der diese Immunsuppressiva
am höchsten dosiert werden müssen. Weitere Nebenwirkungen der Medikamente
erschweren die Behandlung: Ciclosporin A hat eine gewisse Toxizität
für viele Zelltypen, besonders für die Niere. Für den Arzt ergibt
sich also bei Funktionseinschränkungen der transplantierten Niere
das Dilemma: Abstoßungsreaktion oder Ciclosporin A-Toxizität? Im einen
Fall muß die Zyklosporin A-Dosis erhöht, im anderen Fall gesenkt werden.
Transplantate sind also leider keine Lösung "für immer":
die mediane Überlebenszeit einer transplantierten Niere beträgt etwa
acht Jahre.
Spezielle Bedingungen herrschen im Fall der Knochenmarktransplantation.
Eine solche wird zur Behandlung mancher Leukämien, Lymphome und zunehmend
weiterer Neoplasien angewendet, sowie zur Behandlung mancher genetisch
bedingter Stammzellerkrankungen wie schwerer Formen der Thalassämie.
Man unterscheidet autologe Stammzelltransplantationen, bei denen einem Individuum zunächst Stammzellen entnommen und
nach einer intensiven Tumortherapie zur Wiederbesiedlung des Knochenmarks
zurückgegeben werden, von einer allogenen Knochenmarktransplantation,
bei der die Stammzellen von einem gesunden Spender auf den Patienten
übertragen werden. Diese Form der Transplantation bedeutet, dass das
Immunsystem mit all seinen Zelltypen auf ein anderes Individuum verplanzt
wird. Wenn alles gut geht, werden die neu aus den Stammzellen entstehenden
Zellen über die normalen Mechanismen in Knochenmark und Thymus an
die neue genetische Umgebung abgestimmt und damit tolerisiert. Manchmal
ergibt sich allerdings eine generalisierte Immunreaktion gegen das
Gewebe des Empfängers, die als graft-versus-host disease bezeichnet wird.
Diese lebensbedrohliche Erkrankung manifestiert sich in erster Linie
in Haut, Magen-Darm-Trakt und Leber.
Die Reaktivität eines transplantierten Immunsystems gegen
Empfängerzellen hat manchmal auch positive Auswirkungen. Ein Teil
des therapeutischen Effekts einer allogenen Knochenmarktransplantation
bei Leukämien beruht darauf, dass Zellen des transplantierten Immunsystems
Leukämiezellen an exprimierten minor histocompatibility- oder Tumor-spezifischen
Antigenen erkennen und abtöten. Dies wird als graft-versus-leukemia-Effekt bezeichnet.
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QUELLEN UND WEITERFÜHRENDE LITERATUR:
Murphy, K. et al.:
Janeway's Immunobiology, 10th Ed. (English), Norton 2022
Murphy, K. und Weaver, C.: Janeway Immunologie, 9. Auflage (Deutsch), Springer Spektrum Akademischer Verlag, 2018
Abbas A. K. et al., Cellular and Molecular Immunology, 9th Ed., Saunders, Philadelphia, 2017
Kumar V. et al. (eds.): Robbins and Cotran Pathologic Basis of Disease, 10th Edition, Elsevier, 2020